25. Tätigkeitsbericht (2003)

1

Situation des Datenschutzes in Schleswig-Holstein

1.1

Datenschutz als Standortvorteil für Schleswig-Holstein

Es beginnt sich auszuzahlen, dass Schleswig-Holstein in Datenschutzfragen seit Jahren einen abgewogenen und zugleich konsequenten Kurs fährt. Die große Anfrage der SPD-Fraktion zur Datenschutzpolitik in Schleswig-Holstein, die Antwort der Landesregierung (Drucksache 15/2287) und die nachfolgende Parlamentsdebatte zeigten, dass es einen breiten Konsens quer durch alle Parteien gibt, was die grundlegenden Datenschutzfragen angeht. Alle Redner betonten, dass die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass der Datenschutz eine wichtige Staatsaufgabe bleibt. Stammtischparolen über "zu viel Datenschutz” hört man hier selten, stattdessen überwiegt die gemeinsame Anstrengung, den Datenschutz im Interesse der Bürgerinnen und Bürger kontinuierlich zu optimieren. Auch Schleswig-Holsteins Haltung im Bundesrat ist zumeist geprägt von der Absicht, den Grundrechtsschutz zu verbessern.

Das im Jahre 2000 umfassend modernisierte Landesdatenschutzgesetz (LDSG) erweist sich in der täglichen Praxis als vernünftiges und wirksames Handlungsinstrument. Das Parlament war mit seinem Ansatz, das Gesetz so weit wie möglich zu vereinfachen und zu verschlanken und auf der anderen Seite klare Konturen zu zeigen, wenn es um den Schutz der Bürgerinteressen geht, auf der Höhe der Zeit. Dass die Datenverarbeitung in bestimmten Fällen nunmehr direkt auf das LDSG gestützt werden kann, führt zunehmend zur Entlastung der Fachgesetze von allgemeinen Erhebungs- und Übermittlungsregelungen, ohne dass damit ein erkennbarer Nachteil für die Bürgerinnen und Bürger verbunden wäre.

Die Gründung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts hat sich in den vergangenen zwei Jahren bewährt. Das ULD kann seine Aufgaben in der von der Europäischen Datenschutzrichtlinie verlangten Unabhängigkeit erfüllen. Die Anstaltsform erweist sich als geradezu ideal für die sinnvolle Verknüpfung der Verlässlichkeit und Korrektheit einer öffentlichen Behörde mit der aus der Privatwirtschaft gewohnten Flexibilität und Innovationskraft. Das ULD hat sich in den zwei Jahren seines Bestehens einen guten Ruf erworben, der weit über Schleswig-Holstein hinausreicht. Ein Beleg dafür ist die Vielzahl von Einladungen zu Vorträgen aus dem Bundesgebiet und aus europäischen Ländern, die gar nicht alle bewältigt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind auch als Autoren gefragt, wie ein Blick in die Datenschutz- und Datensicherheitsliteratur deutlich werden lässt. Die neuen Instrumente Datenschutzaudit und -gütesiegel sind so attraktiv, dass insbesondere überregional tätige Firmen nachfragen, welche Möglichkeiten es gibt, diese schleswig-holsteinischen Qualitätszeichen zu erlangen. Wenn diese Firmen Aufträge deshalb nach Schleswig-Holstein vergeben, weil sie nur so an ein Datenschutzaudit kommen können, dann ist "Datenschutz als Standortvorteil” offenbar mehr als ein Schlagwort.

Auch das Informationsfreiheitsgesetz, das ein wesentlicher Baustein der schleswig-holsteinischen Informationspolicy ist, hat seine Bewährungsprobe bestanden. Was anderswo gelegentlich von schrillen Tönen begleitet ist, hat sich in Schleswig-Holstein ohne viel Getöse etabliert. Eine Untersuchung des ULD (vgl. Tz. 13.1) zeigt, dass das Gesetz rege in Anspruch genommen wird. Bürgerinnen und Bürger, die dies tun, haben überwiegend Erfolg. Über 90 % aller Informationsanträge werden - zumeist binnen weniger Tage - positiv beschieden. Die Behörden, die das Gesetz keineswegs überall mit Begeisterung aufgenommen hatten, haben sich erstaunlich schnell mit den neuen Rechten der Bürger arrangiert. Die wenigen Streitfälle, die es in Schleswig-Holstein gibt, resultieren aus einer nur gelegentlich anzutreffenden engen, fast ängstlichen Gesetzesinterpretation.

1.2

Datenschutzaudit und Gütesiegel im Praxistest

Im vergangenen Jahr wurden die ersten Audit- und Gütesiegelverfahren erfolgreich abgeschlossen (vgl. Tz. 10.1, Tz. 10.3). Ihre Zahl wird sich in diesem Jahr beträchtlich erhöhen. Zunehmend erkennen Firmen und Behörden, dass es ein Vorteil ist, bei ihren Kunden mit einem überzeugenden, von unabhängiger Seite geprüften Datenschutzkonzept zu werben. Die bisher durchgeführten Audits haben gezeigt, dass es allen Beteiligten Spaß machen kann, den Datenschutz einmal von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen. Zwar ist es für eine abschließende Analyse noch zu früh, aber es ist aufgefallen, dass die Herangehensweise an das Thema Datenschutz von vornherein eine andere ist, wenn, wie beim Audit, Behörden von sich aus die Initiative ergreifen. Alle bisherigen Audits haben zu datenschutzrechtlichen Verbesserungen geführt, die eigener Einsicht entsprangen und nicht per Kontrolle und Kritik durchgesetzt werden mussten. Das im Rahmen eines Audits zu entwickelnde Datenschutzmanagementsystem gewährleistet, dass das erreichte Datenschutzniveau auf Dauer gehalten wird. Dafür kann auch die "Kontrolle” durch die Kunden sorgen, die aufgrund eines zu Werbezwecken gezeigten Datenschutzauditzeichens vielleicht ein besonderes Augenmerk darauf richten, ob der Datenschutz in der jeweiligen Stelle tatsächlich so gut ist wie versprochen.

1.3

Die Ergebnisse bei Kontrollen

Datenschutzrechtliche Kontrollen sind neben Beratung, Audit und Gütesiegel weiterhin notwendig. Im Berichtszeitraum wurden insgesamt 26 systematische Kontrollen durchgeführt (vgl. Tz. 4.2.2, Tz. 4.2.4, Tz. 4.3.1, Tz. 4.8.8, Tz. 4.9.1, Tz. 4.11.1, Tz. 6.2.1, Tz. 7.4.1, Tz. 7.4.2, Tz. 7.4.3, Tz. 7.4.4, Tz. 7.6). Dabei wurden die Datenverarbeitungsprozesse sowohl bei öffentlichen Stellen als auch in der Privatwirtschaft analysiert. Kaum ein Prüfbericht kam ohne Beanstandung aus, aber die Kontrollen zeigen auch tatsächlich Wirkung. So ergab eine Nachschau in einer Justizvollzugsanstalt neun Jahre nach der ersten Querschnittsprüfung in diesem Bereich, dass tatsächlich einiges besser geworden ist (vgl. Tz. 4.3.1). Auch die Schwerpunktkontrollen im Bereich der Entsorgung von Akten und anderen Datenträgern im vergangenen Jahr (vgl. 24. TB, Tz. 7.6) haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Bei einer systematischen Nachkontrolle in diesem Jahr gab es kaum Grund zu Beanstandungen (vgl. Tz. 7.6). Eine erstmals durchgeführte Kontrolle des Krebsregisters ergab, dass dort sehr sorgsam mit den Daten der Krebspatienten umgegangen wird (vgl. Tz. 7.4.3).

Im krassen Gegensatz dazu standen die Feststellungen im Krankenhaus Itzehoe. Die Mängel waren in einigen Punkten so gravierend, dass noch vor Beendigung der Prüfung "Eilbeanstandungen” ausgesprochen werden mussten (vgl. Tz. 7.4.1).

Eine systematische Nachschau bei allen Handels- und Wirtschaftsauskunfteien in Schleswig-Holstein ergab diverse Mängel, die beim Umgang mit so sensiblen Daten nicht akzeptabel sind (vgl. Tz. 6.2.1).

Der Umgang der Polizei mit genetischen Daten in ihren Laboren ergab keinen Grund zur Beanstandung. Allerdings muss die Dokumentation der Entscheidungen über die Erhebung und Aufbewahrung genetischer Daten verbessert werden (vgl. Tz. 4.2.2). Bei der Rasterfahndung zeigte sich, dass ihre technische Durchführung bislang korrekt erfolgte. Im Gegensatz zum Innenministerium sind wir aber der Meinung, dass die Rolle des BKA bei dieser Rasterfahndung vom Gesetz nicht gedeckt ist und dass der Kreis der Personen, zu denen Anschlussermittlungen durchgeführt wurden, zu groß ist (vgl. Tz. 4.2.4).

Eine Anlasskontrolle bei der Christian-Albrechts-Universität (CAU) förderte erhebliche Sicherheitslücken beim Internet-Anschluss und eine Reihe konzeptioneller Mängel des Datenschutzes in der CAU zutage (vgl. Tz. 4.9.1).

1.4

Die Ausstattung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz, das seine Räume nunmehr mitten in der Kieler Fußgängerzone hat, ist nicht nur dadurch näher an die Bürgerinnen und Bürger herangerückt. Mit mehreren Umfragen haben wir uns bemüht, die Meinung der Bürgerinnen und Bürger zu aktuellen Datenschutzfragen in Erfahrung zu bringen (vgl. Tz. 4.8.9, Tz. 6.1). Die konsequente Orientierung unserer Arbeit an den Interessen unserer "Kunden” trägt dazu bei, dass die Bürger unsere Dienststelle als zentralen Anlaufpunkt für alle Fragen des Informationsrechts betrachten.

Allerdings ändern sich Struktur und Zielrichtung der Bürgereingaben in auffälliger Weise. Die Zahl der klassischen Petitionen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger über datenschutzwidriges Verhalten einer speichernden Stelle beschweren, geht vor allem im Bereich der öffentlichen Verwaltung kontinuierlich zurück. Offenbar hat die jahrelange Kontroll-, Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Behörden wollen sich in Datenschutzfragen möglichst keine Blöße mehr geben. Fälle, in denen das Datenschutzrecht der Bürger sehenden Auges missachtet wurde, kommen kaum noch vor. Dies werten wir als gutes Zeichen für das in Schleswig-Holstein erreichte Datenschutzniveau. Was bleibt, sind Streitfälle bei der Auslegung zweideutiger Gesetzesvorschriften oder Beschwerden über Nachlässigkeiten. Gleichwohl nimmt die Zahl der Eingaben seit Jahren überproportional zu. Immer mehr Menschen wollen von unseren Beratungsdienstleistungen profitieren. Auch außerhalb Schleswig-Holsteins wird es geschätzt, dass man sich bei uns kompetente Informationen und Ratschläge, z. B. zum Selbstdatenschutz, schnell und unbürokratisch holen kann. Täglich erreichen uns Dutzende von Anrufen und E-Mails, in denen die Bürger Hilfe und Orientierung im Informationsdschungel erbitten.

Die Personalausstattung der Dienststelle kann diese Nachfrage nach Datenschutz nur noch mit äußerster Mühe befriedigen. Zwar ist die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten Jahren immer wieder erhöht worden, aber mit der Entwicklung und Verbreitung der Informationstechnik und der Komplexität der sie steuernden Rechtsvorschriften konnte in keiner Weise Schritt gehalten werden. Besonders drastisch ist die Unterbesetzung im Bereich der privaten Wirtschaft, obwohl gerade dort die größten Steigerungsraten hinsichtlich der Nachfragen von Betrieben und Kunden zu verzeichnen sind. Als seinerzeit im Jahre 2000 die Aufgabe der Datenschutzkontrolle in der Privatwirtschaft vom Innenministerium auf das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz überging, wurde lediglich die im Innenministerium vorhandene Personalausstattung von zwei Mitarbeitern mit übertragen. Wegen der kurze Zeit später im Zuge der Novellierung des BDSG im Jahre 2001 in Kraft getretenen erheblichen Aufgabenerweiterungen bestand zwischen dem Innenministerium und uns Übereinstimmung, dass eine auch nur einigermaßen glaubwürdige Wahrnehmung der neuen Kontrollaufgaben mindestens die Einrichtung von vier weiteren Stellen notwendig machen würde. Obwohl diese Stellen im Rahmen der Haushaltsberatungen mehrfach beantragt wurden, ist bis heute keine einzige bewilligt worden. Bei allem Verständnis für die angespannte Haushaltssituation im Lande müssen wir darauf hinweisen: Mit der gegenwärtigen Personalausstattung im Bereich der Datenschutzaufsicht in der Privatwirtschaft kann man den Bürgerinnen und Bürgern nicht mit ruhigem Gewissen versichern, sie könnten sich auf die Kontrollen der Datenschutzaufsicht verlassen.



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