25. Tätigkeitsbericht (2003)
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Informationsfreiheit |
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13.1 |
Bilanz nach zwei Jahren Informationsfreiheitsgesetz in Schleswig-Holstein
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Unsere Erhebung bei den Kommunen und Landesbehörden in
Schleswig-Holstein hat ergeben, dass sich das Informationsfreiheitsgesetz
inzwischen gut etabliert hat. Nennenswerte Probleme mit der Umsetzung
in der täglichen Behördenpraxis gibt es offensichtlich
nicht. Bis zu der von uns durchgeführten Erhebung hatten wir nur
sehr wenige Erkenntnisse über den Umfang der Inanspruchnahme
des Informationsfreiheitsgesetzes und der dabei möglicherweise
auftretenden Probleme. Wir konnten die uns bekannt gewordenen Konfliktfälle
und die Beratungsersuchen nur sehr bedingt hochrechnen. Tatsächlich
wurden schon in den ersten beiden Jahren nach dem InKraft-Treten
des Gesetzes von mehr als 2000 Bürgerinnen und Bürgern
Informationsgesuche gestellt. Vermutlich liegt die Zahl sogar
noch höher, denn viele Behörden führen keine Aufzeichnungen
über die Informationsgesuche und konnten deshalb keine genauen
Angaben machen. Es wurden Informationen aus allen Verwaltungsgebieten nachgefragt.
Das größte Interesse galt dem Bau- und Planungsbereich.
Hinterfragt wurden aber z. B. auch die Modalitäten der Vergabe
von Kindergartenplätzen, die Arbeitsbelastung von Richtern,
die landwirtschaftliche Förderpraxis, die Wirtschaftlichkeit
von Kurverwaltungen, Organisationsfragen bei der Polizei und die
Arbeitsweise der Tierschutzbehörden. Folgende Aufstellung zeigt die Reihenfolge der Themen, wofür
sich die Bürgerinnen und Bürger am häufigsten interessierten:
Dabei hielt sich der zur Beantwortung erforderliche Arbeitsaufwand
in Grenzen. Die Informationsgesuche waren ziemlich gleichmäßig
auf die Behörden verteilt. Die meisten Behörden, vorwiegend
auf kommunaler Ebene, hatten maximal fünf Anträge zu bearbeiten.
Etwa die Hälfte der Behörden hat noch keine Bekanntschaft
mit dem Gesetz gemacht. In über 90 % der Fälle hatten die Anträge
Erfolg. Die begehrten Informationen wurden zugänglich
gemacht. Hervorzuheben ist, dass Schleswig-Holsteins Behörden bei
Informationsgesuchen wesentlich schneller arbeiteten, als es das
Gesetz verlangt. In 90 % der Fälle wurde binnen maximal
einer Woche über die Anträge entschieden. Damit konnte das Gesetz in der Praxis weitestgehend erfolgreich
umgesetzt werden. Es zeigte sich, dass vieles, was in der Vergangenheit
noch als geheimhaltungsbedürftig galt, den Bürgern mitgeteilt
werden konnte. Negative Konsequenzen aus der größeren
Offenheit sind uns nicht bekannt geworden. Kulant waren die Behörden auch bei den Gebühren und
Auslagen: Überwiegend wurden die Informationen kostenlos
gegeben. |
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Alles in allem hat das Informationsfreiheitsgesetz in der Praxis
offenbar mehr Bedeutung als bisher bekannt. Die Gesetzesanwendung
funktioniert allem Anschein nach weitgehend reibungslos und ohne
Verzögerung. Schleswig-Holsteins Bürgerinnen und Bürger
nehmen ihre neuen Rechte zunehmend in Anspruch, und die Verwaltung
beweist bislang beim Umgang mit der neuen Offenheit Souveränität
und Umsicht. |
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13.2 |
Interessante Einzelfälle
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Einsichtsanträge in Ausschreibungsunterlagen haben
uns bereits wiederholt beschäftigt, so auch in diesem Jahr.
Ein Petent - selbst Inhaber eines Mineralölhandels - wollte
Einsicht in Wärmelieferungsverträge nehmen, die ein schleswig-holsteinischer
Kreis zur Versorgung seiner eigenen Gebäude mit zwei großen
Energieversorgungsunternehmen abgeschlossen hatte. Der Kreis versagte
die Akteneinsicht mit der Begründung, er habe hier nur zur
Deckung seines Eigenbedarfes gehandelt. Der Anwendungsbereich des
IFG-SH sei durch die Definition der Behörde im § 3 des
Gesetzes auf öffentlich-rechtliche Handlungsformen beschränkt.
Wir haben den Kreis darauf hingewiesen, dass es für die Anwendbarkeit
des Gesetzes nicht darauf ankommt, in welcher Handlungsform die
Behörde konkret tätig wird. Eine Einschränkung auf
klassische öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit
findet im Gesetz keine Stütze (vgl. 24. TB, Tz. 13.1).
Der Gesetzgeber hat nicht beabsichtigt, dass der gesamte Bereich
der staatlichen Eigenbedarfsdeckung praktisch von der Informationsfreiheit
ausgeklammert wird und damit weiterhin undurchsichtig bleibt. Auch der Hinweis des Kreises auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen seiner Vertragspartner zog nicht. Die uns vorgelegten Verträge und Wärmeabrechnungen enthielten zwar Mengen und Preise. Um Vertragsmodalitäten der Kategorie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zuordnen zu können, muss die Offenbarung der in den Verträgen enthaltenen Fakten jedoch einen beträchtlichen wirtschaftlichen Schaden des betroffenen Unternehmens nach sich ziehen und diese schutzwürdigen Belange das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit überwiegen. Eine dahin gehende Prognose war hier nicht zu stellen. Da es sich lediglich um Vereinbarungen über die Versorgung einzelner kreiseigener Liegenschaften handelte, also für ein regional begrenztes Gebiet, waren spezielle das Unternehmen schädigende Rückschlüsse auf dessen allgemeine Kalkulationsgrundlagen im Ganzen oder seine Stellung auf dem Markt nicht möglich. Für ein durchaus bestehendes Interesse der Allgemeinheit an der Offenbarung sprach dagegen gerade die Art und Weise der Ausschreibung: Es handelte sich nämlich um eine so genannte freihändige Vergabe, bei der bestimmte Konditionen zwischen den Vertragspartnern frei aushandelbar sind. Die Öffentlichkeit darf sich durchaus dafür interessieren, zu welchen Konditionen die öffentliche Hand solche Verträge abschließt. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen musste hier also eindeutig zugunsten der Allgemeinheit getroffen werden. Da der Landrat gleichwohl den Informationszugang verweigerte, musste letztlich eine förmliche Beanstandung ausgesprochen werden.
Grundsätzlich gilt, dass sich Strafgefangene wie jede andere
Bürgerin und jeder andere Bürger auf das Recht auf Informationsfreiheit
berufen können. Will ein Strafgefangener also Zugang zu Informationen
erlangen, die bei einer öffentlichen Stelle vorhanden sind,
wozu auch die Justizvollzugsanstalt gehört, kann er
einen entsprechenden Antrag stellen. Berechtigten Interessen der
Haftanstalt - etwa wenn der Gefangene in die Baupläne der Anstalt
schauen will - kann selbstverständlich ausreichend durch die
im Informationsfreiheitsgesetz geregelten Ausnahme- und Beschränkungstatbestände
Rechnung getragen werden. Das Informationsfreiheitsgesetz findet hingegen keine Anwendung
für den Fall, dass der Strafgefangene Einsicht in seine eigene
Gefangenenpersonalakte nehmen will. Das Strafvollzugsgesetz
regelt spezialgesetzlich und abschließend das Vollzugsverhältnis
und somit auch die damit verbundenen Rechte des Strafgefangenen
auf Informationszugang. Es trägt den Besonderheiten des Strafvollzuges
dadurch Rechnung, dass ein Auskunftsinteresse dann zurückstehen
muss, wenn die Sicherheitsinteressen der Anstalt dies erfordern.
Die Verkehrsschauen dienen dem Zweck, in regelmäßigen
Abständen durch die Straßenverkehrsbehörden im Zusammenwirken
mit den beteiligten öffentlichen Stellen, z. B. der Polizei,
zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für einen reibungslosen
Ablauf des Straßenverkehrs vorliegen, und die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen. Es ist gut nachvollziehbar, dass die
Bürgerinnen und Bürger sich über die Ergebnisse derartiger
Verkehrsschauen informieren möchten, vor allem, wenn es sich
dabei um die Verkehrsverhältnisse in der unmittelbaren Nachbarschaft
handelt. Eine Einschränkung ist allenfalls dann zu machen,
wenn personenbezogene Daten Dritter in der Niederschrift
enthalten sind. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn die Ausweisung
eines behindertengerechten Parkplatzes ins Auge gefasst ist und
dazu Daten des Betroffenen in der Niederschrift erwähnt sind.
Dann muss die Niederschrift zumindest so aufbereitet werden, dass
sie keinen Personenbezug enthält. |
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13.3 |
Entwicklung des Informationsfreiheitsrechts in Deutschland und
in der EU
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Während auf EU-Ebene die Informationsfreiheit weiter vorangetrieben
wird, hat der Bundesgesetzgeber es versäumt, entsprechende
Gesetze auf den Weg zu bringen. Damit ist Deutschland weiterhin
Schlusslicht im internationalen Vergleich.
Auf EU-Ebene besteht bereits die Verordnung über den Zugang
der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments,
des Rates und der Kommission (vgl. 24. TB, Tz. 13.3).
Im Sommer dieses Jahres hat die Kommission eine Richtlinie
über die Verwertung und kommerzielle Nutzung von Dokumenten
des öffentlichen Sektors vorgeschlagen. Ziel der Richtlinie
ist die Förderung europäischer Informationsdienste und
die Schaffung gleicher Grundbedingungen für alle Akteure im
europäischen Binnenmarkt. Der Vorschlag bezieht sich auf allgemein
zugängliche Dokumente und solche Informationen, die von öffentlichen
Stellen als Ausgangsmaterial für von ihnen vertriebene Informationsprodukte
oder dienste verwendet werden. Derartige Informationen können
etwa statistische oder meteorologische Daten sein, aber auch Informationen
aus Tourismus oder Geographie, die von öffentlichen Informationsstellen
und Presseämtern vorgehalten werden. Zu klären ist unter anderem, was unter kommerziell
verstanden wird. Gehören auch Informationen dazu, die ein Unternehmen
einsehen möchte, um daraus einen eigenen Nutzen zu ziehen?
Kann das Unternehmen diese Informationen dann später weitergeben,
ohne selbst als Informationsanbieter in Betracht zu kommen? Unklar
bleiben weiterhin die in dem Entwurf genannten anderweitigen
Zwecke. Hier wird der nationale Gesetzgeber, der die Richtlinie
umzusetzen hat, auch im Hinblick auf die bereits bestehenden Informationsfreiheitsgesetze
gefordert sein, eine Präzisierung vorzunehmen.
Der Bundesgesetzgeber hat es in der letzten Legislaturperiode
versäumt, die Informationsfreiheitsrechte auf Bundesebene zu
regeln. Damit gerät Deutschland immer mehr in die Rolle
des Schlusslichts auf internationaler Ebene. Gerade angesichts
der Korruptionsfälle, über die auch in diesem Jahr quer
durch die Republik berichtet wurde, hätte Veranlassung bestanden,
das Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen. Stattdessen
kamen die Bedenken gegen den Gesetzentwurf gerade aus den Fachressorts,
deren Unterlagen von Interesse für die Bürgerinnen und
Bürger gewesen wären. Die daraufhin zusätzlich in
das Gesetz eingearbeiteten Ausnahmen hätten den Grundsatz der
unbeschränkten Aktenöffentlichkeit fast ins Gegenteil
verkehrt. Es bleibt zu hoffen, dass in der laufenden Legislaturperiode
rechtzeitig ein Versuch unternommen wird, die Informationsfreiheit
auf Bundesebene zu etablieren. Ein Bundesgesetz, das den Namen Informationsfreiheitsgesetz
auch wirklich verdient, hätte sicher auch Signalwirkung für
diejenigen Bundesländer, in denen zurzeit noch keine Informationsfreiheit
herrscht. Ebenfalls gescheitert ist das Verbraucherinformationsgesetz.
Blieb von dem ursprünglich von der Bundesregierung vorgelegten
Entwurf nach den Beratungen im Bundestag schon nicht allzu viel
übrig, so scheiterte das Gesetz endgültig im Bundesrat.
Dabei wäre angesichts der vielen Skandale auf dem Gebiet des
Verbraucher- und Lebensmittelrechts der letzten Jahre ein Gesetz,
das die Interessen der Verbraucher tatsächlich effektiv schützen
und verbessern hilft, dringend notwendig. Dass es zu den Aufgaben
der Regierung gehört, durch rechtzeitige Informationen die
Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern,
auf Krisen schnell und sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern
zu Orientierungen zu verhelfen, hat das Bundesverfassungsgericht
am 26. Juni 2002 festgestellt. Aktuelle Krisen im Agrar- und Lebensmittelbereich,
so das Gericht weiter, zeigten beispielhaft, wie wichtig öffentlich
zugängliche, mit der Autorität der Regierung versehene
Informationen zur Bewältigung solcher Problemlagen sind. Es
bleibt zu hoffen, dass dieser Appell nicht ungehört verhallt. |
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13.4 |
Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands
(AGID)
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Die Informationsbeauftragten der Bundesländer Brandenburg,
Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben auch in
diesem Jahr den Erfahrungsaustausch über allgemeine und spezielle
Fragen des Informationszuganges fortgesetzt. Neben der Entwicklung der Informationsfreiheit auf Bundesebene
(vgl. Tz. 13.3) und dem Erfahrungsaustausch
über die Informationsfreiheitsgesetze in den Ländern bildete
die Forderung nach mehr Transparenz im Bereich verwaltungsinterner
Vorschriften einen Schwerpunkt. Bürgerinnen und Bürger
interessieren sich häufig dafür, auf welcher Grundlage
die Verwaltung Entscheidungen trifft. Durch die Veröffentlichung
von internen Verwaltungsvorschriften können behördliche
Entscheidungen transparenter gemacht werden und zu mehr Akzeptanz
beim Bürger führen. Die Informationsbeauftragten Deutschlands
haben daher in einer Entschließung die generelle Veröffentlichung
aller Verwaltungsvorschriften und Richtlinien, die für Verwaltungsentscheidungen
herangezogen werden, gefordert.
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