25. Tätigkeitsbericht (2003)
4.3 |
Justizverwaltung |
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4.3.1 |
Daten über Strafgefangene
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Die Verarbeitung von Daten über Strafgefangene war Gegenstand
einer Querschnittskontrolle in der Justizvollzugsanstalt Neumünster.
Einige der in früheren Prüfungen festgestellten Mängel
sind inzwischen abgestellt. Gleichwohl enthält auch der neue
Prüfbericht eine Reihe von Kritikpunkten. Der Vollzugsalltag bringt es mit sich, dass über die Gefangenen
detaillierte Informationen bis hin zum Intimbereich anfallen. Wer
unter welchen Voraussetzungen Zugang zu diesen Unterlagen bekommt,
ist nicht nur für die Gefangenen und ihre Angehörigen
von größter Bedeutung. Daneben müssen die Interessen
der Anstaltsbediensteten sowie der Allgemeinheit unter dem Aspekt
des Opferschutzes und der Verhütung künftiger Straftaten
berücksichtigt werden. In einigen Punkten hat sich die Situation
seit der letzten Querschnittsprüfung in Schleswig-Holstein
vor zehn Jahren deutlich verbessert:
In anderen Bereichen gab es Anlass zu datenschutzrechtlicher
Kritik und Beanstandungen. Einiges hat sich offenbar
in den letzten zehn Jahren nicht verbessert, einiges ist neu:
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Insgesamt wurden 60 Punkte aufgelistet, bei denen datenschutzrechtliche
Verbesserungen angezeigt sind. Die aufgezeigten Schwachpunkte werden
im Wesentlichen vom Justizministerium eingeräumt. In Abstimmung
mit der JVA Neumünster wird eine Arbeitsgruppe zur zügigen
Aufarbeitung der von uns vorgelegten Empfehlungen eingerichtet.
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4.3.2 |
MESTA mit Mängeln
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Die Errichtungsanordnung für MESTA wurde erlassen, obwohl
wir auf eine Reihe von rechtlichen Mängeln hingewiesen hatten.
Deren Beseitigung ist unter Verweis auf die notwendige Abstimmung
mit den anderen Ländern, die die Software einsetzen, bislang
unterblieben. Die Datenverarbeitung bei den Staatsanwaltschaften ist in Schleswig-Holstein
im Gesetz über die staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister
(StARegG) geregelt. Das Gesetz wurde vom Parlament 1996 als Ausgleich
zwischen den Bedürfnissen der Strafverfolgung und den datenschutzrechtlichen
Belangen geschaffen. Zwar enthält seit kurzem auch die Strafprozessordnung
eine Rechtsgrundlage für Dateien der Staatsanwaltschaft. Die
Einzelheiten können die Länder aber per Errichtungsanordnung
selbst klären. Das StARegG enthält im Wesentlichen die
Regelungen, die die StPO den Ländern überlässt. Deshalb
ist dieses Gesetz keineswegs obsolet geworden. Zwar dürfte
nach der StPO die Exekutive selbst die Einzelheiten der staatsanwaltschaftlichen
Dateien festlegen. Dass in Schleswig-Holstein diese Regelungen sogar
in Gesetzesform bestehen, darf die Justizverwaltung bei der Formulierung
der Errichtungsanordnung für MESTA nicht einfach ignorieren. Jetzt soll ein landesweites Verfahrensregister der
Staatsanwaltschaften eingerichtet werden, obwohl die Staatsanwaltschaften
schon bisher gegenseitig auf die Verfahrensdaten gemäß
dem Gesetz über die staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister
(StARegG) zugreifen konnten. Eine Erforderlichkeit für ein
gemeinsames Verfahrensregister in Schleswig-Holstein ist also nicht
zu erkennen. Die jetzt vom Generalstaatsanwalt in Kraft gesetzte Errichtungsanordnung
senkt den datenschutzrechtlichen Standard bei den Staatsanwaltschaften
in Schleswig-Holstein ohne Rücksicht auf die Regelungen des
StARegG deutlich ab. So haben wir vor allem wegen des erheblich
erweiterten Personenkreises Bedenken. Warum z. B.
Daten von Geschädigten und Anzeigenden in Straf- und Bußgeldverfahren
bis zur Aktenaussonderung gespeichert werden sollen, ist nicht nachvollziehbar.
Hier müssen die Regelungen des StARegG berücksichtigt
werden. Die StPO lässt Spielraum für eine Beibehaltung
der bislang in Schleswig-Holstein zugunsten der Persönlichkeitsrechte
von Geschädigten und Anzeigenden praktizierten Beschränkung.
Auch sind die Gründe dafür nicht ersichtlich, dass künftig
über MESTA in Erfahrung gebracht werden können soll, in
welcher Eigenschaft eine Person an einem Verfahren beteiligt ist. Daneben sollten Zugriffsberechtigungen eindeutig definiert
werden. Die Prüffristen sollten den Wertungen des StARegG Rechnung
tragen. Ferner muss die Speicherungsdauer der Daten in der
Errichtungsanordnung selbst festgelegt werden.
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4.3.3 |
Einblick in die Krankenakten auch für psychisch kranke Straftäter
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Das Akteneinsichtsrecht ist ein wichtiges Datenschutzrecht,
das grundsätzlich auch psychisch Kranken und Straftätern
zusteht. Der restriktive Kurs einer Fachklinik führte zu Konflikten
mit fragwürdigem therapeutischem Nutzen. Von einer Anwältin wurden wir gleich auf eine ganze Palette
von Problemen bei der Einsicht in die Patientenakten von nach dem
Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG) oder dem Strafvollzugsgesetz
(StVollzG) in der Fachklinik Neustadt untergebrachten Straftätern
hingewiesen. Im MVollzG wird den wegen einer Straftat psychiatrisch
Untergebrachten sowohl ein Auskunfts- wie auch ein Akteneinsichtsanspruch
gewährt. Verweigert werden darf die Auskunft nur, soweit der
Zweck des Maßregelvollzugs wesentlich gefährdet würde.
Die Einsicht ist ausgeschlossen, soweit eine wesentliche Gefährdung
des Gesundheitszustandes des Untergebrachten oder des Vollzugszweckes
droht. Mit letzterem Argument wurde nun der Anwältin immer wieder
Akteneinsicht verweigert. Dabei wechselten die Begründungen.
Nachdem sie den Fall eines Untergebrachten in die öffentlichen
Medien gebracht hatte, sah die Klinik Gesundheit und Aufgabenerfüllung
in Gefahr. Auch das sehr engagierte Auftreten der Anwältin
und die Verwendung ihrer Kenntnisse gegenüber den Untergebrachten
betrachtete die Klinik als Anlass, Beeinträchtigungen bei den
Probanden zu befürchten. Bei nach dem StVollzG Untergebrachten
wurde die Akteneinsicht zunächst mit der Begründung verweigert,
dass die Anwältin nicht präzise angegeben habe, für
welche Zwecke sie die Auskunft nutzen wolle. Der Konflikt beschäftigte
nicht nur uns, sondern auch die Gerichte. Eine Aufweichung der Fronten
ist bisher nicht zu erkennen. Zwar verlangt das StVollzG zur Begründung der Akteneinsicht
für einen Gefangenen, dass eine Auskunft für die
Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen nicht ausreicht
und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist.
Diese muss bei verfassungskonformer Auslegung so verstanden werden,
dass es genügt, dass der Gefangene als rechtliches Interesse
die Wahrnehmung seines Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung
anführt. Will z. B. ein Betroffener prüfen, ob ein Rechtsstreit
gegen die aktenführende Anstalt oder einen behandelnden Arzt
Aussicht auf Erfolg haben würde, so muss eine Akteneinsicht
möglich sein. Bei medizinischen Unterlagen ergibt sich der
Anspruch auf Akteneinsicht bereits aus dem ärztlichen Standesrecht. Beim Maßregelvollzug gibt es eine dem StVollzG entsprechende
rechtliche Einschränkung der Akteneinsicht nicht. Da die Auskunfts-
oder Einsichtsverweigerung jedoch medizinisch begründet werden
darf, eröffnen sich einer Fachklinik Ablehnungsgründe,
die juristisch nur eingeschränkt auf ihre Plausibilität
hin überprüft werden können. Dies bedeutet aber nicht,
dass mit dem Argument des Gesundheitsschutzes jedes Begehren zurückgewiesen
werden dürfte. Vielmehr müssen konkrete Gesundheitsgefahren
dargelegt werden. Zwar geht das Recht eines bevollmächtigten Anwaltes
nicht weiter als das der betroffenen Person, doch ist der Umstand,
dass ein Begehren von einem Anwalt vorgebracht wird, besonders zu
gewichten, weil durch ihn Erkenntnisse gegenüber dem Betroffenen
gefiltert werden und Gefahren für Sicherheit und Gesundheit
abgewendet werden können. Es geht nicht an, dass selbst eine
rechtliche Prüfung der Akten durch den Anwalt wegen einer vermuteten
Falschbehandlung mit dem Argument sabotiert wird, dies könne
dem Patienten gesundheitlich schaden. Der Umstand, dass ein Anwalt
mit Zustimmung seines Mandanten einen Konflikt mit der Klinik öffentlich
gemacht hat oder vor Gericht streitig austrägt, ist für
sich noch kein Grund für eine Einsichtsverweigerung.
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