25. Tätigkeitsbericht (2003)

4.5

Ausländerverwaltung

4.5.1

Überblick

Im 24. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.5.1 und Tz. 4.5.2) stellten wir die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erfolgten Änderungen des Ausländerrechts dar, die zu verfassungsrechtlich fragwürdigen Erfassungsmöglichkeiten von Nichtdeutschen führen. Inzwischen liegen die ersten Erfahrungen mit der Umsetzung des neuen Ausländerrechts vor. Wir konnten feststellen, dass von vielen gesetzlichen Möglichkeiten bislang nicht oder nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht worden ist.

Dies ändert nichts an dem Umstand, dass die Vorgaben des Terrorismusbekämpfungsgesetzes eine nach der anderen umgesetzt werden, auch wenn deren Sinnhaftigkeit angesichts der inzwischen eingetretenen zeitlichen Distanz zu den auslösenden Ereignissen zunehmend bezweifelt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Durchführung der Rasterfahndung (vgl. Tz. 4.2.4). Ein anderes ist eine Verwaltungsvorschrift, nach der bei Anträgen für ein Visum oder für eine Aufenthaltserlaubnis von Staatsangehörigen bestimmter Länder pauschal eine Anfrage bei allen drei Bundesgeheimdiensten, beim Bundeskriminalamt und beim Zollkriminalamt vorgenommen wird. In Einzelfällen ging die Praxis selbst über die ausufernden neuen Regelungen hinaus.

4.5.2

”Verdächtige” Ausländer

In bundesweit verteilten Merkblättern werden Ausländerbehörden aufgefordert, ”verdächtige” Ausländer anhand vager, zur Geheimsache erklärter Kriterien an die Polizei zu melden. Eine Rechtsgrundlage für derartige Meldungen besteht nicht.

Im Rahmen einer Prüfung beim Landeskriminalamt entdeckten wir bundesweit einheitliche Merkblätter für Ausländerbehörden, die ”Handreichungen zum Erkennen von potenziellen islamistischen Gewalttätern” geben und im Trefferfall dazu auffordern, die Polizei zu benachrichtigen. Ähnlich wie bei den Merkmalen zur Rasterfahndung werden als Indizien neben der (vermuteten) Herkunft aus bestimmten Staaten, häufige Reisetätigkeit, Passverlust, Namensänderung, Verbesserung des Aufenthaltsstatus z. B. auch die anwaltliche Vertretung als auffällig bewertet. Als entlastende Kriterien werden genannt: Analphabetismus, fehlende Fremdsprachenkenntnisse und körperliche Behinderungen. Als Legitimation für diese besondere ”Verdachtsschöpfung” wurde auf das Terrorismusbekämpfungsgesetz verwiesen. Auf unsere Nachfrage, ob diese Merkblätter in Schleswig-Holstein zu Meldungen durch Ausländerbehörden geführt haben, konnte uns das Innenministerium keine Antwort geben, ”weil darüber keine zentralen Aufzeichnungen vorhanden sind”.

Wir haben dem Innenministerium mitgeteilt, dass für die in den Merkblättern empfohlenen Übermittlungen an die Polizei keine Rechtsgrundlage besteht. Auch wenn das Terrorismusbekämpfungsgesetz sehr weite Tatbestände enthält, so erlaubt es nicht alles. Für die Rechtfertigung der Übermittlung eines Terrorismusverdachtes genügt kein Merkblatt, das zudem als ”Verschlusssache” erklärt wird, sondern es bedarf einer förmlichen Rechtsvorschrift, in der die Kriterien für die für verdächtig erklärten Personengruppen präzise benannt werden. Besonders problematisch ist die Aufforderung in den Merkblättern, unabhängig von einem Anlass, z. B. der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, tätig zu werden.

Was ist zu tun?
Bei der Fahndung nach Terroristen ist Augenmaß zu wahren. Die Ausländerbehörden sollten die bundesweit genutzten Merkblätter im Schredder entsorgen.


Zurück zum vorherigen Kapitel Zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel