25. Tätigkeitsbericht (2003)

4.6

Wirtschafts- und Verkehrsverwaltung


Wirtschaftsnummer führt zur versteckten Einführung eines Personenkennzeichens

Durch das Wirtschaftsnummern-Erprobungsgesetz droht die Einführung eines behördenübergreifenden Personenkennzeichens im Bereich der Wirtschafts- und Sozialverwaltung.

Gesetze werden manchmal sehr schnell verabschiedet. Der Katzenjammer wegen nicht bedachter Konsequenzen folgt dann oft erst viel später. Dies könnte auch für ein Gesetz zur Vorbereitung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer gelten, das Anfang 2002 in Kraft trat. Darin ist vorgesehen, dass die Bundesanstalt für Arbeit, die Finanzämter, die Gewerbebehörden, die Statistikämter sowie eventuell die Industrie- und Handelskammern, sonstige berufliche Kammern, die Berufsgenossenschaften, die Sozialversicherungsträger und die Monopolkommission für alle im Wirtschaftsleben selbstständig Tätigen eine einheitliche Nummer vergeben, mit der der Behördenverkehr mit den Betroffenen sowie untereinander erleichtert werden soll. Erfasst werden dadurch nicht nur große Kapitalgesellschaften, sondern auch die Angehörigen freier Berufe, Klein- und Kleinstbetriebe und sogar private Haushalte, die eine Haushaltshilfe beschäftigen. Angesichts der weit verbreiteten Tendenz zu ”Ich-AGs” laufen die Pläne darauf hinaus, den formal nicht abhängig Beschäftigten eine Kennziffer zu verpassen.

Daran wäre nichts zu kritisieren, wenn die Kennziffer ausschließlich im Kontakt zwischen Bürger und Verwaltung genutzt würde, da dadurch manch bürokratischer Aufwand reduziert werden könnte. Heikel sind die Pläne aber, weil sie auch den Datenabgleich und -austausch zwischen Behörden bezwecken und damit eindeutig die Funktion eines Personenkennzeichens erfüllt wird. Solche Personenkennzeichen (PKZ) wurden von den ersten Anfängen der modernen Datenverarbeitung in den 70er-Jahren an als verfassungswidrig angesehen, weil mit ihnen umfassende Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Aus diesem Grunde wurde eine in der früheren DDR genutzte PKZ nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten sofort abgeschafft. Verblüffend war nun, dass solch eine PKZ ohne Getöse und im Schnelldurchgang durch die Gesetzgebung eingeführt werden konnte. In einem Aufwasch soll auch ein einheitlicher behördlicher Stammdatensatz eingeführt werden. Nutzungsbeschränkungen sieht das Gesetz nicht vor, obwohl die zugelassenen Übermittlungen und Datenabgleiche Finanz- und Sozialbehörden einbeziehen, die besonderen Amtsgeheimnissen unterworfen sind. Die Gesetzesbegründung enthält keine Aussagen zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit - allein schon dies ist ein Indiz für dessen wenig durchdachte Ausarbeitung.

Das Problem wird allerdings dadurch gemildert, dass durch das Gesetz nicht gleich eine bundesweite Einführung, sondern nur eine Erprobung in einer Region ermöglicht wird. So besteht die Möglichkeit, die Funktionsweise einer sehr weit verbreiteten PKZ und die damit verbundenen Risiken zuvor zu untersuchen und öffentlich zu debattieren. Zur Prüfung der Grundrechtsverträglichkeit ist allerdings keine Evaluation des Erprobungsgesetzes vorgesehen.

Was ist zu tun?
Die grundrechtlichen Konsequenzen des Vorhabens müssen bei der Erprobung untersucht und vor einer bundesweiten Einführung der Wirtschaftsnummer berücksichtigt werden.


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