25. Tätigkeitsbericht (2003)
4.10 |
Steuerverwaltung |
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4.10.1 |
Neues zur Steuerdatenabrufverordnung
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Bereits vor Jahren hat der Gesetzgeber den Bundesfinanzminister
aufgefordert, für automatisierte Abrufe von Steuerdaten Sicherheitsvorschriften
in einer Rechtsverordnung festzulegen. Im Jahr 2003 wird die Verordnung
endlich in Kraft treten. In der amtlichen Begründung wird dieser
Verzug mit keinem Wort begründet. Stattdessen wird das gesamte
Datenschutzrecht für den Bereich der Steuerverwaltung für
nicht anwendbar erklärt. Im Jahr 1986 ist der Schutzbereich des Steuergeheimnisses durch
eine Änderung der Abgabenordnung erweitert worden. Bis dahin
verbot das Steuergeheimnis lediglich, ihm unterliegende Daten Dritten
gegenüber unbefugt zu offenbaren oder sie unbefugt zu verwerten.
Die damalige Neuregelung im Steuerbereinigungsgesetz postulierte
zusätzlich einen Schutz gegen den unbefugten Abruf von Daten
im Rahmen automatisierter Verfahren (§
30 Abs. 2 Nr. 3 AO). Zugleich ermächtigte der Gesetzgeber
das Bundesfinanzministerium, durch eine Rechtsverordnung zu bestimmen,
welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen einen
unbefugten Datenabruf zu treffen sind. Insbesondere sollten Regelungen
getroffen werden über die Art der zum Abruf bereitgehaltenen
Daten sowie über die abrufberechtigten Amtsträger. Die ersten Entwürfe der so genannten Steuerdatenabrufverordnung
stammten aus den 80er-Jahren und waren wegen ihrer Restriktionen
aus sicherheitstechnischer Sicht durchaus vorbildlich. In dem Maße,
in dem in der Verwaltung die Möglichkeiten der automatisierten
Abrufverfahren erkannt wurden, regte sich der Widerstand gegen die
Art der Regulierung. Immer neue Versionen der Verordnungsentwürfe
wurden erarbeitet, stets mit dem Ergebnis, dass sich das Sicherheitsniveau
nach unten und die Handlungsfreiheit der Verwaltung nach oben orientierten.
Als zehn Jahre nach In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung
endlich alles in trockenen Tüchern schien, regte
sich Protest aus den Reihen der Kommunen. Sie hatten zwischenzeitlich
festgestellt, dass die Verordnung auch von ihnen zu beachten war,
und sahen dies als unmöglich an. Daraufhin wurde aus der Verordnung
eine Verwaltungsanweisung ausschließlich für den Bereich
der Finanzämter und des Bundesamtes für Finanzen; die
Kommunen bewegten sich weiter in einem regelungsfreien Raum. Dies wäre eigentlich unproblematisch gewesen, da in den Datenschutzgesetzen
der meisten Bundesländer die Einrichtung automatisierter Abrufverfahren
generell nur aufgrund spezieller Rechtsverordnungen zulässig
ist. Auch diese Klippe wurde jedoch geschickt umschifft.
Kurz und bündig stellte man seitens des Bundesfinanzministeriums
fest, dass die gesamte Abgabenordnung eine eigene Datenschutzvorschrift
mit abschließendem Charakter sei. Auch soweit sie
für ihren Anwendungsbereich keine konkreten Regelungen treffe,
sei für andere Datenschutzvorschriften kein Raum. Der Hinweis
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, dass
diese sonst von niemandem geteilte Auffassung der AO-Referenten
der Finanzministerien den Intensionen des Gesetzgebers ganz offenbar
zuwiderlaufe und das gesamte Datenschutzrecht infrage stelle, bleibt
bis heute unbeachtet. Zurzeit liegt ein neuer Entwurf zur Steuerdatenabrufverordnung
vor, der nach vielen kosmetischen Korrekturen auch den
Segen der Kommunen gefunden hat. Anfang 2003 gibt es also endlich
die seit Jahren überfälligen bundeseinheitlichen bereichsspezifischen
Regelungen. Sie entsprechen zwar nicht in allen Punkten den Vorstellungen
der Datenschutzbeauftragten, man kann aber mit ihnen leben - wäre
da nicht der Text der amtlichen Begründung, in dem völlig
überflüssig und offenbar nur um die Position der Steuerverwaltung
zu zementieren, der alte Rechtsstandpunkt bezüglich der Nichtanwendbarkeit
des Datenschutzrechts in der Steuerverwaltung noch einmal ausdrücklich
wiederholt wird.
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4.10.2 |
Konsequenzen aus der Steuerdatenübermittlungsverordnung
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Steuerpflichtige werden ihre Steuererklärungen künftig
mit der fortgeschrittenen elektronischen Signatur unterschreiben
können, obwohl dies kein vollwertiger Unterschriftsersatz im
Sinne des Signaturgesetzes ist. Die Steuerverwaltung meint durch
flankierende Maßnahmen eine ausreichende Sicherheit gewährleisten
zu können. Die EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die Abgabenordnung
(§ 150 AO), das Einkommenssteuergesetz (§ 45 a EStG) und
auch das Umsatzsteuergesetz (§ 18 a UStG) erlaubt es dem Bundesfinanzminister,
durch eine Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Inhalte der Steuererklärungen
von den Steuerpflichtigen auch auf elektronischem Wege an
die Finanzämter übermittelt werden können. Was der
Gesetzgeber als regelungsbedürftig ansieht, ist in der Abgabenordnung
katalogmäßig dargestellt. Es sind dies
Der unübliche Konkretisierungsgrad in einer Verordnungsermächtigung
hat dem Bundesfinanzministerium enge Zügel angelegt. Der Ende
2002 vorgestellte Entwurf der Steuerdatenübermittlungsverordnung
(StDÜV) reflektiert den vorgenannten Katalog und entspricht
im Wesentlichen auch den datenschutzrechtlichen Anforderungen. Der zukunftsweisende Aspekt dieser Verordnung besteht
darin, dass für elektronische Steuererklärungen statt
einer an sich erforderlichen qualifizierten elektronischen
Signatur (umfassender Unterschriftsersatz im Sinne des Signaturgesetzes)
nur die fortgeschrittene elektronische
Signatur vorgeschrieben wird. Diese Entscheidung soll demnächst
durch eine Neuregelung an anderer Stelle in der Abgabenordnung legitimiert
werden. Sie wird u. a. damit begründet, dass die bei einer
qualifizierten elektronischen Signatur erforderliche kostenpflichtige
Einschaltung einer Zertifizierungsstelle sowie die unzureichende
Verbreitung und Nutzung der dafür erforderlichen Signaturerstellungseinheit
zumindest in der nahen Zukunft einen zügigen Ausbau der elektronischen
Kommunikation zwischen den Steuerpflichtigen und der Steuerverwaltung
behindern würde. Neben den Signaturen der qualifizierten Trustcenter
sollen auch die z. B. durch Banken und Arbeitgeber herausgegebenen
Signaturen genutzt werden können. Welche Anforderungen des
Signaturgesetzes in diesen Fällen nicht erfüllt werden
müssen, wird in der geplanten Verordnung akribisch festgelegt.
Das Bundesfinanzministerium meint, dass die Verwendung derartiger
fortgeschrittener Signaturen trotzdem für eine Übergangszeit
technisch weitgehend die gleichen Sicherheiten bieten wie die qualifizierten
Signaturen. Ob diese Verfahrensweise die Verfügbarkeit, die Integrität
und insbesondere die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation
zwischen den Steuerpflichtigen und den Finanzämtern hinreichend
gewährleistet, wird sich zeigen. Besonders gravierend ist,
dass durch diese Verordnung die fortgeschrittene
elektronische Signatur in einem der größten Verwaltungsbereiche
zum Industriestandard gemacht wird. Wer als Zertifikatsanbieter
die Bedingungen der Steuerdatenübermittlungsverordnung erfüllt,
bekommt praktisch einen Ritterschlag, der ihn qualifiziert,
auch in anderen, im Hinblick auf die Sensibilität der Daten
möglicherweise weniger bedeutsamen Verwaltungsbereichen eingesetzt
zu werden. Es dürfte an der Zeit sein, in einer umfassenden
Sicherheitsanalyse zu ermitteln, welche Konsequenzen sich für
Wirtschaft und Verwaltung ergeben, wenn die fortgeschrittene
elektronische Signatur auf der Basis einer Vielzahl privater
Zertifikate zum Standard und die qualifizierte Signatur zum Exoten
wird bzw. in der Versenkung der Kostenvermeidung verschwindet.
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4.10.3 |
ELSTER soll sicherer werden
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Mängel in einer Software, die bundesweit in der Steuerverwaltung
eingesetzt wird, können rechtlich und sicherheitstechnisch
gravierende Folgen haben. Vor ihrem Echteinsatz sind daher ganz
besonders sorgfältige Tests durchzuführen. Wenn nicht
jedes Bundesland eigene Prüfungen vornehmen soll, bedarf es
hierfür einer bundeseinheitlichen Infrastruktur und entsprechender
Audit- und Zertifizierungsprozeduren. Als im März 2001 die Stiftung Warentest eine Sicherheitslücke
in dem Verfahren ELSTER, mit dem man seine Steuererklärungen
auf elektronischem Wege über das Internet bei seinem Finanzamt
abgeben kann, entdeckte (vgl. 24. TB, Tz. 4.10.2),
standen die Länderfinanzbehörden ziemlich ratlos da. Sie
empfingen die für sie bestimmten Datensätze zwar über
eine Clearingstelle in München, die systemtechnischen
Details des Verfahrens waren ihnen jedoch nicht bekannt. Es ist
von der bayerischen Steuerverwaltung entwickelt und den anderen
Ländern zur Verfügung gestellt worden. Diese haben sich,
ohne selbst zu prüfen, auf die Korrektheit der Software und
die Sicherheit bei deren Verteilung verlassen, nach der Devise:
Was für Bayern gut ist, kann für uns nicht schlecht
sein. Der Fehler wurde schleunigst behoben. Neue Schwachstellen
wurden bislang nicht entdeckt, obwohl zwischenzeitlich weit mehr
als eine Million Steuererklärungen und 12 Millionen Steueranmeldungen
elektronisch abgegeben wurden. So könnte es eigentlich nur
positiv bewertet werden, dass das bestehende Grundmodul um neue
Komponenten und Funktionen erweitert werden soll. Zunächst soll eine elektronische Lohnsteuerkarte eingeführt
werden. Die Arbeitgeber vermerken dabei nicht mehr die Daten über
das Bruttoeinkommen, die einbehaltenen Steuern und die Zeitdauer
des Arbeitsverhältnisses auf der Rückseite der Karteikarte,
sondern übermitteln diese Daten direkt an das zuständige
Finanzamt, das sie bei der Abgabe der Steuererklärung durch
den Arbeitnehmer automatisch berücksichtigt. Dazu bedarf es
natürlich eines unverwechselbaren Ordnungsbegriffes für
jeden Arbeitnehmer, der aus bestimmten Teilen des Namens, des Geburtsdatums
und des Wohn- und Geburtsortes gebildet wird. Außerdem braucht
man eine technische Infrastruktur, an die die Planer u. a. folgende
Anforderungen stellen:
Darüber hinaus wird in der Steuerverwaltung an der Umsetzung
der elektronischen Signatur unter Verwendung von beliebigen Signaturkomponenten
gearbeitet. Hierzu wird ein Verfahren entwickelt, welches dynamisch
die beim Anwender installierten Signaturkomponenten erkennt
und verwendet. Seit Juli 2002 ermöglichen es mehrere große
Banken und Sparkassen, deren Signaturkarte auch bei ELSTER einzusetzen.
Einer raschen Verbreitung der elektronischen Signatur für die
elektronische Steuererklärung steht dann nichts mehr im Wege
(vgl. auch Tz. 4.10.2). Ein weiterer zentraler Punkt ist die Schaffung von Online-Diensten
über das Internet. Vorgesehen sind die Möglichkeiten der
Online-Steuerkontoabfrage und die Abfrage des Bearbeitungszustandes
der Steuererklärung. Schließlich zeichnet sich die Schaffung
eines zentralen und unveränderbaren Identitätskennzeichen
für alle steuerlich relevanten Personen ab. Ähnlich wie
im Bereich der Wirtschaftsverwaltung (vgl. Tz. 4.6)
gäbe es dann auch in den Besteuerungsverfahren ein Personenkennzeichen,
das die Verknüpfung aller elektronischen Datenbestände,
die zu einer Person angelegt worden sind, ermöglicht. Zurzeit ist allerdings noch ungeklärt, wer all diese bundesweit
eingesetzten Projekte entwickelt, sie testet und zum Einsatz freigibt.
Obwohl mit der FISCUS-GmbH ein zentrales Softwarehaus der Steuerverwaltungen
des Bundes und der Länder gegründet worden ist, laufen,
wie bei dem Verfahren ELSTER, parallel auch weiterhin Länderentwicklungen.
Auch ist noch unklar, ob die FISCUS-GmbH ihre Produkte eigenständig
entwickelt und auf dem Markt anbietet oder ob sie nur Auftragsentwicklungen
tätigt. In diesem Fall stellt sich die Frage, wer Auftraggeber
und Abnehmer der Software ist. Eine entsprechende Infrastruktur
auf Bundes- und Länderebene ist jedenfalls noch nicht geschaffen.
Sie ist allerdings Voraussetzung für die Gewährleistung
eines hinreichenden Standards für Datenschutz und Datensicherheit
auf Produktebene sowie für die gebotene Transparenz der entsprechenden
Funktionen für die Behörden, die die Produkte in der täglichen
Praxis handhaben.
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4.10.4 |
Irritationen über die öffentliche Nutzung der Steuernummern
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Kleine Ursache, große Wirkung - diese Aussage passt im
besonderen Maße zu einer neuen Regelung im Umsatzsteuergesetz,
nach der Unternehmer ihre Steuernummer auf den Rechnungen zu vermerken
haben. Die Finanzämter müssen bei Auskunftserteilungen
viel vorsichtiger sein als bisher. Die Steuerpflichtigen sind trotzdem
besorgt, dass das Steuergeheimnis nicht mehr so sicher ist wie bisher.
Außerdem bestehen Zweifel, ob das Ziel der Maßnahme
überhaupt erreicht wird. Steuernummern waren einerseits nie geheim, sie wurden aber andererseits auch nicht veröffentlicht. Teilweise konnte man aus ihnen nämlich Rückschlüsse auf steuerliche Verhältnisse ziehen. Fälle mit bestimmten Besteuerungstatbeständen waren in abgegrenzten Nummernkreisen zusammengefasst, sodass jemand, der einer solchen Gruppe angehörte, aus dem Wissen um seine eigene Steuernummer Rückschlüsse ziehen konnte, wenn ihm die Steuernummer einer anderen Person mit gleichen Merkmalen bekannt wurde. Deshalb ist die Steuernummer auch nicht im Anschriftenfeld eines Briefes des Finanzamtes sichtbar, obwohl Rückläufe leichter der absendenden Stelle innerhalb des Finanzamtes zuzuordnen wären. Bis zu einem gewissen Grad wurde die Steuernummer als Identitätsnachweis bei telefonischen Anfragen bei einem Finanzamt genutzt. Dies muss seit Mitte 2002 der Vergangenheit angehören. Das Umsatzsteuergesetz verpflichtet den Rechnungssteller, seine Steuernummer auf der Rechnung anzugeben. Damit ist sie ebenso öffentlich wie die Telefonnummer und die Kontoverbindung. Ziel dieser Maßnahme ist es, Steuerhinterziehungen
durch Manipulationen beim Vorsteuerabzug zu erschweren. Im Ergebnis
sollen Scheinrechnungen dadurch aufgedeckt werden, dass bei Überprüfungen
im Bereich des Rechnungsempfängers anhand der Steuernummer
die Existenz und die korrekte Besteuerung des Rechnungsstellers
überprüft wird. Es bestehen bei Fachleuten zwar erhebliche
Zweifel, ob dies ein praktikables Verfahren ist. Die gesetzliche
Regelung ist gleichwohl bindend. Bei den Steuerpflichtigen haben die Zweifel an der Sinnhaftigkeit
der Regelung und die Furcht vor dem Missbrauch der nunmehr öffentlichen
Steuernummer zu Irritationen geführt, die sich in einer Vielzahl
von schriftlichen und mündlichen Anfragen niederschlugen. Auf
die Frage, ob durch die Maßnahme tatsächlich Fälle
der Steuerhinterziehung aufgedeckt werden, konnten wir keine Antwort
geben. Zu der Frage des möglichen Missbrauchs haben
wir uns allerdings von der Oberfinanzdirektion bestätigen lassen,
dass die Finanzämter angewiesen sind, künftig keinerlei
Auskünfte zu erteilen, wenn als Authentifikationsmerkmal des
Auskunftsersuchenden nur die Steuernummer genannt wird. Hieran scheinen
sich die Mitarbeiter zu halten, obwohl es die Kommunikation mit
Steuerberatern und Steuerpflichtigen im Einzelfall durchaus behindert. Nicht ganz so eindeutig ist die Problematik mit den sprechenden
Steuernummern. Die Oberfinanzdirektion ist zwar der Auffassung,
dass aufgrund der in Schleswig-Holstein für den Bereich Umsatzsteuer
genutzten Systematik aus ihnen keine Informationen abgeleitet werden
können, die dem Steuergeheimnis unterliegen. Man hat aber wohl
eine gewisse Großzügigkeit bei den entsprechenden Überprüfungen
walten lassen, denn der Verwaltungsaufwand für die Änderung
tausender von Steuernummern, nur um für einige wenige Wissende
nicht erkennbar werden zu lassen, dass z. B. jemand beschränkt
steuerpflichtig ist, erscheint ihr zu hoch. Generell kann die Steuernummer
nur noch sehr begrenzt als Organisationsmittel eingesetzt werden.
Hierauf haben wir die Oberfinanzdirektion und die Steuerpflichtigen
hingewiesen; konkrete Missbrauchsfälle sind uns allerdings
bisher nicht bekannt geworden.
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4.10.5 |
Forderungen der Datenschutzbeauftragten zur Änderung der
Abgabenordnung
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Die Abgabenordnung ist trotz der Regelungen über das Steuergeheimnis
ein Verwaltungsverfahrensgesetz mit einem niedrigen Datenschutzniveau.
Bisher hat sich die Steuerverwaltung erfolgreich gegen Änderungswünsche
gewehrt. Selbst das allgemeine Datenschutzrecht hält sie im
Steuerbereich nicht für anwendbar, obwohl dies dem Wortlaut
des Bundesdatenschutzgesetzes und der Länderdatenschutzgesetze
widerspricht. Die Grundzüge des steuerlichen Verfahrensrechts sind in der
Reichsabgabenordnung von 1919 festgelegt worden. Sie war mit vielen
Änderungen und Ergänzungen fast 60 Jahre in Kraft und
wurde im Jahr 1977 durch die derzeit geltende Abgabenordnung modernisiert.
Auch diese hat vielfältige Änderungen erfahren, ohne dass
die obrigkeitsstaatlich geprägte Grundstruktur des steuerlichen
Verfahrensrechts korrigiert worden ist. Dies hatte zur Folge, dass
zwar das Steuergeheimnis (§ 30 AO) eine der zentralen bereichsspezifischen
Datenschutzvorschriften darstellt, dass die Abgabenordnung aber
das inhaltliche Spektrum des Datenschutzrechts nicht widerspiegelt.
Selbst eine Ergänzung und Anpassung der Normen an das im Volkszählungsurteil
manifestierte informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen
und Bürger ist nicht erfolgt. Hieraus folgt, dass für viele Datenverarbeitungsprozesse
in den Finanzämtern das allgemeine Datenschutzrecht anzuwenden
ist. In vielen anderen Verwaltungsbereichen führt das zu keinen
besonderen Schwierigkeiten. Das Datenschutzrecht wird dort als ein
Bestandteil des Verwaltungsverfahrensrechts betrachtet. Die Steuerverwaltung
vermochte sich diesen vom Gesetzgeber gewollten Gegebenheiten bislang
nicht anzupassen. Einerseits bestreitet man generell die Gültigkeit
der Datenschutzgesetze für den Anwendungsbereich der Abgabenordnung,
weil alle Datenschutzfragen dort abschließend geregelt seien
(vgl. Tz. 4.10.1). Andererseits
sperrt man sich dagegen, die Abgabenordnung um Regelungen zu erweitern,
die dem gängigen Datenschutzstandard entsprechen. Alle
Initiativen der Datenschutzbeauftragten sind bisher im Sande verlaufen. Dies haben sie zum Anlass genommen, den Bundesfinanzminister nunmehr
konkrete Formulierungsvorschläge für einzelne Regelungen
zu unterbreiten und diese im Detail zu begründen. In dem umfangreichen
Katalog sind folgende Komplexe von besonderer Bedeutung:
Das Bundesfinanzministerium hat immerhin signalisiert, dass diese
Vorleistung der Datenschutzbeauftragten anerkannt wird. Es ist zu
erwarten, dass es nunmehr zu konstruktiveren Erörterungen kommen
wird als in der Vergangenheit. Die Zeit der Totalverweigerung
ist hoffentlich vorüber.
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4.10.6 |
Fehler bei der automatischen Identitätsprüfung
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Um Doppelspeicherungen zu vermeiden, wird in den automatisierten
Besteuerungsverfahren versucht, identische Personen, die in mehreren
Steuerfällen von Bedeutung sind, zu erkennen und die Namens-
und Adressdaten nur einmal zu speichern. Wenn dabei etwas schief
geht, ist es möglich, dass Steuerbescheide einer falschen Person
zugestellt werden. Das ist bei einigen Finanzämtern passiert,
weil die entsprechenden Programme nicht miteinander synchronisiert
waren. Wenn jemand innerhalb weniger Tage insgesamt acht Steuerbescheide
von drei unterschiedlichen Steuerbehörden bekommt und keiner
ihn selbst, sondern andere Steuerpflichtige betrifft, dann stimmt
etwas nicht. Das musste auch die Oberfinanzdirektion dem Rundfunksender
gegenüber eingestehen, der Anfang 2002 diesen Sachverhalt der
Öffentlichkeit darstellte. Auch wir wurden über diese
eklatante Verletzung des Steuergeheimnisses informiert. Die Ursache der Panne zu finden war schwieriger als erwartet,
weil sie nicht im Bereich des menschlichen Versagens
lag. Vielmehr handelte es sich um einen Mangel im Zusammenspiel
verschiedener Softwarekomponenten, die in den automatisierten Besteuerungsverfahren
eingesetzt werden. Dazu muss man Folgendes wissen: Viele Menschen
stehen in unterschiedlichen Rollen in Beziehungen zu einer Mehrzahl
von Steuerfällen. Das gilt z. B. für Personen, die mehrere
Autos oder Grundstücke besitzen, die als Steuerberater tätig
sind oder - wie im vorliegenden Fall - von den eigentlichen Steuerpflichtigen
als Zustellungsbevollmächtigte für Steuerbescheide benannt
worden sind. Damit man deren Namen und Anschrift nicht etliche Male
speichert, wird bei jeder Neuaufnahme einer Person programmgesteuert
geprüft, ob sie schon registriert ist. Ist dies der Fall, wird
bei den Daten des betreffenden Steuerobjektes nur eine Nummer
als Verweis auf den ausgelagerten Adressdatensatz abgelegt. Das
hat den Vorteil, dass Adressänderungen, einmal eingegeben,
für alle Steuerfälle automatisch wirksam werden. Steht
eine Person zu keinem Steuerobjekt mehr in Beziehung, wird sie im
Bestand gelöscht, die Verknüpfungsnummer wird also frei.
Anstatt die vielen frei gewordenen Nummern auf Dauer frei zu lassen,
hat man aus Gründen eines besseren Datenbankmanagements damit
begonnen, sie neu zu belegen und dabei übersehen, dass in einigen
Datenbeständen noch Hinweise gespeichert waren, die nunmehr
auf eine falsche Person zielten. Im vorliegenden Fall
wurde ein normaler Steuerpflichtiger fälschlicherweise
zum Zustellungsvertreter mehrerer anderer Personen und bekam somit
deren Steuerbescheide zugestellt. Der Oberfinanzdirektion war dieser Effekt offensichtlich sehr
peinlich, zeigte er doch auf, dass hier ein konzeptioneller Fehler
vorlag, der zudem durch alle Tests gerutscht war. Die
Wiederbelegung interner Verknüpfungsmerkmale wurde unverzüglich
beendet. Für eine Reihe von Konstellationen der Verwendung
bereits gespeicherter Daten in anderen Fällen wurden manuelle
Prüfroutinen angeordnet.
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4.10.7 |
Wer trägt die Verantwortung für die Arbeit der Steuerfahnder?
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Die Steuerfahnder der Finanzämter sind Diener zweier Herren.
Einerseits sind sie Steuerbeamte und unterliegen damit den Weisungen
der Finanzamtsvorsteher, andererseits sind sie Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaften.
Wenn bei ihrer Arbeit das Steuergeheimnis nicht ausreichend beachtet
wird, ist es deshalb schwierig, die dafür Verantwortlichen
zu ermitteln. Wer einer normalen Straftat verdächtigt wird,
gegen den ermitteln die Polizei und die Staatsanwaltschaften. Wer
dagegen in den Verdacht gerät, Steuern hinterzogen zu haben,
bekommt es mit einer Spezialpolizei, der Steuerfahndung,
zu tun. In Schleswig-Holstein sind derartige Dienststellen, in denen
keine Polizisten, sondern speziell ausgebildete Steuerbeamte tätig
sind, bei vier Finanzämtern eingerichtet. Ihre Aufgaben und
Befugnisse werden durch § 208 AO
festgelegt. Danach haben sie eine Doppelfunktion: Sie haben einerseits
dafür zu sorgen, dass die Besteuerungsgrundlagen richtig ermittelt
und unbekannte Steuerfälle aufgedeckt werden. Insoweit werden
ihr Handeln und ihre Befugnisse durch das steuerliche Verfahrensrecht
(Abgabenordnung) geregelt. Andererseits haben sie auf der Grundlage
der Strafprozessordnung Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten
zu erforschen, und zwar sowohl in eigener Zuständigkeit als
auch auf Weisung der Staatsanwaltschaft. Den Steuerfahndungsstellen
sind nämlich auch Strafsachenstellen angegliedert, die Strafbefehle
aussprechen können, ohne dass Staatsanwaltschaften und Gerichte
eingeschaltet werden müssen. Hat eine Staatsanwaltschaft ein
Steuerstrafverfahren eingeleitet oder von der Steuerfahndung übernommen,
sind die Mitarbeiter des Finanzamtes insoweit Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. Bei den Ermittlungen der Steuerfahndungsstellen müssen im
Rahmen der Datenerhebungen bei Dritten (Befragungen, schriftliche
Auskunftsersuchen, Beiziehung von Unterlagen usw.) in einem gewissen
Umfang steuerliche Verhältnisse offenbart werden, die grundsätzlich
dem Steuergeheimnis unterliegen. Der Umfang der bekannt gegebenen
Einzelheiten hat sich strikt an dem Erforderlichkeitsgrundsatz zu
orientieren. Unabhängig von den notwendigen Ermittlungen zur
Abklärung eines Anfangsverdachtes ist eine Steuerhinterziehung
erst dann eine solche und nicht nur ein geschicktes Ausnutzen von
Schlupflöchern im hochkomplizierten Steuerrecht, wenn der Strafbefehl
oder das Urteil rechtskräftig ist. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung
bzw. der Grundsatz in dubio pro reo. Die Problematik der Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche
zeigte sich in einem Fall, in dem der Beschuldigte in zweiter Instanz
von dem Vorwurf der Steuerhinterziehung rechtskräftig freigesprochen
worden war. Als er im Rahmen des Strafverfahrens Einblick in die
Ermittlungsakte erhielt, stellte er fest, dass die Steuerfahnder
des Finanzamtes Datenerhebungen bei einer größeren Anzahl
von Behörden und Unternehmen vorgenommen hatten und dabei in
jedem Falle mitgeteilt hatten, dass gegen den Betroffenen wegen
Steuerhinterziehung ermittelt werde. Dies hätte der Steuerpflichtige
noch akzeptiert, nicht einverstanden war er aber damit, dass z.
B. der Genehmigungsbehörde für Fluglizenzen Folgendes
mitgeteilt wurde (Zitat): Im Zuge der Ermittlungen wurde festgestellt,
dass Herr ... Inhaber einer Lizenz ist, die ihn zum Führen
eines Sportflugzeuges berechtigt. Herr ... macht gegenüber
der Finanzbehörde geltend, aufgrund einer asthmatischen Erkrankung
erwerbsunfähig zu sein. Ich möchte Sie bitten, mir mitzuteilen,
... ob die von Herrn ... angegebene, zum Erwerb einer Erwerbsunfähigkeitsrente
führende Erkrankung (Asthma) den Entzug der Fluglizenz zur
Folge hätte. Der Steuerpflichtige betrachtete diese Formulierung
als Denunziation, da der Hinweis auf die Möglichkeit
des Lizenzentzugs für das anhängige Steuerstrafverfahren
völlig unerheblich sei. Auch in anderen Zusammenhängen
habe die Steuerfahndung zu viele steuerliche Informationen über
ihn preisgegeben. Im Verlauf der Sachverhaltsaufklärung erwies sich dieser
Fall als ein Vorgang von grundsätzlicher Bedeutung,
bei dem bis heute ein Dissens zwischen der Oberfinanzdirektion und
uns besteht. Bereits die Sachverhaltsaufklärung war schwierig,
weil sich das Finanzamt zunächst darauf berief, nur im Auftrag
der Staatsanwaltschaft gehandelt zu haben und somit datenschutzrechtlich
nicht verantwortlich zu sein. Erst als die Staatsanwaltschaft uns
mitteilte, dass sich aus der Ermittlungsakte keine Anhaltspunkte
ergaben, ob die Nachforschungen auf eigene Initiative der Steuerfahndungsstelle
oder auf Anforderung der Staatsanwaltschaften erfolgt waren, bezog
das Finanzamt Position und schaltete die Oberfinanzdirektion ein.
Letztlich blieb es aber bei der Feststellung (Zitat): Die
handelnden Beamten der Steuerfahndung sind in ihrer Eigenschaft
als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft (§ 404 AO) tätig
geworden. Die Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung sind
deshalb nicht dem Finanzamt, sondern der Staatsanwaltschaft zuzurechnen.
Dennoch nahmen das Finanzamt und später die Oberfinanzdirektion
zur Sache Stellung und hielten alle Offenbarungen der steuerlichen
Verhältnisse für rechtmäßig. Wir haben die Verfahrensweise dem Finanzamt gegenüber gleichwohl
beanstandet, weil wir der Auffassung sind, dass
Da die Oberfinanzdirektion den Beanstandungen widersprochen
hat, ist die verfahrensrechtliche Grauzone nach wie vor nicht beseitigt.
Es kann nicht befriedigen, dass für den Inhalt eines Schreibens,
das den Briefkopf Gemeinsame Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt
... und die Anschrift des betreffenden Finanzamtes enthält,
ein Staatsanwalt und nicht der Finanzamtsvorsteher die Verantwortung
tragen soll. Desgleichen ist nicht nachzuvollziehen, dass die Steuerfahndung
das Steuergeheimnis in diesem Zusammenhang sehr weit ausgelegt hat,
während sie Erkenntnisse über sonstige Straftaten nur
dann an die Staatsanwaltschaft weitergeben darf, wenn ein zwingendes
öffentliches Interesse besteht (§
30 Abs. 4 Nr. 5 AO).
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