25. Tätigkeitsbericht (2003)
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Recht und Technik der neuen Medien |
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8.1 |
Selbstregulierung durch den deutschen Presserat
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Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Daher gelten für
Presseorgane nicht die allgemeinen Datenschutzvorschriften. Im Wege
der Selbstregulierung soll jetzt dafür gesorgt werden, dass
die Rechte der Betroffenen gleichwohl nicht auf der Strecke bleiben. Mit dem 2001 in Kraft getretenen neu gefassten Bundesdatenschutzgesetz
(BDSG) hat der Bundesgesetzgeber eine Rahmenregelung geschaffen,
die den Ländern vorgibt, wie sie das Presserecht im Bereich
des Datenschutzes zu gestalten haben. Das BDSG enthält für
die Presse und ihre Hilfsunternehmen
lediglich wenige Vorschriften. Dies sind insbesondere die Verpflichtung
zur Wahrung des Datengeheimnisses sowie die Vorgaben zu den technischen
und organisatorischen Maßnahmen. Außerdem wird auf ein
Instrument verwiesen, das durch die Europäische Datenschutzrichtlinie
aus dem Jahr 1995 neu eingeführt wurde: Die Möglichkeit,
dass die beteiligten Verbände selbst für ihre Mitgliedsunternehmen
bestimmte Vorgaben für den Datenschutz aufstellen. Einige Länder
haben bereits ihre Pressegesetze entsprechend angepasst; in Schleswig-Holstein
steht dies noch aus. Auf dieser Grundlage hat der Deutsche Presserat nun seine
Tätigkeit auf die Selbstkontrolle bei der Einhaltung des Redaktionsdatenschutzes
ausgeweitet. Der Deutsche Presserat ist ein privat gegründetes
Gremium, das seit 1959 dafür sorgen soll, dass Missstände
im Pressewesen abgestellt werden. Damit soll eine staatliche Regulierung
in dem sensiblen und durch das Grundrecht der Pressefreiheit besonders
geschützten Bereich abgewendet werden. Zu den Trägern
des Presserates gehören Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger,
Journalistenverbände sowie die Gewerkschaft. Um einheitliche
Standards vor allem für die Art und Weise der Berichterstattung
zu definieren, werden Empfehlungen und Richtlinien für die
publizistische Arbeit herausgegeben (der so genannte Pressekodex).
Danach sollen z. B. keine Veröffentlichungen erfolgen, die
das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe
nach Form und Inhalt verletzen, und es soll auf eine unangemessen
sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität verzichtet
werden. Die Verlage periodischer Druckwerke sind aufgefordert, sich
zu den Vorgaben des Presserates zu bekennen und eventuell ausgesprochene
Sanktionen zu befolgen. Im Herbst des Jahres 2001 nahm der Deutsche Presserat den Redaktionsdatenschutz
in seine Statuten auf. Dazu wurde ein besonderer Beschwerdeausschuss
gegründet, der aus sechs Personen besteht. Nach der Beschwerdeordnung
des Presserates ist jeder berechtigt, sich bei diesem über
Veröffentlichungen oder Vorgänge zu beschweren. Dies kommt
insbesondere dann in Betracht, wenn jemand der Auffassung ist, dass
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu journalistisch-redaktionellen
Zwecken im Rahmen der Recherche oder Veröffentlichung das Recht
auf Datenschutz verletzt. Daneben kann der Presserat von sich aus
ein Verfahren einleiten. Der Beschwerdeausschuss kann, falls eine
Beschwerde begründet ist, einen Hinweis, eine Missbilligung
oder eine Rüge aussprechen. Kommt es zu einer Rüge, so
muss diese nach den Statuten des Presserates von dem betroffenen
Presseorgan veröffentlicht werden. Der Presserat hatte bereits im Jahr 2002 Gelegenheit, wegen eines
Verstoßes gegen Datenschutzprinzipien eine Rüge
auszusprechen. Ein Reporter der BILD-Zeitung hatte sich ein Foto
eines Unfallopfers erschlichen, das später unter voller Namensnennung
veröffentlicht wurde. Dabei hatte er vorgegeben, ein ehemaliger
Mitschüler des Opfers gewesen zu sein. Betroffene, die sich über die Missachtung der oben dargestellten
Grundsätze beschweren wollen, können sich an folgende
Adresse wenden: Deutscher Presserat Es ist abzuwarten, ob diese Mechanismen der Selbstregulierung
ausreichend sind, um auch im Bereich der Presse den Bürgerinnen
und Bürgern einen ausreichenden Datenschutz zu garantieren.
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8.2 |
Neues vom E-Government |
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E-Government bleibt ein aktuelles
Thema. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Vorhaben ohne Berücksichtigung
von Datenschutz auf Dauer keine Chance auf Akzeptanz haben. Auch im Jahr 2002 war das Thema E-Government
in Verwaltung, Politik und Wissenschaft sehr populär. Allerdings
sind die im Rahmen dieses Schlagworts verfolgten Initiativen zum
Teil recht unterschiedlich. Während einige ihre Bemühungen
vollständig auf das Internet ausrichten und den Idealzustand
darin sehen, dass sämtliche Verwaltungsleistungen ausschließlich
online abgewickelt werden, sind andere zunächst am Ausbau
und an der Vereinheitlichung der im Hintergrund bei der Verwaltung
laufenden Datenverarbeitung interessiert. Mit beiden Aspekten konnten
wir auch im Be-richtsjahr Erfahrungen sammeln. Virtuelles Rathaus Beim Datenschutzaudit der
Gemeinde Büchen (vgl. Tz. 10.1)
war u. a. die Komponente Virtuelles Rathaus zu auditieren.
Dabei zeigte sich, dass es nicht einfach ist, eine größere
Zahl von Verwaltungsdienstleistungen online abzuwickeln. Wenn Informationen
aus dem Bereich der Verwaltung nach außen fließen können,
muss sichergestellt sein, dass kein Unbefugter Informationen über
Betroffene erhält. Zu diesem Zweck muss eine Authentisierung
der anfragenden Person vorgenommen werden. Als Mittel dafür
werden regelmäßig elektronische Signaturen genannt. Bereits
im 24. TB (Tz. 8.1)
hatten wir darauf hingewiesen, dass die Benutzung qualifizierter
Signaturen im Sinne des Signaturgesetzes aufgrund der sich daran
anknüpfenden Rechtsfolgen (Gleichstellung zur Schriftform)
mit einer nicht unbedeutenden Gefährdung verbunden ist, die
von den meisten Nutzern nicht vollständig beherrscht werden
kann. Unterhalb der Schwelle der qualifizierten Signaturen gibt es so
genannte fortgeschrittene Signaturen. Diese können ein
geeignetes Instrument darstellen, um eine Authentisierung zu realisieren.
Allerdings haben sich in der Praxis Probleme gezeigt, wenn diese
auf Programmkomponenten aufsetzen, die ihrerseits nicht sicher sind.
So unterstützt z. B. der weit verbreitete Microsoft Internet
Explorer ab Version 5.5 das Einbinden von Softwarezertifikaten im
Browser. Die Möglichkeiten, die Sicherheitseinstellungen vorzugeben,
sind jedoch unzureichend. In einigen Fällen stellte sich heraus, dass ein Zertifikat,
das durch die Kommune, die ein E-Government-Portal
betreibt, selbst herausgegeben wird, nicht praxisgerecht ist. So
sollte z. B. in Büchen den Nutzern die Möglichkeit eröffnet
werden, über das Internet Personenstandsurkunden, wie
etwa die Geburtsurkunde, zu bestellen. Dieses Angebot darf nicht
dazu führen, dass es Dritten ermöglicht wird, solche Urkunden
ohne Berechtigung abzurufen. Wird mit einem Softwarezertifikat gearbeitet,
so muss der Antragsteller zunächst zum Rathaus der Kommune,
bei der die Urkunden vorliegen, um sich ein Zertifikat ausstellen
zu lassen, mit dem er dann von seinem Wohnort aus über das
Internet die Papiere online bestellen kann. Dieses Szenario ist
offensichtlich nicht besonders wirklichkeitsnah. Die Probleme mit der Authentisierung fallen weg, wenn nicht versucht
wird, um jeden Preis die Verwaltung vollständig über das
Internet abzuwickeln. Informationen über die Verwaltungsleistungen
wie Verfügbarkeit und Kosten, die über das Internet abgerufen
werden können, sind oft schon eine erhebliche Verbesserung
für die Bürger. Diese Angebote werfen in der Regel keine
besonderen datenschutzrechtlichen Probleme auf. Dies gilt auch für
Formulare, die zum Download oder Ausdruck angeboten werden. Verwaltung 2000 und Kreisnetz Nordfriesland Ein Ansatz, der den Bürgerbedürfnissen eher entgegenkommen
dürfte, wird unter dem Stichwort Verwaltung 2000
von unterschiedlichen kommunalen Körperschaften verfolgt, deren
Koordination beim Kreis Segeberg liegt. Deren Idee ist es, den Bürgerinnen
und Bürgern die wichtigsten Verwaltungsleistungen an einer
Stelle anzubieten. Zwar müssen diese dafür noch das Rathaus
bzw. das Bürgerbüro aufsuchen. Dort werden sie jedoch
umfassend bedient, sodass sie in einer bestimmten Lebenslage
keine weiteren Amtsgänge mehr erledigen müssen. Zu diesem
Zweck soll beispielsweise die Ummeldung von Kraftfahrzeugen nach
einem Umzug auch bei dem Bürgerbüro der Gemeinde möglich
sein. Damit wird der oft lästige Besuch in der nächsten
Kreisstadt entbehrlich. Außerdem soll es möglich sein,
die Ummeldung nicht nur bei der Zuzugsgemeinde, sondern auch bei
einer sonstigen dem Verbund angeschlossenen Gemeinde zu tätigen.
So könnte z. B. künftig eine Person, die im an eine größere
Stadt angrenzenden Kreisgebiet von einer Gemeinde im Kreis in eine
andere umzieht, die Ummeldung in der kreisfreien Stadt tätigen.
Anstatt ganze oder halbe Tage auf den Ämtern zu verbringen,
könnte dies oft in der Mittagspause vom Arbeitsplatz aus erledigt
werden. Verwaltung 2000 wird derzeit im Rahmen eines Auditverfahrens
datenschutzrechtlich überprüft. Ein ähnliches Konzept verfolgt der Kreis Nordfriesland, der
unter dem Projektnamen Von Inseln zu Netzen ebenfalls
zunächst für den internen Verwaltungsbereich (Back-Office)
ein einheitliches Datennetz zusammenstellt. Nordfriesland ist auch
im Hinblick auf die an die Bürger gerichtete Homepage vorbildlich.
Der Kreis wurde in der Vergangenheit ausgezeichnet für seinen
bürgerfreundlichen, informativen und umfassenden Internet-Auftritt. Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Im 24. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 8.1)
haben wir auf eine Initiative hingewiesen, durch die auch im Verwaltungsverfahrensrecht
eine weitgehende Gleichstellung der elektronischen Signaturen zur
Schriftform erreicht werden sollte. In diesem Zusammenhang hatten
wir gemeinsam mit anderen Datenschutzbeauftragten auf verschiedene
Risiken hingewiesen, die aus der Formulierung des Gesetzentwurfes
folgen. Dazu gehört, dass die Bürger nicht gegen ihren
Willen und ohne Kenntnis des Risikos in das Verfahren der qualifizierten
elektronischen Signatur gedrängt und möglichst nur nach
Einwilligung auf elektronischem Wege kontaktiert werden dürfen.
Leider hat der Bundesgesetzgeber diese Anregungen nicht umgesetzt.
Die Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, das allerdings
nur auf Bundesebene gilt, traten im Februar 2003 in Kraft. In Schleswig-Holstein
wird das Verwaltungsverfahren durch das Landesverwaltungsgesetz
geregelt. Es ist davon auszugehen, dass dies in Kürze in ähnlicher
Weise angepasst wird. Informationsbroschüre Datenschutzgerechtes E-Government Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben
sich im Berichtszeitraum der Fragestellungen der Schnittstellen
von Datenschutz und E-Government
in konzentrierter Form angenommen. Unter der Federführung des
Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten wurde in einer gemeinsamen
Arbeitsgruppe eine umfassende Handreichung erstellt. Diese wurde
im Dezember 2002 veröffentlicht und kann im Internet unter
abgerufen oder in Schriftform bei uns bestellt werden. Es werden
auf 120 Seiten die einschlägigen Fragen beantwortet und vor
allem viele Beispiele für mustergültige Lösungen
im Sinne einer Übersicht über best practice
vorgestellt. Wir haben dazu u. a. mit einem Beispiel aus der Stadt
Norderstedt beigetragen.
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8.3 |
Der ständige Ärger mit 0190- und 0180-Nummern
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Unverlangte Werbezusendungen per Fax, SMS oder E-Mail nehmen
immer mehr überhand. Sie kosten nicht nur Nerven, sondern teilweise
auch bares Geld. Der Gesetzgeber sollte in diesem Bereich endlich
wirksame Möglichkeiten zur Abwehr schaffen. Im Berichtszeitraum gab es sehr viele Eingaben, die sich auf unverlangt
zugesandte Werbung bezogen (vgl. auch Tz. 6.1).
Neben vielen unverlangten Werbe-E-Mails ärgerten sich
die Betroffenen vor allem über Werbefaxe und Werbe-SMS,
die Ressourcen wie Papier und Zeit übermäßig beanspruchen.
Gerade in den Medien Fax und SMS wird häufig nicht für
den Kauf eines Produktes, sondern für die Inanspruchnahme einer
bestimmten Telekommunikationsdienstleistung geworben. So wird man
aufgefordert, eine bestimmte Nummer anzurufen oder einen Faxabruf
über eine Nummer zu tätigen. Dabei handelt es sich häufig
um Nummern, die mit dem Nummernblock 0190 oder 0180 beginnen. 0190-Dialer Mittlerweile ist vielen Verbrauchern bekannt, dass insbesondere
die Anwahl der 0190-Nummern zu enormen Kosten führen kann.
Dies machen sich Betrüger zunutze, die sich auf besonders
perfide Weise Zugang zu den Rechnersystemen der Betroffenen
verschaffen. Sie versprechen den Zugang zu bestimmten Websites im
Internet zu besonders günstigen Bedingungen. Voraussetzung
sei allerdings, dass ein bestimmtes Programm installiert wird. Nimmt
der Nutzer die Installation vor, so wird die Einwahl ins Internet
künftig nicht mehr über den regulär voreingestellten
Internet-Provider vollzogen, sondern über eine teure 0190-Verbindung.
Dabei werden teilweise regelrechte Mondpreise verlangt.
So sollte für eine einzige Einwahl (die dann allerdings beliebig
lange dauern konnte) ein dreistelliger -Betrag fällig
werden. Wurden diese so genannten 0190-Dialer in der Vergangenheit vor
allem in Verbindung mit pornografischen Webseiten beobachtet, so
sind die Betrüger mittlerweile raffinierter und verschicken
z. B. entsprechende Programme getarnt als Microsoft-Windows-Update.
Gutgläubige Nutzer installieren diese und entnehmen
oft erst der nächsten Telefonrechnung, welche horrenden Kosten
angefallen sind. Mittlerweile gibt es eine Reihe von technischen Schutzmaßnahmen,
um die unerwünschten Dialer abzuwehren. Gelangt trotzdem ein
solches schädliches Programm auf den eigenen Rechner, sollte
es nicht sofort gelöscht werden. Es empfiehlt sich vielmehr,
um die überhöhten Gebührenansprüche abzuwehren,
möglichst die Beweise zu sichern, aus denen sich
ergibt, dass ein solches Programm ohne bewusstes Zutun des Nutzers
auf den Rechner gelangt ist. Kann dies bewiesen werden, so dürfte
in der Regel die Gebührenforderung nicht durchsetzbar sein.
Mehrwertdienste Eines der Probleme bei der Abwehr der überhöhten Ansprüche
besteht darin, dass die Rechnungen nicht unmittelbar von den Stellen,
die von diesen so genannten Mehrwertdiensten profitieren, gestellt
werden. Vielmehr ermöglicht die Rechtslage es den Anbietern
dieser Dienste, die Telekommunikationsnetzbetreiber als Inkassostellen
zu verwenden. Dies bedeutet, dass z. B. auf der Rechnung der
Telekom die entsprechenden Verbindungen auftauchen und von dieser
abgerechnet werden. Dabei wird für die Telekommunikationsnetzbetreiber
die Rufschädigung, die für sie entsteht, dadurch versüßt,
dass sie an den überhöhten Gebühren mitverdienen.
Im Berichtszeitraum sollte eine Rechtsänderung erfolgen, wonach
der Kunde Einspruch beim Netzbetreiber (wie z. B. der Telekom) gegen
die überhöhten Gebührenanteile aus den 0190-Nummern
einlegen könnte. Daraufhin hätte der eigentlich rechnungsstellende
Betreiber des Mehrwertdienstes unmittelbar bei dem Kunden abzurechnen
gehabt. Diese aus Verbrauchersicht erfreuliche Änderung ist
leider am Widerstand der Lobby der Mehrwertdiensteanbieter
gescheitert. Damit gerät eine ganze Branche ins Zwielicht,
weil es schwarzen Schafen gelingt, die Kunden hinters Licht zu führen. Werbung für die Inanspruchnahme der Mehrwertdienste Ein anderer Bereich, der von Betrügern ausgenutzt wird, ist
die unverlangte Werbung für die Nutzung der Mehrwertdienste,
die über die 0190- und 0180-Rufnummern zu erreichen sind. In
diesen Fällen wird zwar nicht wie bei dem Problem der 0190-Dialer
hinter dem Rücken und ohne Wissen des Betroffenen eine kostenpflichtige
Verbindung hergestellt. Allerdings ist auch die Versendung von Werbung
für die Nutzung solcher Dienste nur dann erlaubt, wenn der
Betroffene zuvor eingewilligt hat. Angesichts der klaren Rechtslage
könnte man annehmen, es sei ein Leichtes, gegen die häufig
auch aus Deutschland operierenden Versender der Werbefaxe oder SMS,
die für die Inanspruchnahme der Mehrwertdienste werben, vorzugehen.
Tatsächlich tun sich allerdings einige praktische Probleme
auf. Häufig verschleiern die Absender dieser Werbung durch
technische Tricks ihre Rufnummer. Es gibt allerdings einen Weg,
die absendende Rufnummer festzustellen, auch wenn diese vom Sender
unterdrückt wird. Dazu muss eine so genannte Fangschaltung
beim Netzbetreiber beantragt werden. Dies ist unter bestimmten,
in § 10 Abs. 1 und 2 der Telekommunikations-Datenschutzverordnung
genannten Voraussetzungen zulässig. Diese Maßnahme ist
auf künftige Anrufe gerichtet und hat dann Sinn, wenn mit der
wiederholten Zusendung unverlangter Sendungen zu rechnen ist. Zwar
wäre es den Netzbetreibern technisch auch möglich, aus
ihren vorhandenen Datenbeständen die Absender bestimmter Kommunikationen
im Nachhinein herauszufiltern, ohne dass eine spezielle Fangschaltung
installiert wird. Dies verursacht aber erhebliche Kosten und wird
daher nicht für private Zwecke, sondern lediglich für
die Zwecke der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden vorgenommen. Kann die absendende Rufnummer nicht ermittelt werden, liegt es
nahe, den Anbieter des Mehrwertdienstes, für dessen Inanspruchnahme
geworben wird, als Quelle der Zusendung zu vermuten. Schon der gesunde
Menschenverstand spricht dafür, dass die massenhafte Werbung
für die Inanspruchnahme bestimmter Mehrwertdienste nicht ohne
Zutun der Anbieter in die Welt gesetzt worden ist. Also müsste
der Inhaber der beworbenen Mehrwertdienstenummer eigentlich als
so genannter Störer im Sinne des Wettbewerbsrechts angesehen
werden können. Noch fehlen allerdings Gerichtsurteile, die
dies bestätigen. Schwierigkeiten bei der Auskunft über zugeteilte Mehrwertdienstenummern Wird entweder die absendende Rufnummer festgestellt oder unterstellt,
dass der beworbene Mehrwertdiensteanbieter selbst Störer ist,
muss ermittelt werden, wer hinter der beworbenen Rufnummer steht.
Dies ist nicht ohne weiteres möglich. Handelt es sich um 0190-Rufnummern,
so gilt Folgendes: Diese Rufnummern werden blockweise von der zuständigen
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP)
an Telekommunikationsnetzbetreiber weitergegeben. Diese überlassen
aus den Blöcken einzelne Rufnummern an Dritte, die diese wiederum
weiterverkaufen können. Zwar lässt sich bei der RegTP
klären, welchem Telekommunikationsnetzbetreiber eine bestimmte
0190-Nummer zugewiesen wurde. Dieser hat jedoch nur unter sehr eingeschränkten
Voraussetzungen darüber Auskunft zu erteilen, an wen er sie
weitergegeben hat. Fehlte bis vor kurzem noch überhaupt ein Anspruch, so hat
der Gesetzgeber mittlerweile reagiert und immerhin bestimmten Stellen
die Möglichkeit eingeräumt, Auskunft bei den Telekommunikationsnetzbetreibern
über die Stellen zu erhalten, denen die fraglichen Nummern
weiterverkauft wurden. Anspruchsberechtigt sind nach dem Unterlassungsklagegesetz
qualifizierte Verbraucherschutzverbände, die in eine entsprechende
Liste aufgenommen wurden, sowie Industrie- und Handelskammern und
Handwerkskammern. Dies bedeutet umgekehrt, dass der einzelne Nutzer,
der sich gegen die unverlangte Zusendung von Werbesendungen wehren
will, zurzeit keinen Anspruch hat. Allerdings prüft die Bundesregierung,
ob der Kreis der Anspruchsberechtigten auf die Betroffenen erweitert
werden muss. Die genannten Organisationen könnten also dann,
wenn sie sich der Missbrauchsfälle annehmen, die Störer
erfahren und wettbewerbsrechtlich gegen sie vorgehen. Den Betroffenen
bleibt derzeit lediglich, sich mit konkreten Beschwerden an die
Telekommunikationsunternehmen zu wenden, denen die 0190-Nummer von
der RegTP zugewiesen wurden. Der Netzbetreiber könnte, ohne dazu verpflichtet zu sein,
den Betroffenen mitteilen, welcher Mehrwertdiensteanbieter hinter
einer bestimmten Nummer steht. Allerdings werden, jedenfalls dann,
wenn diese Dienstbetreiber keine juristischen Personen (z. B. GmbH,
AG), sondern natürliche Personen sind, ausgerechnet datenschutzrechtliche
Gründe dafür angeführt, dass eine solche Auskunft
nicht erteilt wird. Der Gesetzgeber ist hier aufgefordert, möglichst
schnell einen entsprechenden Auskunftsanspruch auch für
Nutzer so auszugestalten, dass sich die Störer nicht länger
hinter dem Datenschutz verstecken können. Wenig effektive Sanktionsmöglichkeiten Die Telekommunikationsunternehmen haben nach einer weiteren Rechtsänderung
aus dem Berichtszeitraum die Pflicht, gegenüber den Stellen,
denen sie die Nummern weiterverkaufen, darauf hinzuweisen, dass
keine unverlangte Werbung zugesandt werden darf. Bei Verstößen
haben sie geeignete Maßnahmen gegenüber den nachgeordneten
Mehrwertdienstebetreibern zu erwägen. Dazu kann auch eine Sperrung
der Nummern gehören. Diese ist allerdings erst bei wiederholter
und schwerer Zuwiderhandlung vorgesehen. Der einzelne Betroffene
wird also davon ausgehen müssen, dass seine konkrete Beschwerde
gegenüber dem Telekommunikationsunternehmen lediglich dazu
führt, dass vielleicht die Gesamtheit der Nachfragen dieses
irgendwann zum Handeln veranlasst. Werden die Telekommunikationsunternehmen
nicht tätig, kann die RegTP ihrerseits Maßnahmen
gegen diese verhängen. Allerdings sind derartige Fälle
bisher noch nicht bekannt geworden. Etwas anders verhält sich die Sache bei 0180-Nummern, die
auch häufig über unverlangte Faxe beworben werden.
Deren Vergabe regelt die RegTP selbst. In diesen Fällen sollen
sich die Nutzer nach einer Auskunft der Regulierungsbehörde
an diese wenden und den Sachverhalt möglichst unter Beifügung
von Beweismitteln darlegen. Sie ist zu erreichen unter der Adresse:
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post
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8.4 |
Statt Datenvermeidung neue Vorratsspeicherung
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Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat in einem Urteil die
Verpflichtung zur Speicherung von Kundendaten beim Kauf von Prepaid-Handys
mit guten Gründen für unzulässig erklärt. Daraufhin
wurde im zuständigen Bundesministerium sofort ein Entwurf zur
Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorbereitet,
um eine Rechtsgrundlage für diese Vorratsspeicherung zu schaffen.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat überraschenderweise
die Entscheidung des VG Köln aufgehoben. Im 23. Tätigkeitsbericht (Tz. 8.1)
hatten wir darüber berichtet, wie nach derzeit gängiger
Praxis die Telekommunikationsprovider beim Verkauf von Handys mit
Prepaid-Karten gesetzeswidrig zu Außenstellen der Sicherheitsbehörden
gemacht werden. Ausschließlich für Zwecke eventueller
künftiger Strafverfolgung müssen die Unternehmen bestimmte
Daten ihrer Kunden in eine Datenbank aufnehmen. Um die Identifizierung
der Kunden zu überprüfen, muss sogar der Ausweis vorgelegt
werden. Die Unternehmen selbst haben an dieser Datenverarbeitung
kein Interesse. Sie würden es vorziehen, ihre vorausbezahlten
Produkte in Warenhäusern, Tankstellen usw. anonym und ohne
Formalitäten vertreiben zu können. Auf eine Klage verschiedener Mobilfunkunternehmen hin hat das
VG Köln im Herbst des Jahres 2000 die entsprechende
Anordnung der Regulierungsbehörde für unzulässig
erklärt. Dabei wurde vor allem darauf abgestellt, dass die
einschlägige Vorschrift im Telekommunikationsgesetz sich nur
auf solche Daten bezieht, die die Unternehmen ohnehin für eigene
Zwecke verarbeiten. Die Entscheidung wurde allgemein für gut
begründet und kaum angreifbar gehalten. Gleichwohl wurde die
bisherige Praxis der Datenerhebung auch beim Verkauf von Prepaid-Handys
zunächst fortgesetzt, da Berufung eingelegt worden war und
die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes keine aufschiebende Wirkung
hatte. Da die Strafverfolgungsbehörden und sonstige Sicherheitsbehörden
einen erheblichen Bedarf bei der Nutzung der in diesen Verzeichnissen
gespeicherten Bestandsdaten sahen, wurde vonseiten des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie umgehend eine Änderung
des TKG auf den Weg gebracht. Diese sollte sicherstellen, dass
die Vorschrift so gefasst wird, dass sie eine ausreichende Rechtsgrundlage
für die Erhebung und Speicherung der Bestandsdaten auch bei
Prepaid-Karten darstellt, die anschließend im Interesse der
Sicherheitsbehörden erfolgen. Der im Frühjahr 2002 vorgelegte Gesetzentwurf enthielt nicht
nur entsprechende Änderungen im TKG, sondern sollte bei dieser
Gelegenheit auch die Abfrage vonseiten der Sicherheitsbehörden
in den Datenbanken der Handelsverkäufer erleichtern (vgl. zu
den Risiken, die diese Datenbanken mit sich bringen, 19. TB,
Tz. 7.3.1). So sollte
gesetzlich geregelt werden, dass nicht nur mit vollständigen
Teilnehmerdaten, sondern auch mit so genannten Jokerzeichen für
einen oder mehrere unbekannte Buchstaben oder Ziffern regelrecht
gerastert werden kann. Außerdem sollte es möglich sein,
nach Daten zu suchen, die lediglich phonetisch aufgenommen wurden
und deren Schreibweise daher nicht vollständig geklärt
ist. Es liegt auf der Hand, dass diese Art der Abfrage den Sicherheitsbehörden
auch eine Vielzahl personenbezogener Daten unbeteiligter Dritter
zugänglich machen würde, ohne dass diese Daten für
die Aufgabenerfüllung erforderlich wären. Als Reaktion
auf den vorliegenden Gesetzentwurf kritisierte die Konferenz
der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder,
dass ein weiterer Grundrechtseingriff im Bereich der Telekommunikationsdaten
vorgenommen werde. Während Straftätern, die gezielt mehrere
Karten verwendeten oder die Karten untereinander tauschten, mit
diesem Vorhaben nicht Einhalt geboten werden könne, würde
über Unbescholtene unnötigerweise eine Vielzahl von Daten
auf Vorrat erhoben, anstatt die datenschutzrechtlichen Vorteile
der Prepaid-Verfahren zu nutzen, die in der Datenvermeidung durch
Anonymität des Bezahlens bestehen. Im Mai 2002 überraschte das OVG Münster mit der
Aufhebung des Urteils des VG Köln. Dabei übernahm das
OVG vollständig die Argumentation der Regulierungsbehörde
und ließ sich damit offenbar von den Begehrlichkeiten der
Sicherheitsbehörden leiten. In dem Urteil finden sich Formulierungen
wie z. B.: Das Führen von Kundendateien (...) setzt zwingend
die Erhebungen dieser Kundendaten (...) voraus. Die Erhebung (...)
der Daten ist daher eine Selbstverständlichkeit, die keiner
wörtlichen Erwähnung in § 90 Abs. 1 und 2 TKG bedürfte. Diese und vergleichbare Formulierungen lassen Zweifel aufkommen,
ob das Gericht das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes
bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Dort heißt
es, Beschränkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
bedürften einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen
Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen
klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit
dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. (...)
Ein Zwang zur Abgabe personenbezogener Daten setzt voraus, dass
der Gesetzgeber den Verwendungszweck bereichsspezifisch und präzise
bestimmt und dass die Angaben für diesen Zweck geeignet und
erforderlich sind. Damit wäre die Sammlung nicht anonymisierter
Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken
nicht zu vereinbaren. Das OVG Münster hat trotz der offensichtlichen Abweichung
von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Revision
zur nächsthöheren Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht,
nicht zugelassen, da es sich nicht um eine Angelegenheit
von grundsätzlicher Bedeutung handele. Allerdings hat dem Vernehmen
nach einer der betroffenen Telekommunikationsprovider bereits das
in dieser Situation einschlägige Rechtsmittel, die Nichtzulassungsbeschwerde,
eingelegt. Im Übrigen aber bleibt es zunächst bei der
wenig befriedigenden Rechtslage. Die Bundesregierung hat nach dem
Bekanntwerden der Entscheidung die weiteren Arbeiten an der kurzfristigen
Novellierung des TKG eingestellt. Es ist aber damit zu rechnen,
dass die Pläne zur Verpflichtung der Provider zur Vorratsspeicherung
im Interesse der Sicherheitsbehörden weiterverfolgt werden.
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8.5 |
Rote Karte für Internet-Schnüffler |
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Auf deutscher und europäischer Ebene werden die Bemühungen
forciert, eine Verpflichtung zur vollständigen Speicherung
von Nutzungsdaten im Internet einzuführen. Mit unserer Kampagne
Rote
Karte für Internet-Schnüffler wenden wir uns
entschieden gegen diese Bestrebungen. Bereits im letzten Tätigkeitsbericht (vgl. 24. TB, Tz. 8.2)
haben wir uns ausführlich mit unterschiedlichen Vorhaben zur
Einführung einer Pflicht zur Speicherung der Nutzungsdaten
in der klassischen Telekommunikation und im Internet auseinander
gesetzt. Nach der bisherigen Rechtslage wird im Bereich der
klassischen Telekommunikation und des Internets die Speicherung
von Verbindungs- bzw. Nutzungsdaten lediglich dann zugelassen, wenn
diese zur Abrechnung erforderlich sind. Die Sicherheitsbehörden
drängen nun darauf, diese Rechtslage um 180 Grad zu wenden
und eine Verpflichtung für die Provider zur Speicherung dieser
Daten einzuführen. In manchen Fällen könnten sämtliche
Informationen über alle Nutzungsvorgänge für einen
Zeitraum von bis zu zwei Jahren gespeichert werden. Auf nationaler Ebene wurde über den Bundesrat eine
entsprechende Initiative in der Folge des 11. September 2001 von
den Ländern Bayern und Thüringen angestoßen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf fand dort zwar zunächst keine
Mehrheit. Nach der Wahl in Sachsen-Anhalt änderten sich jedoch
die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zugunsten der unionsregierten
Länder. Daraufhin ergriffen die Länder Thüringen
und Bayern erneut die Initiative und brachten den schon einmal vorgelegten
Text als Ergänzung eines im Übrigen nicht mit dem Thema
unmittelbar zusammenhängenden Gesetzentwurfs des Landes Niedersachsen
ein. In dieser Fassung wurde der Vorschlag zur Einführung einer
Speicherpflicht vom Bundesrat mit der neuen Mehrheit im Mai 2002
verabschiedet. Die Bundesregierung legte den Entwurf mit
ihrer Stellungnahme versehen dem Bundestag vor. Dort konnte er aber
wegen der Neuwahl des Bundestages nicht weiter behandelt werden
und fiel der Diskontinuität anheim. Bei den Abstimmungen im Bundesrat ist positiv hervorzuheben, dass
sich das Land Schleswig-Holstein als einziges
mehrfach explizit gegen die Einführung einer Speicherpflicht
ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert hat, einer solchen
Initiative auf europäischer Ebene nicht zuzustimmen. Auch wenn die erste Initiative nicht unmittelbar zum Erfolg führte,
ist dennoch Wachsamkeit geboten. Die Stellungnahme der Bundesregierung
ist leider keineswegs eindeutig ableh-nend. Zwar wird darauf
hingewiesen, die Bundesregierung sei bestrebt, einen angemessenen
Interessenausgleich herbeizuführen, der das wichtige öffentliche
Interesse an einer effektiven Strafverfolgung (...) mit den Grundrechten
der Betroffenen in ein ausgewogenes Verhältnis bringt.
Kann diese Äußerung, die im Hinblick auf die Änderung
des Telekommunikationsrechts abgegeben wurde, noch so verstanden
werden, dass die Einführung der Speicherpflicht dort als unverhältnismäßig
anzusehen wäre, fällt die Stellungnahme im Hinblick auf
die Speicherpflicht im Internet weniger klar aus. Dazu wird lediglich
vorgebracht, der Entwurf des Bundesrates lasse die erforderliche
Abwägung vermissen. Dies muss wohl so verstanden werden,
dass bei Vornahme der entsprechenden Abwägung die Bundesregierung
eine Speicherpflicht nicht für ausgeschlossen hält. Die Initiative des Bundesrates kann nicht losgelöst vom europäischen
Kontext betrachtet werden. Dort sind zwei Entwicklungslinien
zu erkennen. Die bisherige Richtlinie zum Datenschutz in der Telekommunikation
wurde durch eine Nachfolgeregelung abgelöst, die den Datenschutz
in der gesamten elektronischen Kommunikation zum Gegenstand hat
(vgl. dazu Tz. 12.1). Nach kontroversen
Diskussionen wurde in die Richtlinie schließlich eine Öffnungsklausel
aufgenommen, wonach die grundsätzlich bestehende Verpflichtung,
Daten im Wesentlichen nur zu Abrechnungszwecken zu speichern und
ansonsten umgehend zu löschen, unter bestimmten Voraussetzungen
aufgegeben werden kann. Wörtlich heißt es dort: Zu
diesem Zweck (gemeint ist u. a. Herstellung der öffentlichen
Sicherheit, Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung
von Straftaten und des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen
Kommunikationssystemen) können die Mitgliedstaaten u. a. durch
Rechtsvorschriften vorsehen, dass Daten aus den in diesem Absatz
aufgeführten Gründen während einer begrenzten Zeit
aufbewahrt werden. Damit ist zwar keine eigenständige
Verpflichtung zur Datenspeicherung geschaffen. Die Vorschrift bewirkt
jedoch klar, dass die Datenschutzrichtlinie kein europarechtliches
Hindernis mehr bildet, wenn eine solche Regelung in nationales Recht
gegossen werden soll. Noch problematischer als diese im Sommer 2002 erfolgte Änderung
des europäischen Rahmenrechts sind mehr oder weniger verborgene
Initiativen verschiedener Akteure in der EU, eine europaweite
Speicherpflicht verbindlich einzuführen. So wurde im August
2002 zunächst ein vertraulicher Entwurf eines so genannten
Rahmenbeschlusses bekannt, den Belgien, das die Ratspräsidentschaft
der EU im zweiten Halbjahr 2001 innehatte, eingebracht hat. Danach
sollte eine Pflicht zur Vorratsspeicherung aller Verbindungs- bzw.
Nutzungsdaten für mindestens 12 und höchstens 24 Monate
europaweit eingeführt werden. Zwar versuchte die im zweiten
Halbjahr 2002 amtierende dänische Ratspräsidentschaft,
die aufkeimenden Besorgnisse zu zerstreuen, allerdings konnte dies
nicht überzeugend gelingen. Ausweislich der Unterlagen der
dänischen Ratspräsidentschaft, die im Internet abrufbar
sind, gehörte es zu den vorrangigen politischen Vorgaben Dänemarks,
für eine solche europaweite Speicherpflicht zu sorgen. Als konkrete Maßnahme hat eine Arbeitsgruppe des Rates mit
dem Namen Multidisciplinary Group on Organised Crime (MDG)
eine Befragung der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union durchgeführt. Dabei wurde ermittelt, ob bereits entsprechende
nationale Regelungen bestehen, ob deren Einführung geplant
ist oder unmittelbar bevorsteht. Weiterhin wurde abgefragt, ob die
Mitgliedstaaten Vorteile in einer europaweiten einheitlichen Regelung
sehen würden. Während die Fragen dieses Fragebogens noch öffentlich
abrufbar waren, sollte dies nicht für die Antworten gelten.
Diese wurden allerdings durch verschiedene Bürgerrechtsorganisationen
an die Öffentlichkeit gebracht. Danach zeigt sich, dass
in den meisten Ländern der EU entweder bereits eine Speicherpflicht
für Verbindungs- und Nutzungsdaten existiert oder deren Einführung
unmittelbar bevorsteht. Lediglich in Österreich, Griechenland,
Portugal, Schweden und Deutschland fehlt bisher noch eine solche
Überwachungsregelung. Die allermeisten Länder äußern
sich positiv zu der Idee einer Überwachung der Internet-Nutzer.
Zurückhaltender sind lediglich Schweden und Deutschland. Dabei
bringt die deutsche Bundesregierung im Wesentlichen dieselben Aspekte
vor, die sie auch gegenüber der Bundesratsinitiative zur Vorratsspeicherung
erwähnte. Angesichts dieser Lage sind wir der Auffassung, dass den vielfältigen
Tendenzen zur Aufhebung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung
für Internet-Nutzer, die eine neue Qualität der Überwachung
bedeuten würden, mit einer eigenen Kampagne entgegengetreten
werden muss. Diese wurde als Reaktion auf die Bundesratsinitiative
im Juni 2002 gestartet und ist unter der Adresse
oder über diese Grafik auf anderen Webseiten abrufbar.
Ziel der Seite ist es, die Bürgerinnen und Bürger mit
den Organisationen, die die Vorhaben ablehnen, zusammenzuführen
und sie mit allen wichtigen Informationen zu versorgen. Damit wurde
ein Forum geschaffen, das dem Informationsaustausch
dient und auch dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet,
seine Meinung und Diskussionsbeiträge einzubringen. Darüber
hinaus werden weitere Aktionsmöglichkeiten aufgezeigt und den
Bürgern die Kontaktadressen der Ministerien und Bundestagsabgeordneten
an die Hand gegeben, die in diesen Politikfeldern agieren. Wir haben
in der Zwischenzeit viele E-Mails mit Äußerungen bekommen
und einige auf der Seite veröffentlicht. Sie verweist mittlerweile
auch auf eine Vielzahl von Stellungnahmen anderer Organisationen,
Unternehmen und sonstiger Interessengruppen, die die Vorratsspeicherung
ablehnen. Wir werden prüfen, wie wir diese Initiative künftig
noch effektiver fortführen können.
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