19. Tätigkeitsbericht (1997)
4.10 |
Steuerverwaltung |
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4.10.1 |
Stört das Steuergeheimnis den "schlanken Staat"?
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Aus wirtschaftlichen Überlegungen werden die Großrechenzentren der Steuerverwaltung und der Datenzentrale zusammengelegt. Fast wäre dabei das Steuergeheimnis auf der Strecke geblieben.
Seit 1967 bedient sich die schleswig-holsteinische Steuerverwaltung für die Festsetzung und Erhebung der Steuern automatisierter Verfahren. Jährlich werden mit Hilfe von Computern mehrere Millionen Steuererklärungen versandt, Buchungen vorgenommen sowie Steuerbescheide, Zahlungsaufforderungen, Mahnungen und dgl. gedruckt. Gegen stattliche Leistungsentgelte hat die Datenzentrale deshalb im Gebäude der Oberfinanzdirektion ein Großrechenzentrum installiert, das von einer kleinen Crew von DZ-Mitarbeitern technisch betreut wird. Ansonsten schaltet und waltet die Oberfinanzdirektion entsprechend den von ihr festgelegten Prioritäten. Mit den technischen Systemen werden ausschließlich Steuerdaten verarbeitet, die elektronische Kommunikation zwischen den Finanzämtern und dem Rechenzentrum wird von der Oberfinanzdirektion gesteuert, sie selbst entwickelt, testet und bestimmt den Einsatz der Programme usw. Im Ergebnis bekommt also kein Mitarbeiter der DZ Kenntnis vom Inhalt der Millionen Steuerdaten und der Ergebnisse der maschinellen Bearbeitungen. Dies alles wurde 1975 in einem detaillierten Vertrag so geregelt, um den Bestimmungen des Finanzverwaltungsgesetzes zu entsprechen und das Steuergeheimnis zu wahren. Eine von uns im Jahre 1986 durchgeführte Prüfung gab deshalb insoweit auch keinen Anlaß zu datenschutzrechtlichen Beanstandungen.
Der parallele Betrieb von zwei Rechenzentren, eines im Gebäude der Oberfinanzdirektion und eines in der Zentrale in Altenholz, lief offenbar in den letzten 20 Jahren zur allseitigen Zufriedenheit, bis Anfang 1996 vom Innenministerium als dem Verwalter des Landesanteils der DZ und vom Finanzministerium als dem Zahler der Leistungsentgelte die Prüfung veranlaßt wurde, ob nicht durch ein Zusammenlegen der Rechenzentren ein Synergieeffekt erzielt werden könnte. Im Rahmen des "Projektes zur Integration der Rechenzentren von Landes- und Steuerverwaltung (PILS)" haben sich die Beteiligten recht schnell darüber verständigt, daß die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Finanzverwaltungsgesetzes nicht grundsätzlich einer Zusammenlegung entgegenstünden und das Steuergeheimnis nicht tangiert sei. Es schien also möglich, das Rechenzentrum in der Oberfinanzdirektion aufzulösen und die betreffenden Arbeiten von Mitarbeitern der Datenzentrale in Altenholz miterledigen zu lassen.
Um so erstaunter war man, als wir wegen einer möglichen Gefährdung des Steuergeheimnisses Bedenken anmeldeten. Maßgeblich waren folgende Gesichtspunkte:
Die rechtlichen "Grenzwerte" sind also seitens der Steuerverwaltung
1975 richtigerweise in der Formulierung zusammengefaßt worden, daß "die Steuerverwaltung verantwortlich sämtliche Maßnahmen des Datenschutzes und der Datensicherheit entscheidet
und dadurch das Steuergeheimnis gewährleistet". Ein Abweichen von diesem Grundsatz im Rahmen des Projektes PILS wäre mithin gleichzusetzen gewesen mit einer Änderung der Rechtsauffassung zu den Wirkungen des Finanzverwaltungsgesetzes und der Abgabenordnung.
Nachdem man diesen Gesichtspunkten in der Anfangsphase der Arbeit der Projektgruppe eher ablehnend gegenüberstand, konnten wir im weiteren Verlauf eine weitgehende Annäherung
der Standpunkte erreichen. Dadurch, daß in einer besonderen Organisationseinheit in der Datenzentrale Mitarbeiter der Steuerverwaltung die Verarbeitungsprozesse steuern und überwachen, hat man nämlich eine aufbau- und ablauforganisatorische Grundstruktur geschaffen, die geeignet ist, dem allgemeinen datenschutzrechtlichen und dem bereichsspezifischen steuerrechtlichen Rahmen Rechnung zu tragen. Das gilt allerdings nur unter zwei Bedingungen:
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4.10.2 |
Auf den ersten Blick ein klarer Fall ...
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Es ist den Betroffenen kaum zu vermitteln, daß sich die höchstrichterliche Rechtsprechung manchmal über den klaren Wortlaut gesetzlicher Bestimmungen hinwegsetzt.
Manche Beschwerden von Bürgern weisen so eindeutig auf fehlerhaftes Verwaltungshandeln hin, daß man geneigt ist, gar nicht erst eine Stellungnahme der kritisierten Behörde einzuholen, sondern gleich eine datenschutzrechtliche Beanstandung auszusprechen. So auch in folgendem Fall: Ein Unternehmer bekam an seine Firmenanschrift einen Brief eines Finanzamtes mit Postzustellungsurkunde
zugestellt. Außen auf dem Briefumschlag war vermerkt: "Geschäftszeichen 2021013972 Pfändung vom 14.05.1996" (Anmerkung: Die Daten sind geändert). Der Empfänger empfand es als einen Bruch des Steuergeheimnisses, den Briefinhalt außen auf dem Umschlag zu vermerken, zumal nicht er der Steuerschuldner war, sondern einer seiner Lieferanten. Es war lediglich dessen Forderung gegen ihn gepfändet worden, deshalb war er als Drittschuldner verpflichtet, nicht an den Lieferanten zu zahlen, sondern an das Finanzamt. Nur, jeder der den Umschlag in den Händen hielt, mußte vermuten, dem Unternehmen ginge es so schlecht, daß wegen Steuerschulden gepfändet werden müßte.
Das Verwaltungszustellungsgesetz gab dem Petenten (vermeintlich) recht. Dort ist festgelegt: "Die Sendung ist mit der Anschrift des Empfängers und mit der Bezeichnung der absendenden Dienststelle, einer Geschäftsnummer und einem Vordruck für die Zustellungsurkunde zu versehen". Folglich war nur die Steuernummer korrekt, alles weitere unzulässigerweise vermerkt, möchte man glauben. In ihren Stellungnahmen kamen das Finanzamt und die Oberfinanzdirektion unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) allerdings zu einem ganz anderen Ergebnis. Zitat aus einem Urteil des BFH aus dem Jahre 1990: "Daher liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine zwingende Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz vor, wenn die zuzustellende Sendung (d.h. der verschlossene Umschlag) nicht mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Geschäftsnummer versehen ist. ... Dabei stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung und in der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Es genügt somit für eine wirksame Zustellung nicht, wenn die Postzustellungsurkunde und/oder die Sendung (der Briefumschlag) als Geschäftsnummer lediglich die Steuernummer ausweist." Da unter einer Steuernummer sehr unterschiedliche Unterlagen zugestellt werden könnten, sei eine ergänzende Angabe des Inhalts zwingend erforderlich gewesen. Allerdings hätte das Finanzamt das Wort "Pfändung" durch eine geeignete Abkürzung ersetzen müssen. Offen blieb die Frage, welche Abkürzung einerseits "geeignet" gewesen wäre, den Inhalt zu beschreiben, andererseits Dritten nicht offenbart hätte, daß es sich um einen Pfändungsvorgang handelte.
Uns blieb nur die Aufgabe, den Betroffenen mit dem Hinweis zu "trösten", daß auch ein Datenschutzbeauftragter die Rechtsprechung des höchsten deutschen Finanzgerichts nicht vom Tisch wischen kann, er aber andererseits Verständnis für sein Unverständnis über das Ergebnis aufbringe.
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4.10.3 |
Eine Sache der Logik
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Die Finanzämter fordern in bestimmten Fällen von Apothekern personenbezogene Angaben über ihre Kunden, ohne daß sie mit den Daten etwas anfangen können. Eine sinnvolle Ausnahmeregelung von einer bundeseinheitlichen Richtlinie über Fahrtenbücher wurde vom Ministerium abgelehnt.
Benutzt ein Unternehmer einen Pkw für Geschäftsreisen, kann er die entstehenden Kosten als Betriebsausgaben geltend machen. Benutzt er ihn für private Zwecke, sind die Kosten steuerlich nicht abzugsfähig. Um die jeweiligen Kostenanteile einfach ermitteln zu können, wenn ein Pkw sowohl geschäftlich wie auch privat genutzt wird, sieht das Einkommensteuergesetz eine Pauschalierung vor. Wer sich dieser nicht unterwerfen will, muß ein Fahrtenbuch führen, damit jeder Kilometer "spitz" abgerechnet werden kann. In den Fällen hoher geschäftlicher und niedriger privater Anteile stellt eine Abrechnung nach Fahrtenbuch die steuergünstigere Alternative dar. Man muß allerdings in Kauf nehmen, daß die Finanzämter im Fahrtenbuch folgende Angaben erwarten: Datum, Kilometerstand zu Beginn und am Ende der einzelnen Fahrt, Reiseziel mit Reiseroute, Reisezweck mit Angabe des aufgesuchten Geschäftspartners,
jeweilige Abfahrt- und Ankunftzeit; Privatfahrten müssen einzeln, jedoch ohne Angabe des Reiseweges aufgezeichnet werden.
Gegen die Angabe des "aufgesuchten Geschäftspartners" in dem Fahrtenbuch für einen Pkw, mit dem Mitarbeiter einer Apotheke eilige Arzneimittel an behinderte oder bettlägerige Kranke ausliefern, wandte sich ein Apotheker. Die Angabe des Geschäftspartners/Kunden könne nur dazu dienen, anhand der sonstigen Buchführungsunterlagen die Frage zu klären, ob die aufgesuchte Person tatsächlich ein Geschäftspartner/Kunde sei. Finde sich der Name in Verträgen oder Rechnungen wieder, läge es nahe, daß ein Besuch bei ihm geschäftlich veranlaßt gewesen sei, anderenfalls bedürfte es weiterer Begründungen, um einen Betriebsprüfer des Finanzamtes von der Anerkennung der Fahrtkosten als Betriebsausgabe zu überzeugen. Man könne ihn deshalb nicht dazu zwingen, auch dann ein Kundenverzeichnis aufzubauen, wenn viele Kunden entweder bar bezahlten oder die Zahlungen über eine Verrechnungsstelle in einer Summe erfolgten. Dann sei es nämlich völlig egal, ob im Fahrtenbuch "Müller" oder "Meier" stehe, es biete dem Betriebsprüfer ohnehin keine Kontrollmöglichkeit, weil es keinen "Gegenbeleg" gebe. Da sei es nur eine Frage der Logik, ganz auf eine Namensnennung und damit auf einen nutzlosen, gleichwohl hochsensiblen
Datenbestand zu verzichten.
Dieser Argumentation konnten wir uns ungeschränkt anschließen und waren deshalb überrascht, daß das Ministerium für Finanzen und Energie dieses Ansinnen ablehnte, ohne auf den Kern der Sache, nämlich die Auswertungsmöglichkeiten, einzugehen. Vollends unverständlich wird die Entscheidung, wenn man berücksichtigt, daß Ärzte, die regelmäßig Hausbesuche machen (sogenannte Vielfahrer) im Fahrtenbuch nur "Patientenbesuch" vermerken müssen. Nicht daß der Datenschutzbeauftragte gegen diese Ausnahmeregelung votieren will, im Gegenteil. Wer erklärt aber dem Apotheker, daß ein Arzt, bei dem ein Abgleich mit der Patientendatei durchaus möglich wäre, von der Angabe des Namens der besuchten Person befreit ist, während er einen nicht verwertbaren personenbezogenen Datenbestand führen muß. Wahrscheinlich wird er nur stöhnen: "Heiliger St. Bürokratius, halt ein!".
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