18. Tätigkeitsbericht (1996)
5. |
Datenschutz bei Gerichten |
|
5.1 |
MEGA |
|
Obwohl keine ausdrückliche Rechtsvorschrift die automatisierte Sammlung und Verarbeitung personenbezogener Daten in Gerichtsverfahren regelt, ist das "Mehrländerverfahren" (MEGA) in der derzeit geplanten Form datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden. Der Bundesgesetzgeber bleibt jedoch aufgefordert, endlich die Prozeßordnungen unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu ergänzen. Im 17. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.4.2) wurde über die verschiedenen Automationsvorhaben der Justiz berichtet. Aufgrund der Erfahrungen mit der "Geschäftsstellenautomation der Staatsanwaltschaften" (vgl. Tz. 4.4.1 dieses Berichts) haben wir den Justizminister auf die Rechtsprobleme aufmerksam gemacht, die sich aufgrund der in den Prozeßordnungenfehlenden,bereichsspezifischen, präzisen Regelungen für die Verarbeitung personenbezogenerDatenbeineuen Automationsvorhaben ergeben können. Dies hat zur frühzeitigen Vorlage erster Konzepte für das Verfahren MEGA und zur Bitte um dessen datenschutzrechtliche Begutachtung geführt.
Wir konnten feststellen, daß hier grundlegend anders vorgegangen wurde als beim GAST-System. Geplant ist eine Lösung, die für jedes Gericht einen eigenen Abteilungsrechner vorsieht, eine Vernetzung mit anderen Rechnern findet nicht statt. Ein landesweiter Zugriff auf Gerichtsdaten ist somit ausgeschlossen.
Auch innerhalb der einzelnen Gerichte soll die Abschottung der verschiedenen Abteilungen so erhalten bleiben, wie sie bereits jetzt in der konventionellen Datenverarbeitung besteht. Es soll keine Zentralkartei angelegt werden, anhand der auf einen Blick alle eine bestimmte Person betreffenden Vorgänge erkennbar wären. Gespeichert werden sollen ausschließlich die zum Auffinden eines Vorganges erforderlichen personenbezogenen Daten: Vor- und Zuname, Anschrift, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Sterbedatum, Staatsangehörigkeit, Familienstand, Name der Mutter.
Aus den einzelnen Prozeßordnungen ergeben sich indirekt Hinweise auf die Daten, die der Gesetzgeber für unabdingbar hält, um eine sachdienliche Bearbeitung überhaupt durchführen zu können. Für MEGA reichen die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen aus, wenn die Datenverarbeitung nicht über das Maß hinausgeht, das nach diesen Vorschriften für die Bearbeitung der jeweiligen Verfahren unverzichtbar ist.
Wir haben den Justizminister allerdings auf folgende noch offene Einzelfragen hingewiesen:
Auch zu Fragen der Sicherheit und Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens war auf eine Reihe von kritischen Punkten aufmerksam zu machen:
|
||
Zusammenfassend läßt sich allerdings feststellen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Veranlassung besteht, gegen das beabsichtigte Verfahren MEGA so grundlegende Bedenken zu erheben, daß dem Justizminister von einer Weiterverfolgung des Projektes abzuraten gewesen wäre.
|
||
5.2 |
Zweckbindung von Daten, die in Prozessen erhoben worden sind |
|
Die Frage, ob Daten einer Partei in einem Zivilprozeß ohne weiteres und ohne deren Einverständnis in anderen Verfahren verwandt werden dürfen, bedarf dringend der gesetzlichen Klärung.
Fast täglich kommt es vor, daß Menschen in der Ausnahmesituation einer Gerichtsverhandlung bereitwillig sehr intime Angaben machen oder sie sogar aufgrund einer Aussageverpflichtung machen müssen. Nicht selten werden diese Daten ohne ihr Einverständnis in anderen Prozeßarten und in einem völlig anderen Zusammenhang weiter verwendet. So mußte ein Petent erleben, daß ihm Angaben über seine Vermögensverhältnisse, die er im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens gemacht hatte, plötzlich in einem anderen Zivilverfahren entgegengehalten wurden, weil in beiden Prozessen zufällig derselbe Richter
zuständig war.
|
||
Ob personenbezogene Daten, die in einem bestimmten Verfahren freiwillig von Betroffenen preisgegeben werden, ohne weiteres und insbesondere ohne deren Einverständnis in anderen Verfahren verwandt werden dürfen, ist gesetzlich nicht geregelt. Leider besteht derzeitig die Praxis der Gerichte, hier einen Datenaustausch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu praktizieren, sofern dem nicht besondere Berufs- oder Amtsgeheimnisse (z.B. Steuergeheimnis) entgegenstehen. Dies ist nach unserer Ansicht datenschutzrechtlich bedenklich. Mangels einer spezialgesetzlichen Regelung kommen hier zwar die Vorschriften des Landesdatenschutzgesetzes über die Zweckbindung zum Tragen. Demnach dürfen Angaben, die ein Betroffener freiwillig für einen bestimmten Zweck macht, nicht ohne sein Einverständnis für andere Zwecke verwandt werden. Die Streitfrage, ob als Zweck, für den die Daten zur Verfügung gestellt werden, nur der eine Prozeß anzusehen ist oder ob darunter generell "Justizzwecke" zu verstehen sind, muß zugunsten der Betroffenen entschieden werden. Der Gesetzgeber ist deshalb aufgerufen, hier im Interesse der Betroffenen wie auch der Richter für Klarheit zu sorgen.
|