19. Tätigkeitsbericht (1997)
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Gesundheitswesen |
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4.8.1 |
Das schleswig-holsteinische Krebsregistergesetz
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Das schleswig-holsteinische Krebsregistergesetz strebt eine möglichst hohe Meldequote an. Deshalb ist eine Meldepflicht für Ärzte vorgesehen. Die datenschutzrechtlichen Belange der Patienten sollen durch Anonymisierung gewahrt werden.
Epidemiologische Forschung kann einen sinnvollen und wichtigen Beitrag leisten, wenn es um die Bekämpfung von Krebserkrankungen
geht. Um ein Netz von epidemiologischen Krebsregistern auf Länderebene aufzubauen, wurde vom Bundesgesetzgeber das Krebsregistergesetz erlassen, das die Länder verpflichtet, Krebsregister
einzurichten. Hierbei wurden den Ländern bei der Ausgestaltung der Vorgehensweise Freiräume gelassen, die durch Ausführungsgesetze genutzt werden können. Scheswig-Holstein hat als erstes Bundesland ein solches Gesetz erlassen und inzwischen mit dem konkreten Aufbau des Registers begonnen.
Das Land hatte die Absicht, eine möglichst vollständige Erfassung aller Krebserkrankungen zu erreichen, um eine effektive epidemiologische Forschung zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde in Schleswig-Holstein den Ärzten eine Meldepflicht
auferlegt. Das Vollständigkeitsprinzip bedeutet auch, daß die epidemiologischen Daten selbst von solchen erkrankten Personen in das Krebsregister aufgenommen werden müssen, die entweder über ihre Krebserkrankung gar nicht informiert wurden oder die nach einer Information durch ihren Arzt ihre namentliche Speicherung im Krebsregister ablehnen. Um zu vermeiden, daß Erkrankte ohne Einwilligung namentlich erfaßt werden, ist vorgesehen, den Namen schon bei den meldenden Ärzten zu verschlüsseln (periphere Informationsreduktion). Dadurch sind die betroffenen Personen davor geschützt, daß die Mitarbeiter des Krebsregisters ihren Namen erfahren oder daß sich Dritte im Rahmen von Forschungsvorhaben unmittelbar an sie wenden können. Das Meldeverfahren ist insofern grundrechtsfreundlich ausgestaltet, denn die Betroffenen müssen nicht von sich aus initiativ werden, wenn sie nur anonym gespeichert werden wollen. Sie müssen nur mit Nein antworten, wenn sie gefragt werden, ob sie mit einer namentlichen Speicherung einverstanden sind bzw. ob sie eine Forschung mit personenbezogenen Daten erlauben.
Die Qualität der Verschlüsselung im Rahmen des schleswig-holsteinischen Krebsregisters für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von ganz besonderer Bedeutung. Da jedoch auch eine Namensverschlüsselung nicht in allen Fällen einen 100%igen Schutz vor einer Deanonymisierung bieten kann, haben wir darauf hingewirkt, daß die Registerstelle keine Datensätze an Dritte übermitteln darf, wenn ein Deanonymisierungsrisiko besteht. Auch eine Reihe weiterer Vorschläge, die einen möglichst optimalen Schutz des Patientengeheimnisses gewährleisten sollen, wurden in das Gesetz übernommen.
Wir werden die Einrichtung des Krebsregisters weiterhin aufmerksam mitverfolgen. Sollten sich bei der Umsetzung des Gesetzes Schwachstellen für den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger zeigen, werden wir uns für Abhilfe einsetzen. Wie die Meldewege im einzelnen aussehen, soll die nachfolgende Übersicht veranschaulichen:
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4.8.2 |
Universitätskliniken bitten künftig Patienten bei Forschung um Einwilligung
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Die Forschung mit Patientendaten darf nur im Rahmen der sogenannten Eigenforschung bzw. mit anonymen Daten erfolgen oder wenn eine Einwilligung des Patienten vorliegt. Die Universitätskliniken reagieren auf unsere Kritik.
Im Rahmen einer Prüfung in einer Universitätsklinik hatte sich herausgestellt, daß Patientenakten ohne Einwilligung der Betroffenen nach der Behandlung in nicht anonymisierter Form für Forschungszwecke verwendet werden (vgl. 17. TB, Tz. 6.2.2, 18. TB, Tz. 6.7.2). Dies wurde als
unzulässig beanstandet, da die Forschung mit Patientendaten nach dem Landesdatenschutzgesetz und der ärztlichen Berufsordnung nur
zulässig ist.
Die Universitätskliniken in Kiel und Lübeck wollen in Zukunft Einwilligungserklärungen verwenden, in denen die Patienten ausführlich über den Aspekt der Forschung informiert werden und selbst entscheiden können, ob ihre Behandlungsunterlagen für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Dadurch wollen sie erreichen, daß für die Durchführung von Forschungsvorhaben ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung steht.
Darüber hinaus dürfen die behandelnden Ärzte auch ohne Einwilligung mit den Daten ihrer eigenen Patienten forschen (Eigenforschung). Notwendig ist es allerdings zu definieren, wer behandelnder Arzt ist. Zum Behandlungsteam gehören nach unserer Auffassung alle Ärzte, die den Patienten gleichzeitig oder nacheinander behandeln. Darüber hinaus gehören zum Behandlungsteam auch die direkten Funktionsnachfolger der behandelnden Ärzte.
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4.8.3 |
Stichtagserhebungen des Medizinischen Dienstes
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Querschnittsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Krankenhäusern anhand von nicht anonymisierten Patientenunterlagen sind rechtlich problematisch.
In mehreren schleswig-holsteinischen Krankenhäusern erfolgte eine Querschnittsprüfung (Stichtagserhebung) durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Es wurden sämtliche Akten von Patienten geprüft, die an einem bestimmten Tag stationär behandelt worden waren.
Zwar gibt es im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) eine Aufgabenzuweisung an den Medizinischen Dienst, die vorsieht, daß er zur Feststellung von Fehlbelegungen in Krankenhäusern auch Einsicht in Krankenunterlagen nehmen kann. Eine solche gesetzliche Regelung ist aber immer auch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Stichtagserhebungen sind sicherlich geeignet, Fehlbelegungen festzustellen, zweifelhaft ist aber, ob es erforderlich ist, daß hierzu von der Identität der Patienten Kenntnis genommen wird. Hinzu kommt, daß das Krankenhausfinanzierungsgesetz eine systematisch nicht gelungene Erweiterung der Aufgaben des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung enthält, die im übrigen im SGB V geregelt sind.
Ein weiteres Problem der Stichtagserhebungen in Schleswig-Holstein war, daß die Daten zur Klärung offener Strukturfragen im Rahmen der Budgetverhandlungen für das Jahr 1996 erhoben wurden. Es ist zweifelhaft, ob damit § 17 a Krankenhausfinanzierungsgesetz als Rechtsgrundlage überhaupt in Betracht kommt. Die Novellierung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes diente vorrangig zwei Zwecken: zum einen der Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Abbau der Fehlbelegung von Krankenhausbetten und zum anderen der Umwidmung der vom Bettenabbau betroffenen Krankenhausabteilungen in Pflegeeinrichtungen.
Schließlich war gegenüber dem Medizinischen Dienst und den Kassen darauf hinzuweisen, daß der Medizinische Dienst allenfalls die Unterlagen von Kassenmitgliedern einsehen darf. Trotz nach wie vor bestehender Zweifel an der Erforderlichkeit und damit auch der Rechtmäßigkeit der querschnittsmäßigen Stichtagserhebungen durch den Medizinischen Dienst in personenbezogener Form werden wir diese Datenerhebungen im Hinblick auf die nicht eindeutige Rechtslage nicht beanstanden, weil wie folgt vorgegangen werden soll:
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4.8.4 |
Keine Intimsphäre in der Klinik?
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Die Befragung über persönliche Daten bei der Krankenhausaufnahme im Beisein anderer Patienten verstößt gegen die ärztliche Schweigepflicht, wenn der Patient nicht damit einverstanden ist.
Ein Klinikpatient schilderte uns, daß bei seiner Krankenhausaufnahme eine erste Befragung über seine persönlichen Daten wie Name, Anschrift, Telefonnummer, Vorerkrankungen, Kinderkrankheiten usw. auf dem Krankenhausflur in unmittelbarer Nähe zu anderen Patienten durchgeführt wurde. Bei anderen Patienten sei ebenso verfahren worden. Darüber hinaus habe die Eingangsuntersuchung in einem 4-Bett-Zimmer im Beisein der anderen Patienten stattgefunden.
Die Klinik hat den Sachverhalt auf Anfrage bestätigt. Wir haben dies als eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht
kritisiert und Abhilfe gefordert. Die Klinik machte geltend, daß eine Befragung der Patienten in unmittelbarer Nähe anderer Patienten aufgrund der begrenzten Räumlichkeiten in der Regel unumgänglich sei. Eine Änderung sei nur durch einen Neubau zu erreichen. Trotz dieser eher ablehnenden Haltung hat dann aber doch unter Beteiligung des Landesbauamtes eine Ortsbesichtigung stattgefunden. Dabei stellte sich heraus, daß auch ein Umbau
ausreichend war, der inzwischen vom zuständigen Ministerium genehmigt wurde.
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4.8.5 |
Einsicht eines Betreuers in Gesundheitsunterlagen
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Eine Klinik darf einem Betreuer, dem die Gesundheitssorge für den Betreuten obliegt, nicht die Einsicht in ärztliche Entlassungsberichte verwehren. Die Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation in Neustadt stellte sich stur und reagierte erst auf Anweisung des Ministeriums.
Für eine psychisch kranke Person war für den Bereich der Gesundheitssorge ein Betreuer bestellt worden. Nachdem die von ihm betreute Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in der Klinik behandelt worden war, wollte er Einsicht in den ärztlichen Entlassungsbericht nehmen. Dies wurde ihm von der Klinik mit dem Argument verwehrt, es stelle einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht dar.
Zu Unrecht, denn Betreuer haben in solchen Fällen ein
Auskunfts- bzw. Akteneinsichtsrecht nach § 18 Landesdatenschutzgesetz. Betroffener ist zwar der Betreute, aber das Akteneinsichtsrecht kann in bestimmten Fällen auch von Dritten ausgeübt werden. So könnte z.B. auch ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts bevollmächtigt werden. Für das Betreuungsrecht gilt, daß der Betreuer in dem Aufgabenbereich, für den er bestellt wurde, der gesetzliche Vertreter des Betreuten ist. Aus diesem Grund steht ihm auch das Akteneinsichtsrecht zu.
Nachdem die Klinik trotz mehrfacher Aufforderung noch nicht einmal eine Stellungnahme abgegeben hatte, haben wir die Aufsichtsbehörde
eingeschaltet, die eine Weisung in unserem Sinn erteilte. Inzwischen wurde der Entlassungsbericht an den Betreuer übersandt.
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4.8.6 |
Meldungen der Gesundheitsämter an den Beauftragten für die systematische Bekämpfung übertragbarer Krankheiten
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Künftig wird es nur noch anonymisierte Meldungen der Gesundheitsämter geben. Das Sozialministerium reagierte erst zehn Jahre nach unserer Kritik.
Im Rahmen der Überprüfung eines Gesundheitsamtes im Jahre 1986 hatten wir festgestellt, daß die Gesundheitsämter die nach dem Bundesseuchengesetz gemeldeten übertragbaren Krankheiten grundsätzlich an den "Beauftragten für die systematische Bekämpfung des Typhus, Paratyphus B, sonstiger Salmonellosen sowie der Hepatitis und Meningitis" weiter übermitteln. Nach dem Bundesseuchengesetz ist aber weder ein solcher Beauftragter noch eine derartige Übermittlung vorgesehen.
Unserer Kritik schloß sich eine jahrelange Diskussion
mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein an. Es wurden immer neue Überlegungen angestellt, ob man eine ausreichende Rechtsgrundlage schaffen könnte, zuletzt war für die vergangene Legislaturperiode eine solche im Rahmen der beabsichtigten Novellierung des Gesundheitsdienstgesetzes vorgesehen. Da das Fachministerium immer wieder dargelegt hatte, wie wichtig diese Meldungen seien, wurde zunächst übergangsweise im Hinblick auf die angekündigte gesetzliche Regelung die Fortführung der Meldungen an den Beauftragten für die systematische Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nicht beanstandet.
Nachdem inzwischen eine neue Legislaturperiode angebrochen ist und nach nunmehr zehn Jahren noch immer kein Entwurf einer Novelle für das Gesundheitsdienstgesetz vorliegt, haben wir das Ministerium erneut gemahnt. Es hat daraufhin mitgeteilt, daß es an einer Umstrukturierung der Aufgaben des Beauftragten für die systematische Bekämpfung übertragbarer Krankheiten arbeite. Außerdem wurde angeordnet, daß ab sofort die Datensätze von den Gesundheitsämtern lediglich in anonymisierter Form geliefert werden. |