19. Tätigkeitsbericht (1997)



10.

Rückblick

10.1

Sozialministerium entscheidet: Versorgungsämter folgen nicht den Vorschlägen des Datenschutzbeauftragten


Aufgrund einer Prüfungsmaßnahme in einem Versorgungsamt im Jahre 1995 waren von uns drei strittige Punkte zunächst an das Landesversorgungsamt und, nachdem auch hier keine Einigung erzielt werden konnte, an das Sozialministerium zur Entscheidung herangetragen worden (vgl. 18. TB, Tz. 6.7.4). Leider konnte sich das Ministerium nicht der von uns vertretenen Rechtsauffassung anschließen. Von "höchster Stelle" wurde entschieden,

  • daß weiterhin Altakten mit medizinischen und Sozialdaten von gewerblichen Dienstleistern ohne Aufsicht durch die Behörde vernichtet werden,

  • daß "externen" ärztlichen Gutachten nicht auferlegt wird, nur solche Antragsdaten in ihren Unterlagen aufzubewahren, die nach den standesrechtlichen Vorschriften zur Dokumentation ihrer ärztlichen Handlungen tatsächlich erforderlich sind und

  • daß Mitarbeiter eines Versorgungsamtes nicht die Chance erhalten, die sie selbst betreffenden Anträge von einem anderen Amt als dem, bei dem sie beschäftigt sind, bearbeiten zu lassen.

Dem Datenschutzrecht entsprechen nach unserer Auffassung diese Entscheidungen nicht.

10.2

Schreibdienst im Krankenhaus


Im 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.8.3) hatten wir die Vergabe von Schreibarbeiten an Externe durch ein öffentliches Krankenhaus kritisiert. Aufgrund unserer Beanstandung wurde diese Praxis eingestellt. Hiervon haben aber offenbar nicht alle Krankenhäuser Kenntnis erhalten, denn auch in diesem Jahr erreichten uns wieder Beschwerden, und wir mußten erneut tätig werden, weil Arztbriefe auf privaten PC zu Hause geschrieben werden sollten.

10.3

Asylcard - vielleicht eine Lösung, aber wo ist das Problem?

Wir berichteten verschiedentlich (vgl. 17. TB, Tz. 4.1.3.4) über Pläne der Innenminister, mit einer "Asylcard" ein umfassendes Identifikations- und Informationspapier für asylsuchende Ausländer zu schaffen und wiesen darauf hin, daß die derzeitige Diskussion sich primär an den vorstellbaren technischen Möglichkeiten und den denkbaren Funktionen einer Chipkarte orientiert. Wir haben statt dessen eine Beschreibung der Aufgaben empfohlen, die durch eine Asylcard erfüllt werden sollen. Sie müßten Grundlage des Auftrags sein, der schließlich zu einer Machbarkeitsstudie führt. Die rechtlichen Grenzen und die Datenschutzgesichtspunkte sind schon bei der Aufgabenbeschreibung zu berücksichtigen. Nur so ist sicherzustellen, daß die "Macher" nicht der Faszination des technischen Mediums erliegen und im nachhinein Aufgaben suchen, die mit Hilfe dieser Technik gelöst werden können.

10.4

Schleswig-Holstein erhält bis auf weiteres keine eigene Rechtstatsachensammelstelle

Der Innenminister hat 1995 aufgrund unserer Anregungen zunächst die Einrichtung einer eigenen, wissenschaftlich begleiteten Rechtstatsachensammelstelle in Schleswig-Holstein zur Überprüfung polizeilicher Befugnisse in Aussicht gestellt (vgl. 18. TB, Tz. 10.1). Zwischenzeitlich hat er uns darüber in Kenntnis gesetzt, daß sich die schleswig-holsteinischen Polizeidienststellen nur an der beim Bundeskriminalamt (BKA) eingerichteten Bund-Länder-Fallsammlung beteiligen sollen. Auf die starken Zweifel an der Objektivität dieser Stelle hatten wir bereits im 18. Tätigkeitsbericht hingewiesen. Sie soll wohl vor allem der Sammlung spektakulärer Einzelfälle dienen, in denen Rechtsvorschriften hinderlich waren. Selbst unserer Anregung, bis zur Errichtung einer landeseigenen Sammelstelle die von den Dienststellen dem BKA zu meldenden Sachverhalte auch in Kopie bei einer Stelle innerhalb des Landes zu sammeln, um jedenfalls eine nachträgliche wissenschaftlich begleitete Auswertung dieses Materials zu ermöglichen, vermochte das Innenministerium nicht zu folgen. Bereits das Raster zur Erfassung der auszuwertenden Straftaten müsse nach den Gesichtspunkten der wissenschaftlichen Auswertung entwickelt werden. Dafür stünden ihm die Haushaltsmittel leider nicht zu Verfügung.

10.5

Auskunft auch bei laufenden Ermittlungsverfahren durch die speichernde Stelle

Im 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.2.3) hatten wir von einem Petenten berichtet, dem die Auskunft über die Datenspeicherungen zu seiner Person durch die Polizei verweigert wurde, da das Ermittlungsverfahren gegen ihn noch nicht abgeschlossen war. Wir hatten darauf hingewiesen, daß diese Praxis nicht mit dem Auskunftsanspruch nach dem Landespolizeirecht und dem Landesdatenschutzgesetz zu vereinbaren ist. Das Innenministerium sah sich zunächst nicht zur Abhilfe in der Lage, da eine Weisung des Generalstaatsanwalts entgegenstand. In einem klärenden Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt, dem Justizministerium und dem Innenministerium wurde nun festgelegt, daß der Betroffene in Zukunft auch bei der Polizei Auskunft über die dort über ihn gespeicherten Informationen erhält. Zuvor soll die Polizei bei der Staatsanwaltschaft Rückfrage halten, ob eine Auskunft die Zwecke des Ermittlungsverfahrens gefährdet.

10.6

Neugestalteter Anhörungsbogen läßt Umfang des Aussageverweigerungsrechtes klar erkennen


Im 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.2.2) haben wir bemängelt, daß die von der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung verwendeten Anhörungsbögen den Umfang des Aussageverweigerungsrechtes nicht klar wiedergaben. Das Innenministerium hat aufgrund unseres Hinweises nunmehr nach Abstimmung mit dem Justizministerium und der Generalstaatsanwaltschaft einen neugestalteten Anhörungsbogen vorgelegt. Mit diesem werden die gesetzlichen Vorgaben klar umgesetzt. Im ersten Teil werden die Pflichtangaben zur Person abgefragt, im zweiten Teil sollen weitere Angaben zur Person und den persönlichen Verhältnissen gemacht werden, wobei jedoch auf das Aussageverweigerungsrecht bezüglich dieser weitergehenden Fragen hingewiesen wird. Der dritte Teil ist den Angaben zum Tatvorwurf selbst vorbehalten. Positiv hervorzuheben ist auch, daß in dem neugestalteten Anhörungsbogen auf die routinemäßige Abfrage der Personenangaben zu den Eltern und dem Ehegatten des Beschuldigten verzichtet wird.

10.7

Noch fehlt die Verordnung im Umweltbereich

Im 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.5.2) hatten wir den Erlaß der Datenschutzverordnung im Umweltrecht angemahnt. Obwohl das Umweltministerium bei der parlamentarischen Erörterung des Tätigkeitsberichts ankündigte, daß noch 1996 mit einer Verordnung zum Landeswassergesetz zu rechnen sei, liegt diese bisher noch nicht vor.

10.8

Die Kreise als Träger der Abfallentsorgung und ihre Abfallwirtschaftsgesellschaften reagieren auf unsere Kritik

Offenbar haben sich mittlerweile alle Kreise, die das Inkasso der Abfallgebühren von einer Abfallwirtschaftsgesellschaft durchführen lassen, die von uns mit dem Kreis Schleswig-Flensburg erarbeitete Musterregelung (vgl. 18. TB, Tz. 4.5.1) zu eigen gemacht und die Datenverarbeitung mit den Gesellschaften vertraglich geregelt. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern mehrerer Kreise, des Umweltministeriums und des Landkreistages hat ein Muster einer kompletten Abfallwirtschaftssatzung einschließlich umfangreicher Datenverarbeitungsbestimmungen entwickelt.

10.9

Verweigerung der Akteneinsicht: Das Wirtschaftsministerium greift ein


Im letzten Tätigkeitsbericht schilderten wir den Fall eines Bürgers, der Einsicht in seine Kraftfahrzeug-Zulassungsakte nehmen wollte und trotz kostspieligen Prozesses und datenschutzrechtlicher Beanstandung diese zunächst nicht erhielt (vgl. 18. TB, Tz. 4.6.4). Auch nach unserer Beanstandung und weiterem Schriftwechsel blieb der Landrat bei seiner Meinung, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts verbiete, dem Betroffenen Akteneinsichtsrecht zu gewähren. Erst als sich der Verkehrsminister selbst in die Angelegenheit einschaltete, wurde dem Petenten die Möglichkeit eröffnet, nun doch Einsicht in seine Zulassungsakte zu nehmen. Das hat er inzwischen getan.

10.10

Verfassungsschutzbehörde realisiert Verbesserungsvorschläge

In unserem 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.3.2) haben wir über die Überschreitungen der gesetzlich festgeschriebenen Prüffristen für Datenspeicherungen durch die Verfassungschutzbehörde berichtet. Dieser Mangel ist inzwischen dadurch beseitigt worden, daß verfahrenstechnisch sichergestellt ist, daß in Frage kommende Datensätze mit einem bis zu sechsmonatigem Vorlauf listenmäßig ausgedruckt und hinsichtlich der Erforderlichkeit ihrer Weiterspeicherung geprüft werden. Weiterhin ist die Zulässigkeit von Datenspeicherungen, insbesondere zu Personen des politischen Extremismus, durch eine Arbeitsanweisung präziser festgelegt worden.

10.11

Datenaustausch zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen

Der bereits für 1996 geplante automatisierte Datenaustausch zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen ist bisher, u.a. wegen der Auseinandersetzungen über den Inhalt der Verträge noch nicht angelaufen. Die Vertreter der Zahnärzte waren gegen den Umfang des Datenaustausches Sturm gelaufen, da sie den "gläsernen Patienten" und natürlich auch den "gläsernen Zahnarzt" durch diesen Vertrag vorprogrammiert sahen (vgl. 18. TB, Tz. 4.8.2). Es finden zur Zeit gerichtliche Auseinandersetzungen und Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien statt, die im Ergebnis wohl zu einer deutlichen Verringerung des Datenprofils und damit einer Verbesserung des Datenschutzes führen werden.

10.12

Videoüberwachung im Straßenverkehr


In unserem 18. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.2.5) haben wir dargestellt, daß bei Videoaufzeichnungen im Rahmen der Verkehrsüberwachung nicht nur Verkehrssünder, sondern auch alle gesetzestreuen Autofahrer ohne Rechtsgrundlage erfaßt werden. Die Polizei hat ihr bisheriges Verfahren insoweit modifiziert, als bei der Auswertung der Videoaufnahmen festgestellte Verstöße nunmehr aus dem Überwachungsvideoband herauskopiert, auf einem separaten Videoband archiviert und alle nicht benötigten Bildsequenzen vernichtet werden. Darin liegt eine Verbesserung, wenngleich daran festzuhalten ist, daß mit Hilfe der Videotechnik von vornherein nur solche Verkehrsteilnehmer zulässigerweise erfaßt werden dürfen, gegen die zumindest ein Anfangsverdacht erkennbar ist. Da die Polizei in anderen Bundesländern entsprechend arbeitet, scheint ein derartiges Verfahren auch mit den praktischen Bedürfnissen der Polizeibehörden vereinbar.

10.13

Aids-Hinweise in der Justizvollzugsanstalt


Im 14. Tätigkeitsbericht (vgl. Tz. 4.3.2) war unter der Überschrift "Aids-Hinweise" über die Praxis berichtet worden, auf die HIV-Infektionen von Häftlingen in der Weise aufmerksam zu machen, daß in der Gefangenenpersonalakte an vorderster Stelle der Stempel angebracht wurde: "Vorsicht! Gesundheitsakten beachten". Als sachlicher Hinweis war diese Aufschrift untauglich, denn das Recht zur Einsicht in die Gesundheitsakten hat keineswegs jeder JVA-Bedienstete, der die Gefangenenpersonalakte in die Hand bekommt, sondern nur der Arzt. Allerdings war in der JVA allgemein bekannt, daß die Bemerkung nicht etwa eine Aufforderung zur Akteneinsicht bedeutete, sondern vielmehr als Hinweis auf eine HIV-Infektion zu verstehen war. Nachdem wir diese Praxis beanstandet hatten und in verschiedenen Tätigkeitsberichten immer wieder aufgreifen mußten (vgl. 15. TB, Tz. 4.3.3; 16. TB, Tz. 4.3.2), hat das Justizministerium nunmehr durch einen Erlaß festgelegt, daß keine Hinweise auf HIV-Infektionen in der Gefangenenpersonalakte mehr eingetragen werden dürfen. Nach wie vor sind allerdings der Anstaltsarzt und der Anstaltsleiter über die HIV-Infektion eines Gefangenen unterrichtet. Dem Anstaltsleiter obliegt es zu entscheiden, welche Mitarbeiter der Anstalt und welche weiteren Personen, die mit dem Gefangenen in Kontakt kommen, von der HIV-Infektion zu unterrichten sind. Dadurch soll gewährleistet sein, daß der möglichen Gesundheitsgefährdung Dritter weiterhin vorgebeugt wird, ohne daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Gefangenen mehr als unbedingt nötig beeinträchtigt wird.


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