16. Tätigkeitsbericht (1994)
4.3 |
Justizverwaltung |
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4.3.1 |
Noch ein Jubiläum: 10 Jahre Übergangsbonus für GAST |
Nach wie vor fehlt der staatsanwaltschaftlichen Datei GAST eine ausreichende Rechtsgrundlage. Jüngste Gesetzentwürfe aus dem Bereich der Justizministerkonferenz waren datenschutzrechtlich inakzeptabel. Jetzt ist das Land Schleswig-Holstein gefordert.
Immer noch wird die "Geschäftsstellenautomation der Staatsanwaltschaften" (GAST) ohne ausreichende Rechtsgrundlage
betrieben. In den Dateien der Staatsanwaltschaften werden alle in Schleswig-Holstein eingeleiteten Ermittlungsverfahren erfaßt und landesweit gespeichert. Insgesamt umfassen sie ca. 500.000 Datensätze. Auch im vergangenen Jahr ist es nicht gelungen, Rechtsgrundlagen dafür in die Strafprozeßordnung einzufügen. Der Entwurf ist in einer Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz datenschutzrechtlich höchst unbefriedigend. Neben vielen anderen Punkten haben wir hauptsächlich folgendes kritisiert:
Insgesamt ist festzustellen, daß die als Generalklausel für die Datenverarbeitung gedachte Vorschrift fast schrankenlos die beliebige Verwendung aller im Strafverfahren anfallenden Informationen zuließe. Damit würde sie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung uneingeschränkt hinter die Erfordernisse der behördlichen Aufgabenerfüllung zurückstellen. In der vorgesehenen Form würde das Gesetz eine weit über den derzeitigen Inhalt von GAST hinausgehende Datenspeicherung erlauben.
Immerhin sieht der Entwurf eine Löschungspflicht
für unzulässig gespeicherte Daten vor. Allein zur Unzulässigkeit kann es wegen der weitgefaßten Generalklauseln kaum kommen. Überdies fehlt eine Regelung, nach welcher Frist - auch unter Berücksichtigung der Fristen des Bundeszentralregistergesetzes
- die Daten generell gelöscht werden müssen.
Der Entwurf enthält mehrere Ausnahmen von der Löschungspflicht zu Gunsten eines "verhältnismäßigen Aufwandes". Sogar nach der Übermittlung falscher Informationen soll selbst beim Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des Betroffenen eine Richtigstellung unterbleiben dürfen, wenn sie "zu aufwendig" gewesen wäre.
Wen wunderte es dann letztlich noch, daß das Auskunftsrecht Betroffener geradezu spärlich bedacht werden soll. Anstatt den Umfang der zu erteilenden Auskunft zu regeln sowie Kostenfreiheit für Auskünfte zu gewähren, hat man nur daran gedacht, die Schriftform des Antrages im Gesetz zu regeln.
Die Vielzahl der aufgezeigten Probleme und Kritikpunkte macht überdeutlich, daß sich der Gesetzgeber keinesfalls darauf beschränken darf, ein Verfahren wie GAST einfach mit einigen Generalklauseln "abzusegnen". Bei den dort gespeicherten Daten geht es um Informationen über begangene bzw. häufig nur mutmaßlich begangene Straftaten, also um hochsensible Daten. Die Frage, wie lange auf solche Informationen zurückgegriffen werden kann, wer sie abrufen und an wen er sie weitergeben darf, kann für die Betroffenen buchstäblich von existentieller Bedeutung sein. Der Gesetzgeber steht also auch vor der Entscheidung, wie sich beispielsweise die Speicherfristen bei der Staatsanwaltschaft zu denen des Bundeszentralregisters verhalten sollen, ob es notwendig ist, daß jede Staatsanwaltschaft auf jedes abgeschlossene Verfahren - auch anderer Staatsanwaltschaften - zugreifen kann und wofür die abgerufenen Daten verwendet werden dürfen.
Mehrere Vorstöße des Justizministers des Landes mit dem Ziel, den Bundesgesetzgeber zu veranlassen, die Strafprozeßordnung entsprechend zu ergänzen, sind in den letzten Jahren gescheitert. Auch entsprechende Initiativen der Bundesregierung haben nicht zum Erfolg geführt. Nach diesen Erfahrungen kann trotz ständiger gegenteiliger Absichtserklärungen aus Bonn wohl kaum mit einer raschen und zufriedenstellenden Änderung der Rechtslage gerechnet werden.
Die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfes im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat der Justizminister bislang immer mit dem Hinweis abgelehnt, bei der Strafprozeßordnung handele es sich um Bundesrecht und der Bund bereite gerade entsprechende Gesetze vor. Diese Argumentation kann nicht mehr allzulange aufrecht erhalten werden.
Unbestritten gehört das Strafprozeßrecht zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Das Land kann also Rechtsvorschriften solange und soweit erlassen, wie der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch macht. Daß Landesgesetze in diesem Bereich durchaus möglich und sinnvoll sind, hat das Land Berlin unter Beweis gestellt. Ein Verfahren wie GAST wäre in Berlin durch die entsprechenden Vorschriften des Berliner "Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes"
gedeckt.
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4.3.2 |
Konsequenzen aus der Prüfung in den Justizvollzugsanstalten |
Justizminister verbessert den Datenschutz in den Justizvollzugsanstalten.
Bereits in den letzten beiden Tätigkeitsberichten (14. TB, S. 44 ff. und 15. TB, Tz. 4.3.3) haben wir uns ausführlich mit den von uns festgestellten datenschutzrechtlichen Defiziten im Strafvollzug befaßt. Leider ist auch zum Ende dieses Berichtszeitraumes festzustellen, daß es trotz mehrerer Anläufe dem Bundesgesetzgeber bis heute nicht gelungen ist, datenschutzrechtliche Vorschriften in das Strafvollzugsgesetz aufzunehmen.
Bei der Behebung der von uns aufgezeigten Schwachstellen bei der Erhebung, Speicherung, Übermittlung und Löschung personenbezogener Daten Gefangener und Dritter hat es gleichwohl auch im Berichtsjahr weitere Fortschritte gegeben:
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4.3.3 |
Wahrung der Persönlichkeitsrechte bei der Häftlingsüberwachung |
Auch bei der Überwachung inhaftierter Terroristen müssen die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Das Verfahren wird in Schleswig-Holstein modifiziert.
Im 13. Tätigkeitsbericht (S. 27) haben wir auf Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Überwachung von Gefangenen aus der terroristischen Szene (sogenannte Häftlingsüberwachung) hingewiesen.
Seinerzeit hatten wir erreicht, daß eine Übermittlung
von Daten aus der Häftlingsüberwachung an die Verfassungsschutzbehörde
nur zur Terrorismusbekämpfung und zur Verhütung der im Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) aufgeführten Straftaten in Betracht kommt. Unsere weiter gehenden Kritikpunkte am Verfahren der Häftlingsüberwachung blieben zunächst offen. Sowohl der Justizminister als auch der Innenminister haben inzwischen eingeräumt, daß ausschließlich der jeweiligen Justizvollzugsanstalt die Kompetenz zukommt, eine Überwachung der Besucher und des Schriftwechsels mit Gefangenen aus dem Terrorismusbereich anzuordnen. In der alleinigen Entscheidung der Anstalt liegt es auch, ob und inwieweit bei Überwachungsmaßnahmen gewonnene Erkenntnisse verwertet und Informationen an die Polizei weitergeleitet werden sollen. Anordnungskompetenz und die weitere Verarbeitung der bei der Häftlingsüberwachung anfallenden Daten finden ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, die der Justizminister durch Erlaß konkretisiert hat.
Die Anordnung der Besuchsüberwachung ist damit nur zulässig, soweit Sicherheits- und Ordnungsbelange der Anstalt
berührt sind. Weiterhin wurde festgelegt, daß alle Ersuchen der Anstaltsleitung an die Polizei um Amtshilfe im Rahmen der Häftlingsüberwachung entweder in der Gefangenenpersonalakte selbst oder in einem entsprechenden Beiheft zu dokumentieren
sind. Dies gilt auch für die Entscheidungsgründe für Mitteilungen an die Polizei aus der Besuchsüberwachung sowie aus Briefkontakten.
Eine Ablichtung der Ausweise von erstmaligen Besucherinnen und Besuchern sowie die Speicherung entsprechender Daten durch die Polizei erfolgt nicht mehr. Sichergestellt ist auch, daß Handschriftenproben anläßlich von Besuchskontakten nur noch im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen des Landesverwaltungsgesetz erhoben und gespeichert werden.
Dieser Erlaß des Justizministers trägt dazu bei, daß in Schleswig-Holstein die Verwaltungsvorschriften zur Häftlingsüberwachung auf das gesetzlich zugelassene Maß zurückgeführt werden.
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