4.4 Verkehr
4.4.1 StVG-Übermittlungsnorm verunsichert Polizei und Fahrerlaubnisbehörden
Die Polizei ist nach einer Vorschrift im Straßenverkehrsgesetz verpflichtet, der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen mitzuteilen, die aus Sicht der Polizei dauernde Fahreignungsbedenken nach sich ziehen.
Im Wortlaut:
§ 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz
Die Polizei hat Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist.
Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten.
Kontrollen bei Fahrerlaubnisbehörden zeigen: Die im Straßenverkehrsgesetz (StVG) vorgesehene pauschale Übermittlungsverpflichtung sorgt für Irritationen bei der Polizei. Die Praxis der Polizeidienststellen im Lande Schleswig-Holstein dazu könnte nicht unterschiedlicher sein. Polizeidienststellen übermitteln oft einen bunten Strauß von Informationen. Vom Drogen- bzw. Alkoholdelikt über Körperverletzungen bis zum Fahren ohne Fahrerlaubnis ist alles dabei. Dabei handelt es sich oftmals um geringfügige Delikte, die zudem keinen direkten Verkehrsbezug haben. Auch spielt es oft keine Rolle, ob die betroffene Person überhaupt im Besitz einer Fahrerlaubnis ist.
Besonders heikel ist die Übermittlungspraxis in Bezug auf Jugendliche, da Übermittlungen im Widerspruch zu den Intentionen des Jugendgerichtsgesetzes stehen können. Der Gesetzgeber wollte zwar, dass jugendliche Straftäter tatsächlich die Folgen ihres Handelns spüren. Die von den Jugendgerichten gefällten Urteile sollen den Jugendlichen aber nicht in anderen Bereichen angelastet werden und deren Zukunft versperren.
Die Fahrerlaubnisbehörden speichern Hinweise über Jugenddelikte, die sie von der Polizei erhalten haben, oft über Jahre hinweg, weil – so die Argumentation – anzunehmen sei, dass der Jugendliche irgendwann eine Fahrerlaubnis beantragen wird. Die langfristige Speicherung diene dem Zweck der Verkehrssicherheit, da nur Personen am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, die charakterlich und körperlich geeignet und befähigt seien. Die Informationen benachteiligen die Betroffenen aber zumeist unangemessen. Fahrerlaubnisbehörden werden z. B. aufgrund von Informationen tätig, die schon lange nicht mehr aktuell sind. Der Betroffene wird mit Vorkommnissen konfrontiert, die längst abgeschlossen sind und ihm auch nicht mehr vorgehalten werden dürfen.
So berechtigt das generelle Anliegen der Fahrerlaubnisbehörden sein mag, rechtfertigt es aber nicht pauschale und undifferenzierte Datenübermittlungen seitens der Polizei und langfristige Speicherungen dieser Informationen auf Vorrat bei den Fahrerlaubnisbehörden. Daher haben wir einen Dialog mit dem Verkehrsministerium und der Polizei begonnen, um Leitlinien zu formulieren, an denen sich Polizei und Fahrerlaubnisbehörden orientieren können.
Was ist zu tun?
Die Polizei muss in jedem Einzelfall prüfen, ob sie wirklich Tatsachen übermittelt, die auf eine dauernde Nichteignung für den Straßenverkehr schließen lässt. Die Fahrerlaubnisbehörden müssen die erhaltenen Informationen zeitnah auf ihre Erforderlichkeit prüfen. Langfristige Speicherungen sind zu vermeiden.
4.4.2 Chaos bei Zentralisierung der Führerscheindaten beim Kraftfahrt-Bundesamt
Der Zeitdruck, die Daten der Führerscheininhaber nur noch zentral beim Kraftfahrt-Bundesamt zu speichern und die örtlichen Datenbestände bei den Fahrerlaubnisbehörden aufzulösen, führt offensichtlich zu Problemen. Nicht genügend durchdachte technische Konzeptionen erschweren diese Umstellung und bergen die Gefahr von Datenverlusten.
Unsere schlimmsten Bedenken bezüglich des Vorhabens, beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Datenverarbeitung der Fahrerlaubnisbehörden (FEB) zu zentralisieren (28. TB, Tz. 4.4.3), scheinen sich zu bewahrheiten.
Vorgeschichte
Bei der Neuregelung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) im Jahre 1998 wurde festgelegt, dass die bei den örtlichen FEB gespeicherten Daten der Führerscheininhaber zukünftig nur noch zentral beim KBA gespeichert werden sollen. Alle FEB sollen zukünftig ihre Daten dort abspeichern und auch ändern oder löschen dürfen. Für die Umstellung sah der Gesetzgeber eine Übergangsfrist von fünf Jahren vor. Diese Frist wurde bis Ende 2006 verlängert. Nun sollten nur noch die Daten der Kartenführerscheininhaber gelöscht werden. Die anderen Daten sollen zunächst in den örtlichen Registern bleiben, bis hierfür auch Kartenführerscheine ausgestellt werden. Grund dafür war, dass die FEB bisher erst circa 60 % der Daten überhaupt an das KBA abgeben konnten. Es gibt nämlich keinen Zwangsumtausch der alten Papierführerscheine zu den neuen Kartenführerscheinen. In den vergangenen sechs Jahren wurden nur die Daten von Betroffenen übermittelt, die einen neuen Führerschein erhielten. Alle anderen Führerscheininhaber sind bisher nicht im Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) erfasst. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hatten bereits anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes vor den absehbaren technischen und organisatorischen Schwierigkeiten gewarnt und auf unzureichende Regelungen hingewiesen. Die Vorbehalte wurden jedoch nicht berücksichtigt.
Aktuelle Situation in Schleswig-Holstein
Nur ein Teil der FEB hat die Daten der Führerscheininhaber überhaupt vollständig in ihren örtlichen elektronischen Systemen gespeichert. Viele Daten von Altführerscheininhabern werden noch auf Karteikarten vorgehalten. Dies erschwert ein schnelles Überführen in das zentrale Register zusätzlich. Die Daten können dem Kraftfahrt-Bundesamt nicht übermittelt werden, weil sie elektronisch gar nicht verfügbar sind. Diese Situation scheint sich nunmehr – auch wegen des gesetzlichen Zeitdrucks – zu einem Debakel zu entwickeln:
- Bevor die Löschung der Daten über Kartenführerscheininhaber in den örtlichen FEB erfolgt, müssten die bereits beim KBA gespeicherten Informationen nochmals auf Richtigkeit überprüft werden. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass eine nicht geringe Anzahl unrichtig ist.
- Die Daten der Altführerscheininhaber in den EDV-Systemen der örtlichen FEB verbleiben weiterhin dort. Für die Richtigkeit dieser Daten können die örtlichen FEB jedoch oftmals ohnehin nicht garantieren. Bei der Übernahme der Informationen von den Karteikarten gab es immer wieder Übertragungsfehler. Für einen zeitnahen Abgleich der einzelnen elektronisch gespeicherten Datensätze mit den alten Karteikarten fehlen den FEB die personellen Kapazitäten.
- In den Führerscheindatenbeständen der örtlichen FEB befinden sich zudem eine unbekannte Anzahl von Führerscheindaten, die schon hätten gelöscht werden können, weil der Fahrerlaubnisinhaber verstorben ist.
Die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung, die Daten der Kartenführerscheininhaber aus den örtlichen Fahrerlaubnis-Registern bis Ende 2006 zu löschen, dürfte noch Jahre dauern. Die örtlichen Register gänzlich aufzulösen, liegt in ferner Zukunft.
Die Folgen
Zukünftig sind die FEB gezwungen, in zwei unterschiedlichen Verzeichnissen nachzuschauen, ob eine Person im Besitz einer Fahrerlaubnis ist. Dabei ist nicht sichergestellt, dass diese Informationen auch tatsächlich richtig sind. Obwohl dies alles bekannt ist, wird die Zentralisierung der Führerscheindaten ohne Berücksichtigung dieser Umstände weiter fortgeführt. Dies hat für die Betroffenen zur Folge, dass ihre Daten unter Umständen falsch gespeichert sind, ohne dass die Richtigkeit nachvollzogen werden könnte, oder dass die Nachweise über die Fahrerlaubnis vollständig verloren gehen.
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben eine Arbeitsgruppe gebildet, die in Zusammenarbeit mit dem KBA und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik nach Wegen sucht, die Richtigkeit, Authentizität und Rechtmäßigkeit der Daten der Betroffenen sicherzustellen.
Was ist zu tun?
Die aktuellen beschleunigten Zentralisierungsbemühungen, die übrigens auch im Bereich der Kfz-Zulassung verfolgt werden, müssen ausgesetzt werden. Nur über eine gemeinsame Planung und eine geordnete Datenüberführung kann der Anspruch der Betroffenen auf fehlerfreie Speicherung ihrer personenbezogenen Informationen gewährleistet werden.
4.4.3 Fahrerlaubnisbehörden sind überwiegend gut aufgestellt
Die Kontrolle von vier Fahrerlaubnisbehörden zeigte, dass diese mittlerweile die rechtlichen Vorgaben des Straßenverkehrsgesetzes und des Landesdatenschutzgesetzes gut umgesetzt haben.
Wir konnten feststellen, dass die Akten zu Betroffenen, denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, mittlerweile nur noch so lange aufbewahrt werden, wie es der Gesetzgeber fordert. Dies war in der Vergangenheit ein häufiger Kritikpunkt von unserer Seite gewesen. Aktenbestände, die auch höchst sensible medizinisch-psychologische Gutachten enthalten, werden inzwischen überall so sicher aufbewahrt, dass ein Zugang Unbefugter verhindert wird.
Die Speicherung von Daten, die die Fahrerlaubnisbehörden über möglicherweise ungeeignete Fahrzeugführer von den Polizeidienststellen erhalten, wird in den Fahrerlaubnisbehörden dagegen unterschiedlich gehandhabt. Hier zeigt sich, dass es unbedingt erforderlich ist, einheitliche Regelungen zu finden (Tz. 4.4.1).
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