23. Tätigkeitsbericht (2001)
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Informationsfreiheit |
12.1 |
Informationsfreiheitsgesetz in Kraft
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Zeitgleich mit der Novelle des LDSG verabschiedete der Landtag das "Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein" - das Informationsfreiheitsgesetz Schleswig-Holstein (IFG).
Schon im Rahmen der Verfassungsreform 1997 hatten wir die Aufnahme eines Grundrechts auf "Teilhabe an der Informationsgesellschaft" in die Landesverfassung vorgeschlagen. Damit sollte den gesellschaftlichen Auswirkungen der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik Rechnung getragen werden. Der neu aufzunehmende Artikel sollte u. a. bewirken, dass die Informationen aus dem öffentlichen Bereich allen zugänglich sind, soweit nicht schützenswerte Interessen Dritter oder das Wohl der Allgemeinheit dem entgegenstehen. Zwar hatte der Sonderausschuss "Verfassungsreform" die Aufnahme eines solchen Artikels empfohlen, doch die für eine Verfassungsänderung erforderliche Mehrheit kam im Landtag nicht zustande (vgl. 20. TB, Tz. 3.1).
Nachdem Brandenburg und Berlin mit Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzen vorangegangen sind, war die Zeit für einen allgemeinen Anspruch auf Informationszugang offenbar auch hier reif. Nicht zuletzt mit Blick auf die in Skandinavien schon seit Jahrzehnten geltenden vergleichbaren Gesetze legte der SSW im Frühjahr 1999 einen entsprechenden Entwurf für Schleswig-Holstein
vor. Im November 1999 präsentierte dann auch das Innenministerium einen Gesetzentwurf, der das allgemeine Recht auf Informationszugang im Landesverwaltungsgesetz unterbringen wollte. Im Rahmen der schriftlichen Anhörung haben wir eine vergleichende Stellungnahme, die sich im Ergebnis für ein eigenständiges Informationsfreiheitsgesetz aussprach, gefertigt. So sah es auch der Innen- und Rechtsausschuss und empfahl dem Landtag die Verabschiedung des SSW-Entwurfs mit leichten Modifikationen. Das IFG wurde verabschiedet und trat am 25.02.2000 in Kraft. |
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Schleswig-Holstein befindet sich mit seinem Informationsfreiheitsgesetz in Übereinstimmung mit der europäischen Rechtsentwicklung. Auch der Bund und andere Länder haben angekündigt, den Zugang zu den Verwaltungsinformationen zu eröffnen. Art. 255 der EU-Verträge enthält bereits ein allgemeines Zugangsrecht zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Die EU hat angekündigt, bis Mai 2001 den Zugang zu den Informationen ihrer Organe zu eröffnen. |
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12.2 |
Worum geht es beim Informationsfreiheitsgesetz?
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Mit der Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes hat der Landtag die öffentliche Verwaltung in Schleswig-Holstein vor völlig neue Aufgaben gestellt. Das darin enthaltene allgemeine Informationszugangsrecht bricht mit der Tradition der beschränkten Aktenöffentlichkeit.
Die Informationszugangsgesetze führen eine bislang nicht gekannte Öffentlichkeit der Verwaltung ein, indem sie einen verfahrensunabhängigen und voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch
für alle Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Verwaltungen schaffen. In Zukunft muss nicht mehr das Akteneinsichtsgesuch begründet werden, sondern dessen Ablehnung. Dahinter steht die Absicht, die Arbeit der Behörden transparenter zu machen und die individuellen Möglichkeiten der Partizipation am politischen Prozess zu verbessern. Die Zeiten, in denen sich der Beitrag der Bürgerinnen und Bürger zur Gestaltung ihrer Gesellschaft auf die Wahlen beschränkte, sollen der Vergangenheit angehören.
So gegensätzlich die Anliegen der Informationsfreiheit und des Datenschutzes auf den ersten Blick sind, so eng sind sie miteinander verknüpft und voneinander abhängig. Letztlich basiert die Informationsfreiheit ebenso wie der Datenschutz auf dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Abwehrrecht zum Erhalt der eigenen Verfügungsbefugnis über die persönlichen Daten setzt ein Recht auf Teilhabe an der Informationsgesellschaft voraus, denn nur wer hinreichend informiert ist, kann von seinen Rechten auch sinnvoll Gebrauch machen und an der politischen Mitgestaltung mündig teilnehmen. Das Gemeinwesen muss seine Bürgerinnen und Bürger daher in die Lage versetzen, sich über relevante Vorgänge ausreichend informieren zu können.
Selbstverständlich müssen die Zielsetzungen eines umfassenden Informationszugangs mit den Schutzzwecken des Datenschutzrechts harmonisieren. Die Behörden müssen die Gewissheit haben, dass sie sich bei einer informationsfreundlichen Gesetzesanwendung nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen des Datenschutzes
stellen. Das Informationsfreiheitsgesetz berücksichtigt dies, indem es den Zugang zu Informationen restriktiv regelt, sobald personenbezogene Daten Dritter betroffen sind. Daneben schützt es auch die privaten Belange von Unternehmen. Vor einer Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen muss genau geprüft werden, inwieweit ein Zugang gewährt werden kann, ohne die wirtschaftlichen Interessen des betroffenen Unternehmens zu beeinträchtigen.
Schließlich schafft das Gesetz auch einen Ausgleich zu etwaigen entgegenstehenden öffentlichen Belangen. Neben der Rechtsdurchsetzung in laufenden Justizverfahren sind hier insbesondere die Beziehungen zu anderen Staaten und Ländern, die Landesverteidigung und die innere Sicherheit zu nennen. Ferner bleiben auch solche Informationen vorenthalten, deren Bekanntgabe die Eigenverantwortlichkeit und Funktionsfähigkeit der Regierung oder den Erfolg behördlicher Entscheidungen gefährden kann. |
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12.3 |
Die Rolle des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz
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Ähnlich wie in Kanada, Brandenburg und Berlin ist auch in Schleswig-Holstein das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz für die Klärung von Streitfragen in dem Bereich des Informationszuganges zuständig.
Das Gesetz sieht vor, dass sich die Bürgerinnen und Bürger an den Landesbeauftragten für den Datenschutz - seit dem 01.07.2000 an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz
- wenden können, wenn sie der Meinung sind, dass ihr Informationsersuchen nicht rechtmäßig oder sonst wie unzureichend behandelt worden ist.
Neben diesen Aufgaben und Befugnissen steht für uns auch hier der Servicegedanke im Vordergrund:
auf der Homepage des ULD: www.datenschutzzentrum.de/informationsfreiheit/ im virtuellen Datenschutzbüro: http://www.datenschutz.de/recht/informationsfreiheit/ |
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Schließlich bietet die DATENSCHUTZAKADEMIE Schleswig-Holstein
eigenständige Kurse zum Informationsfreiheitsgesetz an, um den mit dieser Thematik befassten Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern eine Fortbildungsmöglichkeit zu bieten. |
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12.4 |
Zusammenarbeit mit anderen Informationsbeauftragten
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Die bislang gesetzlich bestellten Beauftragten für Akteneinsicht und Informationszugang der Länder Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein haben Ende August 2000 in Kiel die "Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten in Deutschland" (AGID) gegründet und in diesem Rahmen eine regelmäßige Zusammenarbeit vereinbart.
Die Arbeitsgemeinschaft soll selbstständig neben der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bestehen und sich über die datenschutzrechtlichen Bezüge hinaus mit allgemeinen und speziellen Fragen des Informationszugangs befassen. Die Mitglieder der AGID stehen den mit der Informationsfreiheit verbundenen Prinzipien der Verwaltungsöffentlichkeit und -transparenz positiv gegenüber. Auf dieser Basis wurde vereinbart, nicht nur zu Anwendungsproblemen der Akteneinsichts- und Informationsfreiheitsgesetze Stellung zu nehmen, sondern sich bei Bedarf auch zu "artverwandten" Regelungen wie denen des Umweltinformationsgesetzes oder auch speziellen Akteneinsichtsrechten zu äußern. Eine weitere Sitzung der AGID hat im Dezember vergangenen Jahres in Potsdam stattgefunden und sich mit dem Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes befasst.
Neben der Arbeitsgemeinschaft wurde ein Arbeitskreis eingesetzt, in welchem Detailfragen behandelt werden. Der Arbeitskreis tagte erstmalig im September 2000 in Kiel. Er unterzog dabei die bestehenden Landesgesetze einem Rechtsvergleich. Die Teilnehmer hatten Gelegenheit, von ihren ersten Erfahrungen, Erfolgen und Schwierigkeiten zu berichten. Trotz der zum Teil recht großen Unterschiede zeichnet sich hier auf der Grundlage der übereinstimmenden Gesetzesanliegen eine fruchtbare Zusammenarbeit ab. |
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12.5 |
Beratung von Bürgerinnen, Bürgern und Behörden |
12.5.1 |
Zusammenarbeit mit Behörden
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Das Informationsfreiheitsgesetz stellt ein Novum für die schleswig-holsteinischen Behörden dar. Entsprechend intensiv ist der Beratungsbedarf. Behörden und Bürger möchten in Erfahrung bringen, welche konkreten Pflichten und Rechte das Informationsfreiheitsgesetz für sie bringt.
Die kommunalen Spitzenverbände der Gemeinden, Ämter und Städte unterstützen ihre Mitgliedskörperschaften bei der Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes und haben uns dabei in die Diskussion und den Erfahrungsaustausch eingebunden. Der Städteverband gab uns sowohl das Ergebnis einer von ihm durchgeführten Umfrage bei seinen Mitgliedern als auch eine bei der Hansestadt Lübeck erarbeitete Handreichung zum Informationsfreiheitsgesetz zur Kenntnis. Auf Bitte des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetages (SHGT) wurde von uns sowohl auf der Herbsttagung der Bürgermeisterfachkonferenz als auch auf einer Sitzung des Rechts- und Verfassungsausschusses das Gesetz vorgestellt und anschließend mit den Teilnehmern diskutiert. Schließlich haben wir auf Bitte des SHGT aus unserer Sicht die ersten Erfahrungen in dessen Zeitschrift "Die Gemeinde" zusammengefasst. Alles in allem stellen sich die von den Behörden festgestellten Probleme aus unserer Sicht als typische Anlaufschwierigkeiten
dar, die sich bei der Befassung mit einer neuen Rechtsmaterie regelmäßig einstellen und mit zunehmender Erfahrung bewältigen lassen.
Das Landesamt für Denkmalpflege bat uns darum, bei der Erstellung eines Arbeitspapiers behilflich zu sein, welches das Informationsfreiheitsgesetz für die Denkmalschutzbehörden umsetzt. Die daraufhin erstellten "Hinweise zum Umgang mit Bürgeranträgen auf Akteneinsicht" befassen sich u. a. mit dem Verhältnis des Informationsfreiheitsgesetzes zu den Datenschutzvorschriften und Einsichtsregelungen im Denkmalschutzgesetz sowie zur Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren.
Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur bat uns um Stellungnahme zu der Frage, ob bzw. inwieweit auch öffentliche Schulen dem Informationsfreiheitsgesetz unterliegen. Diese Frage stellte sich, weil das Informationsfreiheitsgesetz in seiner Anwendung auf die Behörden im Sinne des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts beschränkt ist, während das LDSG daneben auch "sonstige öffentliche Stellen" erfasst. Nach dem Wortlaut des Schulgesetzes sind Schulen nur teilweise Behörden und im Übrigen als nicht rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts dem jeweiligen Schulträger zuzurechnen. Dies hätte mit Blick auf das Informationsfreiheitsgesetz zu einer wenig plausiblen und unpraktischen Aufspaltung der schulischen Zuständigkeiten geführt. In Übereinstimmung mit einer Entscheidung des OVG Schleswig aus dem Jahre 1992 gehen wir davon aus, dass die öffentlichen Schulen insgesamt als Behörden anzusehen sind, sobald sie im Bereich der so genannten "inneren Schulangelegenheiten" selbstständig ihre Aufgaben wahrnehmen.
Im Zusammenhang mit dem gebotenen Schutz personenbezogener Daten erreichten uns u. a. folgende Anfragen:
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In Anlehnung an die Regelungen des LDSG über die Übermittlung von Daten an Private sieht auch das Informationsfreiheitsgesetz vor, dass personenbezogene Daten unter bestimmten Voraussetzungen offenbart werden dürfen. Eine dieser Ausnahmen liegt vor, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse geltend machen kann, weil er etwa gegen den datenschutzrechtlich Betroffenen einen Anspruch verfolgt, der sich aus einer konkreten Rechtsbeziehung ergibt. Dies konnte in den beiden ersten hier geschilderten Fällen angenommen werden, weil konkrete vertragliche Beziehungen bestanden. Ob die Offenbarung trotz des bestehenden rechtlichen Interesses an etwaigen überwiegenden Belangen des Betroffenen scheitern musste, war von den Behörden noch zu prüfen. Im dritten Fall fehlte es an einem solchen konkreten Rechtsverhältnis; die Antragsteller wollten sich nur allgemein über die Rechtspraxis informieren. Der Behörde musste deshalb geraten werden, die erbetenen Informationen nur in anonymisierter Form herauszugeben oder - falls dies wegen der verbleibenden Grundstücksbezogenheit der Informationen nicht möglich war - ersatzweise nur eine statistikähnliche Auskunft über die Genehmigungspraxis zu erteilen. |
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12.5.2 |
Bürgeranfragen
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Das Informationsfreiheitsgesetz hat keineswegs zu einem Massenansturm auf die Amtsstuben geführt. Allerdings ist es bei vielen Bürgerinnen und Bürgern auf breites Interesse gestoßen. Sie lassen sich auch schon im Vorfeld konkreter Informationsbegehren von uns beraten.
Folgende Beispiele erscheinen berichtenswert:
Darf ein Gemeindevertreter unter Verweis auf seine mit diesem Amt verbundene Verschwiegenheitspflicht bei einem allgemeinen Informationsgesuch anders behandelt werden als andere Bürgerinnen und Bürger? Natürlich nicht. Als Gemeindevertreter
steht ihm nach der Gemeindeordnung ein amtsbezogenes Akteneinsichtsrecht zu, soweit dies für seine Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Dabei gelten andere Voraussetzungen und Grenzen als beim allgemeinen Informationszugangsrecht. Ein Konkurrenzverhältnis in dem Sinne, dass eine Regelung die andere verdrängt, kann nicht angenommen werden. Ist eine Erforderlichkeit für die Akteneinsicht nach dem speziellen Recht nicht gegeben oder beruft sich der Gemeindevertreter von vornherein nur auf das allgemeine Informationszugangsrecht, wird ihm die Akteneinsicht nicht in seiner Funktion und nach dem speziellen Recht, wohl aber als "Jedermann" nach dem Informationsfreiheitsgesetz gewährt - allerdings auch nur in dem Umfang und unter den Bedingungen, die das Informationsfreiheitsgesetz vorsieht. Es besteht damit auch keine Notwendigkeit, einen Auskunftssuchenden an seine - aus ganz anderen Gründen bestehende - Verschwiegenheitspflicht zu erinnern. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich für die Inhaber solcher besonderen Zugangsrechte allerdings, von vornherein klarzustellen, in welcher Funktion die Informationen nachgefragt werden. |
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Kann ein Bürger Einsicht in Sitzungsprotokolle eines Naturschutzbeirates verlangen, obwohl die Sitzungen nach der geltenden Naturschutzbeiratsverordnung grundsätzlich nichtöffentlich sind und eine Teilnahme von Dritten nur auf Antrag und bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zugelassen werden kann? Nähere Regelungen über den Zweck des Ausschlusses der Öffentlichkeit und des Umgangs mit Einsichtsbegehren hinsichtlich der Sitzungsprotokolle existieren im Naturschutzrecht des Landes nicht. Bei einem so pauschal formulierten Ausschluss der Öffentlichkeit kann unseres Erachtens nicht darauf geschlossen werden, dass auch der Zugang zu den in den Protokollen enthaltenen Informationen grundsätzlich zu verwehren ist. Eine Ablehnung des Zugangsantrags kommt nur infrage, wenn die protokollierte Beratung des Beirats vertraulich
war. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. |
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12.6 |
Konfliktfälle
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Schon bei der Bearbeitung der ersten Eingaben zeigte sich die ganze Bandbreite der Fragestellungen zum Informationsfreiheitsgesetz. So aufgeschlossen und kooperativ sich manche Behörden verhielten, so ablehnend zeigten sich manch andere.
Eine der ersten Eingaben betraf den Antrag des "Menschenrechtsbüros der Scientology Kirche e. V." auf Informationszugang beim Sektenbeauftragten des Landes. Dessen Aufgabe ist es, die Betätigungen von Sekten oder sektenähnlichen Vereinigungen zu dokumentieren und darüber zu informieren, sobald der Verdacht besteht, dass von deren Aktivitäten Gefahren für Dritte ausgehen. Allein zum Thema "Scientology" werden dort insgesamt 34 Ordner geführt.
Über den Antrag hatte der Sektenbeauftragte innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen entschieden, jedoch die begehrte Einsicht nur zum Teil gewährt. Soweit Unterlagen aus den Ordnern nicht zugänglich gemacht werden sollten, wurden diese aussortiert und in einem neuen Ordner "V" (vertraulich)
abgelegt. Im Bereich der öffentlichen Belange wurde die Ablehnung des Zugangs im Wesentlichen auf den Schutz der Beziehungen zu anderen Ländern und zum Bund, auf den Schutz vertraulicher Beratungsprotokolle sowie auf die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung gestützt. Daneben sind in den Unterlagen auch personenbezogene Daten von Betroffenen und Rat Suchenden enthalten, die ebenfalls ausgenommen wurden. Bezüglich dieser vorenthaltenen Informationen hat die Scientology Kirche e. V. uns um Überprüfung gebeten.
Sämtliche "V-Ordner" wurden daraufhin noch einmal durchgesehen und die darin enthaltenen Dokumente einzeln bewertet. Es hat sich gezeigt, dass im Ergebnis weitere Informationen hätten zugänglich gemacht werden können. Wir haben ein umfangreiches Prüfungsprotokoll erstellt, aus dem ersichtlich ist, in welchen Fällen der Scientology Kirche e. V. nach unserer Auffassung weitere Unterlagen zustanden und bezogen auf welche Dokumente Meinungsdifferenzen zwischen dem Sektenbeauftragten und uns verblieben sind.
Schwerpunkt der Diskussion war die Frage, inwieweit eine Schädigung der Beziehung zu anderen Ländern oder zum Bund zu befürchten ist, wenn Dokumente offenbart werden, die der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin, der Staatskanzlei oder einem Ministerium im Rahmen länderübergreifender Zusammenarbeit aus anderen Ländern zwecks Information oder Diskussion zugesandt bzw. überlassen worden sind. Hier ist zu bedenken, dass die Offenbarung solcher Informationen schon dann zu einer Schädigung der Beziehung führen kann, wenn sie gegen den Willen der Verfasser bzw. betroffenen Stellen erfolgt. Der Vertrauensschutz
für die jeweiligen Stellen des Bundes und der Länder muss deshalb prinzipiell beachtet werden. Eine Offenbarungspraxis, die auf etwaige Bekundungen oder Absprachen oder auch auf die rechtliche Situation der betroffenen Stellen keine Rücksicht nähme, liefe Gefahr, das Land zu isolieren. Wir haben die Zugangsverweigerung akzeptiert, wenn glaubhaft gemacht werden konnte, dass die Offenbarung von Dokumenten mit länderübergreifender Bedeutung zu den genannten Folgen führen würde. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass das Informationsfreiheitsgesetz eine eigenständige Entscheidung der schleswig-holsteinischen Behörden verlangt und diese nicht nur von der Zustimmung anderer Stellen abhängig gemacht werden kann.
Inzwischen haben die Scientologen auch Einblick in die Unterlagen genommen, die nach unserer Einschätzung zusätzlich zugänglich zu machen waren.
Ein Petent hatte sich beim Eingabenausschuss des Landtages über bestimmte Entscheidungen einer Staatsanwaltschaft beschwert. Der Generalstaatsanwalt wurde als dienstaufsichtsführende Behörde vom Eingabenausschuss um eine Stellungnahme gebeten. Der Petent beantragte daraufhin beim Generalstaatsanwalt Einsicht in dessen Unterlagen zum Eingabeverfahren, was dieser ablehnte.
Wir haben uns der Meinung des Generalstaatsanwalts angeschlossen. Das Informationsfreiheitsgesetz findet auf Gerichte und Strafverfolgungsbehörden keine Anwendung, soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig sind. Dies bezieht sich nicht nur auf die unmittelbare Strafverfolgung, sondern gilt auch für den Generalstaatsanwalt, wenn er sich im Rahmen seiner Stellung als Dienstaufsichtsbehörde
auf einzelne Ermittlungsverfahren beziehen muss, die bei einer Staatsanwaltschaft geführt worden sind - unabhängig davon, ob die betreffenden Verfahren bereits abgeschlossen sind.
Ein Gemeindebewohner zeigte bei der Unteren Abfallentsorgungsbehörde des Kreises einen abfallrechtlich relevanten Sachverhalt an und bat um Tätigwerden. Die Behörde führte einen Ortstermin durch und forderte den verantwortlichen Eigentümer des Grundstücks zur Abfallbeseitigung auf. Die vom Anzeigenerstatter erbetene Kopie des an den Eigentümer gerichteten Schreibens wurde ihm versagt, weil er an dem Verfahren nicht beteiligt sei und es sich um personenbezogene Daten handele, die auch nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes nicht herausgegeben werden dürften. Im Übrigen sei ihm bereits Auskunft erteilt worden.
Wir wiesen den Kreis darauf hin, dass nicht das Informationsfreiheitsgesetz des Landes, sondern das speziellere Umweltinformationsgesetz
des Bundes einschlägig war, welches an den Schutz personenbezogener Daten Dritter weniger hohe Anforderungen stellt als das Informationsfreiheitsgesetz. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am freien Zugang zu den Umweltinformationen und der geschützten Persönlichkeitssphäre des abfallrechtlich Verantwortlichen war zu berücksichtigen, dass der Petent die wesentlichen schutzwürdigen Daten ohnehin schon kannte und somit der Eingriff in die Rechte des Betroffenen nicht sehr schwerwiegend war. Die Behörde verwies darauf, dass es nach dem Umweltinformationsgesetz in das Ermessen der Behörden gestellt sei, in welcher Form dem Informationsbegehren nachgekommen wird, und zog sich darauf zurück, dass sie sich im Rahmen des Auswahlermessens dafür entschieden habe, dem Petenten nur eine Auskunft zu erteilen. Dem Petenten blieb nur der Rechtsweg.
Eine kreisangehörige Stadt plante den Neubau einer Grundschule und lobte hierfür einen beschränkten Realisierungswettbewerb aus. Die eingereichten Angebote enthielten Kostenberechnungen, Kalkulationen und Pläne. Am Abgabetermin wurden die Angebote im Beisein des Bürgermeisters, der Mitbewerber und städtischer Mitarbeiter geöffnet und verlesen. Die anschließenden Beratungen der Ausschüsse über die Entwürfe und die Kostenkalkulationen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nachdem der Hauptausschuss über die Vergabe des Auftrags entschieden hatte, musste der unterlegene Architekt in der Presse lesen, dass sein Angebot um Längen teurer gewesen sein sollte als das seines Konkurrenten. Weil er dies nicht so recht glauben wollte, begehrte er Einsicht in die eingereichten Unterlagen seines Konkurrenten. Dies wurde ihm mit der Begründung verwehrt, dass es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele, die nicht offenbart werden dürften.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse können dem Informationsrecht nur entgegenstehen, wenn es um nicht offenkundige Tatsachen geht, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen und die den Gegenstand eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses des Unternehmers bilden. Wir haben die Stadt darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung eines darauf gerichteten Zugangsantrags zu berücksichtigen ist, dass die jeweiligen Merkmale allein zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt vorliegen müssen. Insbesondere an dem erforderlichen Geheimhaltungswillen des Unternehmens kann es fehlen, wenn bereits eine gemeinsame Eröffnung der Angebote stattgefunden und die Kommune den Auftrag schon erteilt hat. Selbst bei Annahme eines Geheimnisses wären ferner die Interessen des Unternehmens gegen das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit abzuwägen.
Hinsichtlich des öffentlichen Interesses haben wir auf die finanzielle und gesellschaftliche Bedeutung eines Schulneubaus hingewiesen. Die Öffentlichkeit darf sich dafür interessieren, ob die Stadt zwischen inhaltlich gleichwertigen Angeboten entschieden hat, ob die Angebote die geltenden Vorgaben und Richtlinien einhalten und ob das Auswahlverfahren insgesamt wettbewerbs- und sachgerecht durchgeführt worden ist. Sowohl bei der Vergabe öffentlicher
Aufträge als auch im Beschaffungswesen kommt dem Recht auf Informationszugang eine wichtige Rolle zu. Wenn Politik und Verwaltung mit einer größeren Kontrolle von außen rechnen müssen, wird auch das Maß der Eigenkontrolle steigen. Die gesteigerte Transparenz fördert daher nicht nur das Kostenbewusstsein, sondern ist zugleich ein Instrument sowohl zur Korruptionsprävention als auch zur Bekämpfung der Korruption. Nach unserer Vermittlung hat die Stadt ihre Rechtsauffassung revidiert und sich bereit erklärt, dem Antrag des Petenten stattzugeben.
Die Bewohner einer amtsangehörigen Gemeinde müssen in regelmäßigen Abständen ihr Brunnenwasser
untersuchen lassen, weil ihre Grundstücke nicht an die zentrale Trinkwasserversorgung angeschlossen sind. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Genuss des Brunnenwassers gesundheitsschädlich sein könnte, muss zum Zwecke der Gefahrenabwehr nach der geltenden Trinkwasserverordnung eine so genannte "erweiterte" Untersuchung veranlasst werden.
Im Rahmen der Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit dieser Verpflichtung beantragte ein Bewohner der Gemeinde bei der zuständigen Kreisgesundheitsbehörde eine "vollumfängliche" Auskunft über die Ergebnisse der in seiner Gemeinde durchgeführten erweiterten Untersuchungen und berief sich dabei auf das Umweltinformationsgesetz. Nachdem er vom Kreis lediglich eine allgemeine "Beanstandungsquote" mitgeteilt bekommen hatte, wandte er sich an das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Dieses verwies auf datenschutzrechtliche Hindernisse, weil sich die Gutachten auf private Einzelbrunnen bezögen.
Wir haben die Kreisgesundheitsbehörde darauf hingewiesen, dass das hier einschlägige Umweltinformationsgesetz kein pauschales Verbot der Offenbarung personenbezogener Daten enthält, sondern den Zugang nur verwehrt, wenn durch das Bekanntwerden der personenbezogenen Daten schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. Um etwaige persönliche Interessen des Betroffenen zu ermitteln, wäre dieser zuvor anzuhören. Um sich dieses Verfahren zu ersparen und dennoch sowohl den datenschutzrechtlichen Belangen der betroffenen Brunnenbesitzer als auch dem berechtigten Informationsinteresse des Petenten gerecht zu werden, haben wir vorgeschlagen, die Untersuchungsergebnisse von vornherein durch Trennung von den personen- bzw. grundstücksbezogenen Daten zu anonymisieren bzw. so zusammenzufassen, dass sich auch für ortskundige Leser kein Personenbezug mehr herstellen lässt.
Ein Petent wollte sich über die Haushaltslage seiner Gemeinde informieren und beantragte bei der Amtsverwaltung die Überlassung von Kopien des aktuellen Haushalts sowie die Rechenschaftsberichte vorangegangener Jahre. Ihm wurde mitgeteilt, dass es sich hier um über 300 Seiten handele und er 1 DM pro Seite zahlen müsse. Der Petent rechnete dem Amt vor, dass sein eigener Kopierer in der Lage sei, 35 Kopien in der Minute zu einem Stückpreis von 0,037 DM herzustellen ("ohne Profit, inklusive Papier, Toner und Wartung"). Außerdem käme man für die Herstellung der beantragten Kopien auf einen Zeitaufwand von 10,26 Minuten. Bei dem vom Amt veranschlagten Gesamtpreis ergäbe dies einen Stundenlohn von 2099,42 DM. Das Amt entgegnete hierauf, dass die Erstellung von Kopien ohnehin nur infrage komme, wenn eine Einsichtnahme oder eine Auskunftserteilung nicht möglich seien. Alternativ wurde ihm angeboten, die erbetenen Unterlagen in den Räumen des Amtes einzusehen.
Wir haben das Amt auf zweierlei hingewiesen:
Bei der Ausgestaltung des Informationszugangs bleibt es der Entscheidung des Antragstellers überlassen, in welcher Form ihm die begehrten Unterlagen zugänglich gemacht werden. Die Möglichkeiten des direkten Zugangs zum jeweiligen Informationsträger (z. B. durch Akteneinsicht), der Auskunftserteilung oder aber der Anfertigung von Kopien stehen für ihn gleichberechtigt zur Auswahl. Etwas anderes gilt nur dann, wenn keine ausreichenden zeitlichen, sachlichen und räumlichen Möglichkeiten für den direkten Informationszugang zur Verfügung stehen oder wenn bestimmte Daten vorenthalten werden müssen und von den übrigen Informationen nicht sinnvoll getrennt werden können.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Kostenerhebung nicht dazu genutzt werden darf, die gesamten tatsächlichen, auch mittelbaren Kosten, die dem öffentlichen Haushalt durch eine Zusammenstellung von Unterlagen entstehen, auf Einzelne abzuwälzen, die einen Antrag auf Informationsgewährung stellen. Der Preis ist deshalb so zu gestalten, dass zwischen dem bei der Behörde tatsächlich zu betreibenden personellen und sachlichen Verwaltungsaufwand und der Bedeutung oder dem wirtschaftlichen Wert der Amtshandlung für den Antragsteller ein angemessenes Verhältnis besteht. Dabei ist der Wert der Verwaltungsleistung objektiv zu bestimmen und kann etwa anhand vergleichbarer, am Markt angebotener Leistungen ermittelt werden. Bei der Herstellung von Kopien ist auch zu berücksichtigen, dass sich deren Preis auf dem Markt heutzutage in Bereichen um die 0,10 DM pro Seite bewegt und dank der Automation des Kopiervorgangs mit zunehmender Stückzahl sinkt, weil der dabei entstehende Aufwand nicht proportional steigt. Demgemäß dürften die in einigen Gebührentarifen noch zu findenden pauschalen Preise von 1 DM/Seite - und dies unabhängig von der Anzahl der Seiten - heute nicht mehr zu rechtfertigen sein. Eine angemessene Gebührenerhebung für Kopien sollte nach unserer Auffassung Bagatellgrenzen und mit steigender Anzahl der Kopien eine Staffelung vorsehen, die den gleichzeitig sinkenden Aufwand berücksichtigt. Die Amtsverwaltung hat sich bereit erklärt, mit dem Petenten einen "fairen Preis" zu vereinbaren.
Eine Gemeinde plante ein neues Gewerbegebiet. Sie erstellte einen entsprechenden Bebauungsplan und führte das nach dem Baugesetzbuch vorgeschriebene Verfahren durch, in dem sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Träger öffentlicher Belange beteiligt wurden. Es wurde eine Verkehrszählung in Auftrag gegeben und eine Bürgerversammlung durchgeführt. In der Gemeinde gründete sich eine Interessengemeinschaft, deren Mitglieder bei der Verwaltung nach dem Ergebnis der Verkehrszählung und dem Protokoll der Bürgerversammlung fragten. Während der Einsichtnahme beantragten sie Kopien hiervon sowie eine Kopie der eingereichten Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange. Dies wurde dem Bürgermeister offenbar zu viel, und er verwies darauf, dass die Unterlagen bereits ausgelegen hätten. Schließlich erklärte er sich dazu bereit, dem Auskunftsersuchen insoweit zu entsprechen, als das Protokoll der Bürgerversammlung in Kopie herausgegeben wurde.
Tatsächlich schreibt das Baugesetzbuch eine möglichst frühzeitige und umfassende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor. Die Entwürfe der Bauleitpläne mit dem Erläuterungsbericht oder der Begründung sind befristet öffentlich auszulegen, um die Möglichkeit zu geben, Anregungen und Einwendungen gegen die Planung vorzubringen. Dies lässt aber weder den Schluss zu, dass andere im Zusammenhang mit der Bauplanung stehende Unterlagen vom Zugang ausgenommen sind, noch, dass ein Zugang zu sämtlichen Unterlagen nach Ablauf der Monatsfrist ausgeschlossen ist.
Ist die Aufstellung des Bebauungsplans noch nicht abgeschlossen, lässt sich zwar der Schutz der behördlichen Entscheidungsbildung
ins Feld führen. Nach dem Informationsfreiheitsgesetz werden Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung nicht bekannt gegeben, wenn dadurch der Erfolg der Entscheidung vereitelt würde. Von diesen Vorbereitungsarbeiten werden jedoch extern erstellte Stellungnahmen ausdrücklich ausgenommen, sodass insbesondere auch die von anderen Trägern öffentlicher Belange abgegebenen Stellungnahmen zu konkreten Planvorhaben nach dem Willen des Gesetzgebers nicht vorenthalten werden dürfen, weil sie nicht zum Zwecke der Entscheidungsvorbereitung selbst erstellt wurden, sondern lediglich als externe Entscheidungshilfe zu betrachten sind.
Da sich die Gemeinde nicht von unserer Rechtsauffassung überzeugen lassen hat, haben wir eine förmliche Beanstandung
ausgesprochen. |