22. Tätigkeitsbericht (2000)
4.3 |
Justizverwaltung |
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4.3.1 |
Automationsvorhaben bei der Justiz
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Das elektronische Grundbuch und andere ehrgeizige Projekte bei der Automatisierung der Justiz kommen nur schleppend voran. Am Datenschutz liegt es nicht.
Das Land Schleswig-Holstein (vgl. 21. TB, Tz. 5.1) will zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern und inzwischen auch Brandenburg das elektronische Grundbuch einführen. Erfreulich ist, dass die Frage, wie der Grundbuchbeamte elektronisch unterschreiben soll, mittlerweile auch von den beteiligten Justizverwaltungen im Sinne der von uns von Anfang an vorgeschlagenen sicheren Lösung beantwortet wurde. Wir hatten gefordert, dass die im elektronischen Grundbuch vorgesehene "elektronische Unterschrift
im Wege einer digitalen Signatur erfolgen muss. Dabei ist den einzelnen eintragungsberechtigten Grundbuchbeamten jeweils ein eigenes Schlüsselpaar zur Eintragung zuzuordnen, welches auf einer nicht auslesbaren Chipkarte gespeichert wird. Mittlerweile sind alle Beteiligten auf diese Verfahrensweise eingeschwenkt.
Die Automatisierung der Datenverarbeitung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte hat deutlich zugenommen. Namentlich in den Gerichten, in denen die Staatsanwaltschaft im selben Gebäude sitzt und die Automatisierung mit MEGA bzw. MESTA bereits vollzogen ist, tauchte der Wunsch auf, die Verfahrensdaten
automatisiert von der Staatsanwaltschaft an die Gerichte zu übergeben. Grundsätzlich können Daten, die in Papierform in herkömmlichen Akten von der Staatsanwaltschaft an das Gericht weitergegeben werden dürfen, auch auf elektronischem Wege übermittelt werden. Es ist bei automatisierten Verfahren allerdings darauf zu achten, dass die Anforderungen der Datenschutzverordnung (Dokumentation, Test, Freigabe der Verfahren) eingehalten werden. Bei der Abklärung der Details zwischen den beteiligten Justizbehörden, dem Justizministerium und uns stellte sich heraus, dass keine datenschutzrechtlichen, sondern technische Probleme bestehen. Zwar kann das bei Staatsanwaltschaften eingesetzte Verfahren MESTA die entsprechenden Daten in einer Exportfunktion zur Verfügung stellen. Jedoch ist das bei den Gerichten eingesetzte, schon vor längerer Zeit konzipierte Verfahren MEGA nicht in der Lage, derartige Daten aufzunehmen.
Bis zur Behebung dieser Defizite wurde angedacht, wenigstens die Schriftstücke, die bisher von der Staatsanwaltschaft vorbereitet und den Gerichten in Papierform vorgelegt werden, in elektronischer Form zu übermitteln. Dies sind z. B. Strafbefehle, die von den Gerichten nur abgezeichnet werden, oder bestimmte strafprozessuale Anträge (z. B. Antrag auf Haftbefehl oder auf Überwachung der Telekommunikation), die vom Gericht in der Regel inhaltlich nicht verändert, sondern lediglich bestätigt werden. Auch dagegen ist datenschutzrechtlich nichts einzuwenden. Die technisch mögliche Übermittlung derartiger Schriftstücke in elektronischer Form per E-Mail stößt momentan allerdings auf sicherheitstechnische Hürden. Es muss gewährleistet werden, dass Unbefugte nicht Kenntnis von den Daten nehmen können und dass sie nicht an unzuständige Mitarbeiter gelangen. Zudem verbietet zurzeit eine Dienstvereinbarung über den Einsatz der IT-Systeme bei der Justiz die Übermittlung von E-Mails mit personenbezogenen Daten. An diesem Verbot muss nicht festgehalten werden, wenn sichergestellt wird, dass die genannten organisatorischen Maßgaben beachtet und die E-Mails zumindest in offenen Netzen verschlüsselt übersandt werden.
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4.3.2 |
Kurzer Draht zwischen Bewährungshelfern und Polizei? |
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Bewährungshelfer unterliegen gegenüber Dritten - also auch gegenüber der Polizei - einer beruflichen Schweigepflicht. Nur bei akuter Gefahr für wesentliche Rechtsgüter dürfen sie Informationen über ihre Probanden unmittelbar an die Polizei weitergeben. Gleichzeitig muss das Gericht informiert und die Datenübermittlung dokumentiert werden.
Ein Bewährungshelfer, der vor allem mit verurteilten Sexualtätern arbeitet, ersuchte uns um Beratung, ob es datenschutzrechtlich zulässig sei, dass er die Personalien, Adresse und weitere Daten von Probanden, die er nach seiner Erfahrung weiterhin für gefährlich halte, ohne Einschaltung des Richters unmittelbar an dessen örtliche Polizeidienststelle weitergibt. Er halte diese von ihm bereits praktizierte Vorgehensweise insbesondere dann für unerlässlich, wenn
Der Bewährungshelfer ist gesetzlich eng an das Gericht gebunden, das ihn bestellt hat, um die Lebensführung des Probanden zu überwachen und ihm Hilfestellung für ein Leben ohne weitere Straftaten zu geben: Er muss dem Gericht regelmäßig sowie bei Verstößen gegen gerichtliche Auflagen oder Weisungen berichten, damit dieses über die weitere Ausgestaltung der Bewährung, ggf. auch deren Widerruf, entscheidet. Er kann auch den Erlass nachträglicher Auflagen und Weisungen durch das Gericht anregen, beispielsweise Meldepflichten des Probanden bei der Polizei oder ein Verbot des Umgangs mit bestimmten, gefährdeten Personenkreisen, und die Einhaltung solcher Auflagen überwachen. In diesem Rahmen kann er sich z. B. unter Mitteilung der Personalien des Probanden bei der Polizei erkundigen, ob der Meldepflicht nachgekommen wurde. Wegen dieser im Strafgesetzbuch vorgesehenen Bindung an das allein entscheidungsbefugte Vollstreckungsgericht darf ein Bewährungshelfer weder selbst Auflagen erteilen noch auf eigene Initiative ohne Kenntnis und Zustimmung des Gerichts quasi als Ermittlungshelfer der Polizei oder Staatsanwaltschaft auftreten.
Die Unterstützung von Straffälligen durch Bewährungshelfer ist ein Beitrag zur Kriminalprävention. Wesentlich hierfür ist ein gesetzlich geschütztes Vertrauensverhältnis, ohne das der Proband seinem Bewährungshelfer Probleme, die vielleicht zu neuen Taten führen, nicht mitteilen würde. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Bewährungshelfer (zumeist Diplom-Sozialpädagogen oder -Sozialarbeiter) einer beruflichen Schweigepflicht unterliegen und sich bei unbefugter Offenbarung von Informationen aus dem Betreuungsverhältnis strafbar machen.
Hiervon muss es zum Schutz Dritter allerdings Ausnahmen geben, wenn bedeutende Rechtsgüter - z. B. die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung - unmittelbar bedroht sind und der Bewährungshelfer sich sofort an die Polizei wenden muss, um Schlimmeres zu verhüten, ohne eine Entscheidung des Gerichts abzuwarten. Er darf seine Schweigepflicht dann auf Grund eines rechtfertigenden Notstands
brechen. Dies muss er nachvollziehbar in seinen Unterlagen dokumentieren
und zeitgleich das Gericht informieren, damit dieses seiner Entscheidungsverantwortung über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung nachkommen kann.
Konkret folgt hieraus:
Das Ergebnis unserer Beratung wurde mittlerweile unter Beteiligung des Justizministeriums in landesweiten Gremien der Straffälligenhilfe erörtert und als praxisgerecht anerkannt. Aufgeregte Meldungen, "der Datenschutz stehe der Verhinderung von Rückfallstraftaten entgegen, entpuppten sich bei näherem Zusehen als oberflächliche Stimmungsmache.
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