21. Tätigkeitsbericht (1999)



5.

Datenschutz bei Gerichten

5.1

Elektronisches Grundbuch

Nach den Staatsanwaltschaften und den Gerichten sollen jetzt auch die Grundbuchämter in Schleswig-Holstein auf elektronische Datenspeicherung umstellen. Im Hinblick auf die enorme wirtschaftliche Bedeutung der in Grundbüchern vorgehaltenen Daten sind hier an die Datensicherheit höchste Ansprüche zu stellen.

Die rechtlichen Grundlagen für die Führung elektronischer Grundbücher hat der Gesetzgeber im Jahr 1993 durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz geschaffen. In einigen Bundesländern werden derartige Verfahren schon eingesetzt. In Schleswig-Holstein ist eine Initiative, die im Frühjahr 1997 gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern gestartet wurde, soweit gediehen, daß noch im Jahre 1999 das erste elektronische Grundbuch (EGB) in Betrieb genommen werden soll.

Die beteiligten Länder gehen davon aus, daß ein EGB "deutlich erhöhte Anforderungen an die Verfügbarkeit, die Datensicherheit, den Datenschutz und die nachhaltige Wartbarkeit” stellt als die bisherige papierbasierte Verfahrensweise. Tatsächlich kommt der Datensicherheit im Hinblick auf die enormen Werte, die jeder einzelne Grundbucheintrag verkörpern kann, eine entscheidende Bedeutung zu.

Zudem wirft die Frage der "Zukunftsfähigkeit” des EGB erhebliche Probleme auf, weil sich der Zeithorizont bei der Führung des Grundbuchs in einer anderen Größenordnung darstellt als die Halbwertzeit heutiger Softwareprodukte. Beim EGB geht es nicht um Jahre oder Jahrzehnte; vielmehr muß sichergestellt sein, daß die Speicherungen hundert Jahre und länger nachvollziehbar bleiben. Für das Speichermedium Papier wurde diese Anforderung über die Qualität des Materials gelöst. Wie eine derartig lange Nachvollziehbarkeit von elektronisch gespeicherten Daten technisch gewährleistet werden kann, ist zumindest zum Projektstart noch offen.

Die Verantwortlichen in den Justizministerien haben sich dafür entschieden, nicht auf die bereits existierende Software zweier großer Anbieter, die in anderen Bundesländern zum Einsatz kommt, zurückzugreifen. Statt dessen soll durch ein privates Softwarehaus eine für die beiden Länder maßgeschneiderte Lösung erstellt werden. Die Projektverantwortlichen versprechen sich durch ihre Eigenentwicklung eine größere Unabhängigkeit von marktbeherrschenden Anbietern und den von ihnen zu erwartenden schnellen Generationenfolgen der Software.

  • Zukunftsplanung: Online-Auskunft über das Internet

Für das Jahr 1999 ist die Realisierung der ersten Ausbaustufe des Projekts angestrebt, die die softwaregestützte Abwicklung der Eintragungen und die Datenbankverwaltung umfaßt. In einer zweiten Ausbaustufe soll dann auch die Grundbuchauskunft in einem automatisierten Verfahren möglich werden. Jedermann steht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses das Recht auf Einsicht in das Grundbuch zu. Bei Notaren und Behörden entfällt sogar die Prüfung des berechtigten Interesses. Diese Personen und Institutionen sollen künftig über das Internet Zugriff auf die Daten erhalten. Wegen des unsicheren Übertragungsmediums "Internet" werden hier die höchstmöglichen Sicherheitsstandards zur Anwendung kommen müssen. Dazu wird auch gehören, daß die berechtigten Abfrager sich mittels einer digitalen Signatur authentisieren (vgl. 19. TB, Tz. 7.7; 20. TB, Tz. 7.2).

In der Vergangenheit mußten wir das Justizministerium davon überzeugen, daß die Grundbuchauskünfte aus dem konventionell geführten Grundbuch mit guten Gründen einzeln protokolliert werden (vgl. 15. TB, Tz. 4.3.8; 16. TB, Tz. 9; 17. TB, Tz. 9.1). Auf diesen Nachweis der Berechtigung kann auch bei elektronischen Auskünften nicht verzichtet werden. Eine Protokollierung nur bestimmter Abrufe wäre nicht ausreichend.

  • Wie unterschreibt der Grundbuchbeamte elektronisch?

Im herkömmlichen Grundbuch leisten die für die Führung des Grundbuchs zuständige Person und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ihre Unterschrift unter jeden Eintrag und bestätigen so mit ihren Namen dessen Richtigkeit. Im Projekt EGB muß man sich mit der Frage beschäftigen, wie die Unterschriften und ihre Sicherungs- und Bestätigungsfunktion in elektronischer Form abgebildet werden können. Die Grundbuchverordnung fordert, daß der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Eintragung seinen Namen hinzusetzt und "beides elektronisch unterschreibt". Diese elektronische Unterschrift soll in einem "allgemein als sicher anerkannten automatisierten kryptographischen Verfahren text- und unterzeichnerabhängig hergestellt werden".

Das bedeutet, daß eine Eintragung auch Jahre nach der Speicherung der tatsächlich handelnden Person zugeordnet werden können muß. Dies kann nur in Form einer "digitalen Signatur" erfolgen (vgl. 19. TB, Tz. 7.7; 20. TB, Tz. 7.2). Eine solche Signatur sollte sich an den Sicherheitsstandards des Signaturgesetzes orientieren. Jeder zur Eintragung ins Grundbuch berechtigte Mitarbeiter müßte eine Chipkarte erhalten, die seinen persönlichen Schlüssel enthält. Im Anschluß an die eigentliche Eintragung würde mit dem persönlichen Schlüssel eine Signatur erzeugt, deren Nachahmung oder Fälschung technisch ausgeschlossen ist. Auf diese Weise würde das bisher in Papierform praktizierte Verfahren am besten in elektronischer Form abgebildet. Wie bei der Unterschrift auf Papier würde durch eine eindeutige, bewußt vorgenommene Handlung die Echtheit der Eintragung bestätigt Der Eintragende trüge die Verantwortung dafür, daß die ausschließlich ihm gewährten Rechte nicht mißbraucht werden. Dazu gehört, daß auf die sichere Verwahrung der Chipkarte geachtet und jede Unregelmäßigkeit gemeldet werden muß.

Noch ist nicht klar, ob der Justizminister dieses Verfahren realisieren wird. Es scheint so, daß die Datensicherheit möglicherweise hinter das Ziel der schnellen Realisierung und der Kostenminimierung zurücktreten soll. Zur Zeit wird ein Verfahren entwickelt, bei dem den zur Eintragung berechtigten Mitarbeitern keine persönlichen Schlüssel zugeordnet werden. Statt dessen soll es lediglich einen "Schlüssel des Prozesses" geben, der vom Rechner automatisch vergeben wird, sich jedoch nicht im Hinblick auf die einzelnen Mitarbeiter unterscheidet. Wird auf den Einsatz personalisierter Schlüssel verzichtet, so ist zu befürchten, daß die Sicherheit des Verfahrens insgesamt absinkt. Im Vergleich zum herkömmlichen Grundbuch hat beim EGB ein erweiterter Personenkreis Zugriff auf die Grundbuchdaten: die mit der Systemadministration befaßten Personen und zum Teil die Personen, die Zugriff auf die Leitungen und die Knotenrechner haben. Aus unserer Sicht kann ein personalisierter Schlüssel am besten ausschließen, daß von Personen mit Administrationsrechten Manipulationen vorgenommen werden, die nachträglich nicht mehr bemerkbar wären. Der aus unserer Sicht erforderlichen Methode wird entgegengehalten, daß sie nur zu realisieren sei, wenn ein vertrauenswürdiger Dritter (auch: Trustcenter oder Zertifizierungsstelle) existiere, der die Chipkarten ausgebe und ihre Zuordnung zu dem jeweiligen Empfänger garantiere.

  • Es fehlen öffentliche Trustcenter

Dieser Einwand legt ein grundsätzliches Defizit beim Einstieg der Verwaltung in die digitale Vorgangsbearbeitung und Kommunikation offen: Bestimmte Staatsaufgaben sind für die Gesellschaft so wichtig, daß sie nur von staatlichen Stellen und durch öffentlich Bedienstete und trotz aller Privatisierungstendenzen nicht privat erbracht werden dürfen. Dazu gehört die Führung eines Grundbuches als grundlegender Nachweis der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken.

Ist dabei systembedingt der Einsatz einer vertrauenswürdigen dritten Stelle nötig, so ist es Teil der staatlichen Aufgabe, eine solche Instanz zur Verfügung zu stellen. Zwar müssen auch die privaten Zertifizierungsstellen nach dem Signaturgesetz hohen technischen und organisatorischen Ansprüchen genügen. Staatliche Trustcenter wären jedoch für die Verwaltungsanwendungen allein schon deswegen verläßlicher, weil sie sich nicht am Markt behaupten müßten und nicht wegen wirtschaftlicher Probleme eines Tages den Betrieb einstellen könnten.

Auch bei anderen Anwendungen der elektronischen Kommunikation zwischen Behörden wird es künftig nicht mehr ohne den Einsatz von digitalen Signaturen gehen. Aus unserer Sicht ist es daher dringend geboten, daß ein oder mehrere staatliche Trustcenter für die Verwaltungsanwendungen aufgebaut werden. Verfügte das Justizministerium über ein solches Trustcenter, so wäre der Einsatz personalisierter Schlüssel im Verfahren EGB kein Problem. Bedenklich erscheint uns, daß man bisher noch nicht einmal ermittelt hat, wie groß der Aufwand für ein grundbuchspezifisches internes Trustcenter sein wird. Er dürfte geringer sein als gemeinhin angenommen. Wird auf die Vergabe personalisierter Schlüssel verzichtet, so muß der dadurch eintretende Verlust an Manipulationssicherheit durch zusätzliche technische und organisatorische Maßnahmen aufgefangen werden.

Was ist zu tun?
Das Justizministerium sollte beim Verfahren EGB keine Abstriche bei der Datensicherheit machen und die elektronische Unterschrift als digitale Signatur ausgestalten.

5.2

Nichtöffentliche Verhandlungen vor Finanzgerichten - Theorie und Praxis

Der Anspruch auf öffentliche Gerichtsverhandlungen soll den Bürgern einen fairen Prozeß sichern. Manchmal verkehrt sich dieses Recht aber ins Gegenteil. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wann man nichtöffentliche Sitzungen der Gerichte beantragen kann.

"Ja, warum hat mir das denn niemand gesagt?", fragte eine Petentin erbost, als sie unsere Antwort auf die Frage erhielt, warum eine sie betreffende Sitzung des Finanzgerichts öffentlich gewesen sei. Ihre Erregung war begründet. Es war folgendes geschehen: Durch Fristversäumnisse waren Steuerbescheide rechtskräftig geworden, aufgrund derer sie nach ihrer Auffassung zu hohe Steuern zu zahlen hatte. Das Finanzamt hatte die Einsprüche abgelehnt. Als letzte Chance blieb ihr deshalb nur die Klage vor dem Finanzgericht und die Hoffnung auf einen milden Richter. Groß war jedoch ihr Erstaunen, als sie im Gerichtssaal ein Auditorium von 50 Personen vorfand, das diese öffentliche Verhandlung offensichtlich zu Ausbildungszwecken miterleben wollte. Sollte sie vor diesem Kreis wildfremder Menschen nun die Familienstreitigkeiten verbreiten, die dazu geführt hatten, daß vom Ehepartner keine Steuererklärungen abgegeben worden waren? Wegen dieser Versäumnisse waren nämlich durch das Finanzamt (mit einem Sicherheitszuschlag hinsichtlich der Einkommenshöhe versehene) Schätzungen erfolgt. Wie sollte sie aber anders das Gericht davon überzeugen, daß in diesem speziellen Fall ein eventueller Ermessensspielraum weit auszulegen sei? Am Ende der Verhandlung hatte sie das Gefühl, an der Darlegung ihrer "tragenden" Argumente gehindert gewesen zu sein. Das Gericht wies ihre Klage ab.

Zu der unbefriedigenden Situation hätte es gar nicht kommen müssen. Die bereits 1965 in Kraft getretene Finanzgerichtsordnung enthält eine "Spezialregelung", nach der ein Ausschluß der Öffentlichkeit zu erfolgen hat, "wenn ein Beteiligter, der nicht Finanzbehörde ist, es beantragt." Die Antragsmöglichkeit erklärt sich aus dem Steuergeheimnis. Der Antrag bedarf nicht einmal einer Begründung. Eine Ablehnung wäre nicht zulässig. Die eingangs zitierte Frage der Petentin ist also nur zu verständlich.

Was ist zu tun?
Die Verhandlungsführung der Gerichte und die Beratungsleistungen von Steuerberatern und Anwälten unterliegen nicht der Kontrolle des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Deshalb kann er nur an die Beteiligten appellieren, die Betroffenen über die Möglichkeiten aufzuklären, die der Gesetzgeber zur Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts geschaffen hat, übrigens lange bevor es Datenschutzgesetze gab.


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