Zu weit gefaßte Gutachteraufträge durch Gerichte können leicht zu einer exzessiven Erhebung sensibler Daten führen. Der Gesetzgeber sollte Regelungen für die weitere Verwendung von Sachverständigengutachten in Gerichtsakten treffen.
Neben der Zeugenvernehmung ist das Sachverständigengutachten vor Gericht eines der am häufigsten genutzten Beweismittel. Wenn um Gesundheitszustand und körperliche Schäden vor Gericht gestritten wird, kommt einem medizinischen Gutachter zumeist prozeßentscheidende Bedeutung zu. Um hier nichts falsch zu machen, erteilen die Gerichte den Gutachtern gelegentlich sehr umfassend formulierte Aufträge. Nicht selten führt dies dazu, daß eine Fülle sehr intimer Lebensumstände
in das Gutachten und damit in die Gerichtsakten Eingang findet, deren Zusammenhang mit dem Streitgegenstand sich dem unbefangenen Beobachter auch bei näherem Hinsehen nicht erschließt.
So führte ein Petent Klage darüber, daß er bei einem Streit über seine Gehfähigkeit Testfragen
zu seinem Denkvermögen und seiner geistigen Verfassung
beantworten mußte. Der Gutachter befragte ihn weiter nach seinen Kinderwünschen und den Konsequenzen, die er aus einem eventuellen Verlust des Prozesses ziehen wollte. All diese Angaben sowie sämtliche im Vorgespräch erörterten Themen fanden sich dann später im Gutachten wieder. Über den Weg der Akteneinsicht erhielt davon auch die Gegenpartei
Kenntnis.
Selbstverständlich entscheidet jeder Richter in Unabhängigkeit darüber, welche Beweise er in welchem Umfang für erforderlich hält, um den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Allerdings sollte auch über der alltäglichen Routine stets berücksichtigt werden, in welch außerordentlich hohem Maße die Intimsphäre eines Menschen ausgeleuchtet wird, wenn ihn ein medizinischer Sachverständiger begutachtet. Entsprechende Aufträge sollten deshalb sorgfältig formuliert und präzise auf die prozeßrelevanten Tatsachen beschränkt werden.
Zusammen mit anderen Datenschutzbeauftragten bemühen wir uns, den Gesetzgeber zu veranlassen, in die Prozeßordnungen
Vorschriften aufzunehmen, die eine Datenerhebung durch Gutachter auf das dem Streitgegenstand entsprechend notwendige Maß beschränken.
Erforderlich sind auch Regelungen über die weitere Verwendung
der in Gerichtsakten befindlichen Informationen nach Abschluß des Verfahrens. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die oben erwähnten Gutachten. Wer als Proband freiwillig mit Blick auf den Ausgang eines Verfahrens mitarbeitet und die Arbeit des Sachverständigen so erst ermöglicht oder wesentlich erleichtert, muß Gewißheit darüber haben, ob und wenn ja, in welchem Umfang die zur Verfügung gestellten Daten über den ursprünglichen Zweck hinaus auch nach Abschluß des Verfahrens weiter verwandt werden dürfen.
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