Patienten haben auch unabhängig vom Datenschutzrecht Anspruch auf Einblick in ihre Krankenakte. Das sog. Patientengeheimnis steht der Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten nur dann entgegen, wenn der Patient ausdrücklich widersprochen hat.
Wenn Patienten wissen wollen, was über sie in ihrer Krankenakte steht, kommt es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten mit Ärzten und Krankenhäusern. Dabei hat die Rechtsprechung längst ein Informationsrecht des Patienten unabhängig vom Datenschutzrecht entwickelt. Obwohl auch das nunmehr seit 1991 geltende Datenschutzgesetz keine Ausnahmevorschriften für Krankenakten enthält, wird von manchem Arzt immer noch die unzutreffende Ansicht vertreten, er allein habe frei darüber zu entscheiden, wem welcher Zugang eröffnet wird.
So verweigerte eine Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation einem dort Untergebrachten die Einsichtnahme in seine Krankenakte. Nachdem sich der Petent Anfang 1993 an uns gewandt hatte, hörten wir auf unsere Aufforderung, dieses Verhalten zu begründen, zunächst drei Monate nichts. Auf mehrere Nachfragen sowie nach Übersendung einer Abschrift der ersten Anfrage teilte die Fachklinik lapidar mit, der Betroffene könne die Akten unter ärztlicher Aufsicht einsehen, allerdings nicht "Angaben von Dritten und Wertungen". Eine Begründung für diese Beschränkung wurde wiederum nicht gegeben.
Daraufhin bat uns der Petent, zu überprüfen, ob die teilweise Verweigerung der Akteneinsicht rechtmäßig sei. Auf die Möglichkeit, sich an uns zu wenden, hätte die Klinik von sich aus hinweisen müssen. Als wir die Unterlagen sichten wollten, schrieb uns die Fachklinik im Juli 1993 wörtlich: "Eine Überprüfung durch ... kommt nicht in Betracht und erst recht nicht - stellvertretend für ihn - durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz".
Hinweise auf unsere im Gesetz unzweideutig verankerte umfassende Kontrollkompetenz fruchteten nichts. Auch nachdem die Sozialministerin
als Fachaufsichtsbehörde die Klinik förmlich angewiesen
hatte, die Akten vorzulegen, weigerte sich der leitende Abteilungsarzt weiterhin. Es bedurfte erst des Erscheinens des zuständigen Referenten der Sozialministerin vor Ort, bis man uns die Akten im Januar 1994 endlich vorlegte - allerdings nicht, ohne zuvor Aktenteile mit ausdrücklichem Hinweis auf die bevorstehende Kontrolle geschwärzt zu haben.
Dieses Vorgehen haben wir förmlich beanstandet.
Das Datenschutzgesetz kennt kein "Ärzteprivileg". Für die öffentlich-rechtlichen Krankenanstalten gelten vielmehr dieselben gesetzlichen Verpflichtungen wie für alle anderen Landesbehörden auch:
- Grundsätzlich ist jedem Bürger kostenlos Auskunft darüber zu erteilen, was die datenverarbeitende Stelle über ihn gespeichert hat.
- Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten Auskunft zu erteilen und Einsicht in alle Unterlagen und Akten zu gewähren, die im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten stehen. Der Gesetzgeber hat sogar ausdrücklich bestimmt, daß "besondere Amts- und Berufsgeheimnisse dem nicht entgegenstehen".
Damit ist klargestellt, daß auch die ärztliche Schweigepflicht einer Kontrolle nicht entgegengehalten werden kann. Gelegentlich meinen allerdings Mediziner, sie besäßen ein generelles persönliches Auskunftsverweigerungsrecht gegenüber jedermann. Diese irrige Ansicht wird durch den volkstümlichen Begriff "Arztgeheimnis" unterstützt. Richtig muß es jedoch "Patientengeheimnis" heißen. Geschützt werden soll nämlich nicht pimär der Arzt, sondern der Patient.
Nur in Ausnahmefällen kann dem Patienten eine Auskunft verwehrt werden, nämlich wenn entweder einer der im Gesetz abschließend geregelten Tatbestände vorliegt oder es aus therapeutischen Gründen erforderlich ist. Gerade für den Bereich der Psychiatrie hat die Rechtsprechung derartige Einschränkungen zugelassen.
Dies gilt jedoch nicht, wenn der Datenschutzbeauftragte, noch dazu wie hier ausdrücklich auf Bitten des Petenten hin, dessen Krankenakte einsieht. In solchen Fällen prüfen wir den gesamten Akteninhalt, teilen jedoch dem Petenten nur dasjenige mit, was er auch selbst durch eigene Akteneinsicht erfahren dürfte.
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