16. Tätigkeitsbericht (1994)



3.

Datenschutz im Parlament

3.1

Datenschutz bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen

Der erste Untersuchungsausschuß der 13. Wahlperiode hat sich auch mit Fragen des Datenschutzes zu befassen. Durch eine sachgerechte Verfahrensgestaltung können der Datenschutz Betroffener und eine effektive Sachverhaltsaufklärung in Einklang gebracht werden.

Der Vorsitzende des "Schubladen"-Untersuchungsausschusses hat um eine gutachterliche Stellungnahme zu einigen Beweiserhebungs- und Beweissicherungsanträgen sowie generell zur Frage des Verhältnisses der Untersuchungsrechte des Ausschusses zum Persönlichkeitsrecht Betroffener. Die Anträge waren auf Sicherstellung gerichtlicher, staatsanwaltschaftlicher und ministerieller Unterlagen, z.B. von Posteingangsbüchern des Justizministers und der Staatskanzlei, Personalakten, Aufzeichnungen über Telefongespräche und Terminkalendern gerichtet.

Wir haben dargelegt, daß nach Art. 18 der Landesverfassung der Untersuchungsausschuß in erster Linie selbst über "die erforderlichen Beweise" bestimmt. Die näheren Einzelheiten hierzu ergeben sich aus dem Gesetz zur Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Eingeschränkt wird dieses Bestimmungsrecht nur durch den Untersuchungsauftrag selbst. Beweisanträge ohne Beziehung zum Untersuchungsauftrag wären von der Landesverfassung nicht mehr gedeckt.

Zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte Dritter sollte die Beweiserhebung stufenweise erfolgen. Durch Anträge auf Sicherstellung möglicher Beweismittel sollten diese aus dem Verantwortungsbereich der abgebenden Stellen in den des Untersuchungsausschusses überführt und dort zunächst unter Verschluß gehalten werden. Eine inhaltliche Auswertung der Unterlagen in Form der Beweisaufnahme sollte erst in einem zweiten Schritt, nach Konkretisierung der Beweisthemen, erfolgen.

Für die Zuleitung von Unterlagen der Landesregierung auf Anforderung des Untersuchungsausschusses bestehen demnach, auch wenn der Beweisantrag noch nicht hinreichend konkretisiert ist, schon dann ausreichende Rechtsgrundlagen in der Landesverfassung, wenn

  • nach dem zunächst noch pauschalen Beweisantrag die Unterlagen von ihrem Inhalt her Feststellungen oder weiterführende Hinweise zum Untersuchungsauftrag enthalten können,
  • die Unterlagen deshalb zunächst nur sichergestellt, aber noch nicht ausgewertet werden,
  • von der abgebenden Stelle keine durchgreifenden Weigerungsrechte grundsätzlicher Art (Art. 23 Abs. 3 Landesverfassung) geltend gemacht werden und
  • hinreichende organisatorisch-technische Sicherungsmaßnahmen für die Unterlagen geschaffen werden.

Soll auf den Inhalt der Unterlagen zugegriffen werden, so muß zuvor die Beweisfrage konkretisiert sein. Auf ihrer Grundlage muß sodann das erforderliche Maß für die Auswertung der Beweismittel nach Art und Umfang festgelegt werden. Dabei können Einschränkungen erforderlich werden, indem z.B.

  • Aufzeichnungen nur in bezug auf einen bestimmten Zeitraum ausgewertet werden, als er den ursprünglichen Anträgen zugrunde lag (z.B. Auswertung nicht einer Personalakte insgesamt, sondern nur von Unterlagen ab einem bestimmten Zeitpunkt),
  • sensible Daten vor ihrer Auswertung nach der Geheimschutzordnung des Landtages kategorisiert und entsprechend als Verschlußsache behandelt werden,
  • die Auswertung nur von bestimmten Mitgliedern des Ausschussen oder dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter vorgenommen wird,
  • die Öffentlichkeit bei der Beweisaufnahme ausgeschlossen wird,
  • das Anfertigen von Kopien aus den Unterlagen eingeschränkt und ggf. dokumentiert wird.

Durch die zur Vorlage von Beweismitteln verpflichteten öffentlichen Stellen können Datenschutzrechte Dritter nur in eingeschränktem Maße geltend gemacht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind das Aufklärungsrecht des Untersuchungsausschusses und das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen als verfassungsmäßige Rechte prinzipiell gleichwertig. Sie sind so aufeinander abzustimmen, daß beide die größtmögliche Wirkung entfalten.

Soweit sich die Beweisanträge also im Rahmen des "Erforderlichen" halten, stehen Datenschutzbelange einer Datenübermittlung an den Untersuchungsausschuß in der Regel nicht entgegen. Ausgeschlossen wären allerdings Fragen, die den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffen, etwa aus der engsten persönlichen oder familiären Sphäre.

Den schützenswerten Interessen einzelner ist dadurch Rechnung zu tragen, daß eine unbefugte Kenntnisnahme Außenstehender vom Inhalt der Unterlagen ausgeschlossen wird. Dazu können folgende Datensicherungsmaßnahmen dienen, die wir dem Untersuchungsausschuß empfohlen haben:

  • Die Beweisunterlagen sollten in einem Verzeichnis erfaßt und die Herausgabe und Einsichtnahme mit Datum und Namen der Beteiligten vermerkt werden.
  • Das Verzeichnis und die Akten sollten in einem verschließbaren Raum und dort in einem besonderen, verschlossenen Behältnis verwahrt werden.
  • Verschlußsachen und nach der Geheimschutzordnung des Landtages eingestufte Unterlagen sollten entsprechend diesen Regelungen behandelt werden.
  • Besonders sensible Unterlagen sollten zusätzlich in verschlossenen Umschlägen aufbewahrt werden. Hierzu wären z.B. Personalakten sowie jene Terminkalender zu zählen, die auch private Termine enthalten.
  • Bei der Frage besonderer Geheimhaltungsstufen oder besonderer Sensibilität von Unterlagen sollte weitgehend den Anregungen der abgebenden Stellen gefolgt werden.
  • Die Grundzüge des Verfahrens sollten schriftlich festgehalten werden.

Die bisherigen Erfahrungen des "Schubladen"-Untersuchungsausschusses haben gezeigt, daß bei Beachtung dieser Aspekte die datenschutzrechtlichen Probleme zu bewältigen sind.

3.2

"Gläserne" Abgeordnete?

Die Verhaltensregeln für Abgeordnete sind in Kraft getreten. In ergänzenden Verwaltungsvorschriften sollen die Einzelheiten des Umgangs mit den Abgeordnetendaten geregelt werden.

Im 15. Tätigkeitsbericht (Tz. 3.2) war angeregt worden, in Ausführungsbestimmungen zu den "Verhaltensregeln für Abgeordnete" möglichst umgehend die Einzelheiten festzulegen, die den Umgang mit den Daten der Abgeordneten regeln. Wir haben der Landtagspräsidentin empfohlen festzulegen, welche Personen Einblick in die Daten der Abgeordneten erhalten,

  • wer für ihre Verarbeitung und Kontrolle zuständig ist,
  • welche Verarbeitungsschritte dabei ablaufen und
  • wie sie dokumentiert werden.

Zu bestimmen ist auch, wie und von wem die Unterlagen mit den Abgeordnetendaten aufzubewahren sind und wer die datenschutzrechtliche Verantwortung zu tragen hat.

3.3

Die Behandlung des Tätigkeitsberichts im Parlament

Der 14. und der 15. Tätigkeitsbericht wurden vom Parlament gemeinsam beraten. Erstmals fand eine Debatte im Plenum vor der Ausschußberatung und eine weitere nach deren Abschluß statt. Die Beratungen im Innen- und Rechtsausschuß wurden in mehreren Besprechungsrunden der datenschutzpolitischen Sprecher der Fraktionen vorbereitet. Da bei diesen Vorgesprächen auch die Vertreter der Regierung anwesend waren, konnten eine Reihe von Detailfragen mit der gebotenen Gründlichkeit beraten werden. In einigen Punkten konnten daraufhin konkrete Fortschritte in datenschutzrechtlichen Streitfragen erzielt werden.

Die Vorbereitung der Detaildiskussion in Berichterstattergesprächen hat sich deshalb aus der Sicht des Datenschutzbeauftragten bewährt. An dieser Praxis könnte deshalb auch künftig festgehalten werden. Insgesamt fand die Sache des Datenschutzes auch im Berichtsjahr im Parlament stets ein offenes Ohr und erfuhr die notwendige Unterstützung.


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