"Darf eine Kleine Anfrage über namentlich benannte Personen öffentlich im Landtag behandelt werden?" "Verstößt es gegen den Datenschutz, wenn dem Finanzausschuß finanzielle Zuwendungen mit den Namen der Zuwendungsempfänger mitgeteilt werden?" Solche Fragen zeigten auch 1992 wieder, daß Umfang und Grenzen der Informationspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament noch nicht exakt festgelegt sind. Auch in Zukunft wird von Fall zu Fall eine sorgfältige Prüfung notwendig bleiben. Das Informationsrecht des Landtags und des einzelnen Abgeordneten, das aus den verfassungsgemäßen Aufgaben des Parlaments folgt, kann in Konkurrenz zu dem ebenfalls von der Verfassung garantierten informationellen Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Bürgers treten. Beide Rechte müssen in der Praxis in einer Weise aufeinander abgestimmt werden, daß sie in weitestgehendem Umfang wirksam werden können.
In der Landesverfassung kommt die erforderliche Interessensabwägung deutlich zum Ausdruck. Von der grundsätzlichen Informationspflicht der Landesregierung sind Ausnahmen zu machen, "... wenn ... schutzwürdige Interessen einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen, ...". Die Öffentlichkeit ist bei Ausschußsitzungen auszuschließen, "... wenn schutzwürdige Interessen einzelner dies erfordern".
Diese "Datenschutzklauseln" können in der Praxis allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Zwei Beispiele zeigen die Bandbreite der Möglichkeiten:
Werden z.B. die Namen von Sachverständigen oder Gutachtern in öffentlichen Erörterungs- oder Verhandlungsterminen ohnehin bekannt, so können sie keinen Anspruch darauf erheben, daß im Zusammenhang mit parlamentarischen Diskussionen und Anfragen ihre Namen vertraulich behandelt werden.
Für Einzelheiten einer Arztrechnung, die Mitarbeiter für Zwecke der Beihilfegewährung einreichen, gilt das dagegen sicher nicht.
Das Schutzbedürfnis hängt auch von der Art der parlamentarischen Behandlung solcher Informationen ab. Personenbezogene Daten sind umso schutzbedürftiger, je stärker die Wahrscheinlichkeit ihrer ungesteuerten Verbreitung in der Öffentlichkeit ist.
Informationsersuchen des Eingabenausschusses wird von der Verwaltung in weitem Umfang entsprochen werden dürfen. Seine Beratungen sind nicht öffentlich und erfolgen grundsätzlich mit Einwilligung des Betroffenen. Die beteiligten Stellen sind nach der Geheimschutzordnung des Landtages und anderen Vorschriften zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Untersuchungsausschüsse haben ebenfalls ein weitgehendes Informationsrecht, das sich im wesentlichen nach der Strafprozeßordnung bemißt. Schon vom Gewicht ihrer Aufgabenstellung her wird ihrem Anspruch auf ausreichende Unterrichtung dem Grunde nach Vorrang vor den Diskretionsansprüchen Betroffener eingeräumt werden müssen. Hinzu kommt, daß für die Beweisaufnahme eines Untersuchungsausschusses die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann (und unter Umständen muß), die Beratung selbst unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet und Vertraulichkeit nach der Geheimschutzordnung zu wahren ist.
Die allgemeine Informationspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag über Gesetzgebungsvorhaben und Grundsatzfragen dürfte dagegen meist auch ohne Informationen über natürliche Personen möglich sein.
Bei parlamentarischen Anfragen ist zu bedenken, daß die Antworten Inhalt einer amtlichen Parlamentsdrucksache und damit öffentlich werden. Häufig muß die Mitteilung personenbezogener Informationen mit Rücksicht auf diese Veröffentlichung unterbleiben. Die Abgeordneten können dann statt dessen auf die Möglichkeit der Akteneinsicht verwiesen werden.
Diese Überlegungen waren für uns auch Grundlage unserer bisherigen Stellungnahmen. Andere Gesichtspunkte können zum Tragen kommen, wenn - nicht unmittelbar zum Problemkreis des Datenschutzes gehörend - Informationen über Verbände oder Juristische Personen in Frage stehen. Um für die Regierung mehr Sicherheit im Umgang mit personenbezogenen Daten gegenüber dem Landtag und für die Betroffenen mehr Transparenz über den parlamentarischen Umgang mit ihren personenbezogenen Informationen zu erreichen, sollten die Anstöße der Landesverfassung zur Gesetzgebung aufgegriffen werden. Es liegt im Interesse des Datenschutzes und dürfte auch der Rechtssicherheit aller Beteiligten dienen, wenn ein "Parlamentsinformationsgesetz" derartige Verfahrensregelungen bringt.
Solange ein solches Gesetz noch nicht gilt, muß die datenverarbeitende Stelle der Landesregierung die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen im Einzelfall prüfen. Nach unserer Auffassung müßten folgende Schritte vor der Information eines Landtagsausschusses eingehalten werden:
- Bei Abschluß bedeutenderer Vereinbarungen sollten die Vertragspartner des Landes auf die Möglichkeit parlamentarischer Erörterungen ihrer Daten insbesondere im Rahmen von Haushaltsberatungen hingewiesen werden. Ihre generelle Einwilligung in Datenübermittlungen an den Landtag und seine Mitglieder sollte Bestandteil der Absprachen werden. Die Finanzministerin hat das bereits in ihrem Erlaß über die vorläufige Haushaltsführung für 1993 verbindlich vorgeschrieben.
- Liegt ein solches generelles Einverständnis nicht vor, so ist von der datenverarbeitenden Stelle der Landesregierung in eigener Verantwortung abzuwägen, ob der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen gegenüber dem Informationsanspruch des Parlaments Vorrang genießt.
- Überwiegen die schutzwürdigen Belange Betroffener oder sind mit vorzulegenden Informationen personenbezogene Daten verbunden, die für die Information des Landtages nicht erforderlich sind, so sind diese Daten vor der Information abzutrennen.
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Ist eine Trennung nur mit erheblichem Aufwand möglich, so soll der Ausschußvorsitzende gebeten werden, auf die Einhaltung der Vorschriften der Geheimschutzordnung im besonderen Maße Bedacht zu nehmen und die Öffentlichkeit bei der Beratung der Information auszuschließen.
- Kommt die datenverarbeitende Stelle bei der Rechtsgüterabwägung schließlich zu dem Ergebnis, schutzwürdige Interessen Betroffener stünden einer Aktenvorlage nicht entgegen, so bedarf es keiner zusätzlichen Einwilligung der Betroffenen.
- Eine solche Einwilligung kann nach alledem nur in Betracht gezogen werden, wenn Gründe des informationellen Selbstbestimmungsrechts die Ablehnung einer Aktenvorlage gebieten, andere Gründe sie aber wünschenswert erscheinen lassen. In diesem Fall kann nur der Betroffene selbst über die Geltendmachung seiner Rechte entscheiden.
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