4.7 Wissenschaft und Bildung
4.7.1 Planungen für eine einheitliche Schulverwaltungssoftware nehmen Fahrt auf
Im letzten Tätigkeitsbericht (35. TB, Tz. 4.7.2) hatte sich das ULD für die Beschaffung einer einheitlichen Software für die Verarbeitung der Schülerdaten in den Schulverwaltungen ausgesprochen. Das Bildungsministerium ist diesem Vorschlag mittlerweile nachgekommen. Dem inzwischen gebildeten Lenkungsausschuss ist das ULD beigetreten und unterstützt die Planungen aktiv. Da sich zwischenzeitlich auch der überwiegende Teil der Schulträger und viele Schulen sowie der Bildungsausschuss des Landtages für ein einheitliches IT-Verfahren ausgesprochen haben, besteht Anlass zur Hoffnung, dass diese Planungen zeitnah umgesetzt werden. Das ULD wird die Einführung intensiv begleiten, damit in dem IT-Verfahren auch die datenschutzrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden.
4.7.2 Die digitale Schule – aber bitte mit eingebautem Datenschutz
Das Bildungsministerium setzt für den Unterricht verstärkt auf den Einsatz digitaler Medien unter Zuhilfenahme von z. B. Tablets, Notebooks und die Nutzung von sogenannten Cloud-Diensten.
Der Einsatz solcher digitalen Hilfsmittel führt jedoch auch zu einer Fülle von datenschutzrechtlichen Fragen. Diese hatten wir bereits in unserem letzten Tätigkeitsbericht (35. TB, Tz. 4.7.3 und 4.7.4) dargestellt.
In Kenntnis dessen hat das Bildungsministerium zusammen mit dem ULD die datenschutzrechtlichen Vorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Daten von Schülerinnen, Schülern und Eltern überarbeitet. Ziel ist es, eindeutige Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen informationstechnische Geräte und Verfahren (z. B. Cloud-Dienste) genutzt werden können.
Verantwortlich für die Datenverarbeitung in den Schulen sind die Schulleiterinnen und Schulleiter. Dass diese zunehmend das ULD um Beratung ersuchen, lässt eine erhöhte Sensibilisierung für Datenschutzbelange erkennen. Offenbar wird den Schulleiterinnen und Schulleitern bewusst, dass der Einsatz von Informationstechnik im Unterricht nur erfolgreich sein kann, wenn eine strukturierte Herangehensweise bei der Einführung solcher IT-Verfahren verfolgt wird, die auch Datenschutzaspekte einschließt.
In Kooperation mit dem Bildungsministerium begleitet das ULD die Schulleiterinnen und Schulleiter durch Handlungsempfehlungen und konkrete Hinweise beim datenschutzkonformen Einsatz digitaler Anwendungen in der Schule. Angesichts der dynamischen Entwicklung ist es jedoch nicht möglich, allen Anfragen zu der Vielzahl digitaler Lernmedien und den damit im Zusammenhang stehenden IT-Verfahren nachzugehen und diese Verfahren im Detail zu untersuchen.
Das ULD hält es deshalb für dringend erforderlich, möglichst schnell eine eindeutige Leitlinie für den Einsatz digitaler Medien und die Nutzung von IT-Geräten und IT-Verfahren zu schaffen. Damit soll eine strukturierte Planung des Einsatzes digitaler Medien vor der Verwendung im Unterricht erreicht werden.
Die Leitlinie muss zumindest einen orientierenden Rahmen geben, welche digitalen Instrumente in der Schule für den Unterricht eingesetzt werden können. Sie sollte die Schulleiterinnen und Schulleiter in die Lage versetzen, Angebote von Anbietern von Software und IT-Verfahren anhand definierter Kriterien, etwa in Form einer Checkliste, zu prüfen.
Neben dem pädagogisch-didaktischen Wert der IT-Verfahren müssen im nächsten Schritt die Fragen zur Verarbeitung personenbezogener Daten untersucht werden. Dabei ist zu prüfen, ob und welche personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler unbedingt verarbeitet werden müssen. Häufig ist eine Nutzung anonym oder unter Pseudonym möglich. Weiterhin müssen eindeutige Festlegungen zur Nutzung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler getroffen werden.
Bereits im letzten Tätigkeitsbericht hatten wir das Bildungsministerium aufgefordert, verbindliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Lern- und Kommunikationsplattformen festzulegen (35. TB, Tz. 4.7.3). Leider sind solche Rahmenbedingungen bisher nicht geschaffen worden.
Was ist zu tun?
Das Bildungsministerium sollte dringend eine Leitlinie für den Einsatz digitaler Medien erstellen. Datenschutz gehört in die Praxis des Unterrichts, auch bei der Nutzung von Lernsoftware oder anderer Technik. Das ULD stellt seine Expertise dabei gerne zur Verfügung.
4.7.3 Aktuelle Messenger-Dienste – für die schulische Kommunikation tabu
Die Kommunikation der Schule mit ihren Schülerinnen, Schülern und Eltern fand bisher auf Wegen statt, die datenschutzrechtlich meist unbedenklich waren. Neben den klassischen analogen Hilfsmitteln für die Kommunikation (Briefpost, Elternbriefe, Mitteilungshefte, „Ranzenpost“ usw.) trat in den letzten Jahren vermehrt die E-Mail-Kommunikation. Nicht nur die Schulverwaltung kommuniziert hierüber, sondern auch die Lehrkräfte nutzen E-Mails für den Kontakt mit ihren Schülerinnen, Schülern und Eltern.
In den letzten zwei Jahren hat das ULD festgestellt, dass einige Lehrkräfte Messenger-Dienste – und hier meist den Dienst WhatsApp (Tz. 7.3) – für die Kommunikation mit ihren Schülerinnen und Schülern verwenden. Nach den Erkenntnissen des ULD geht es dabei nicht nur darum, kurz Termine oder Ähnliches abzusprechen. Es werden anscheinend auch Unterrichtsmaterialien und Hausaufgaben darüber verteilt.
Natürlich soll die Schule auch neue elektronische Kommunikationswege nutzen. Dies kann jedoch nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass dies nicht zu einem Rechtsbruch führt.
Obwohl es sich bei Messenger-Diensten um Telekommunikationsdienste handelt, die bei einem Angebot in Deutschland dem hiesigen Recht unterfallen, werden die europäischen und die deutschen Regelungen von einigen Diensteanbietern nicht beachtet.
Viele Anbieter ermöglichen nicht einfach nur Telekommunikation, sondern werten diese Telekommunikationsvorgänge auch zur Nutzeranalyse aus. So werden u. a. Standortdaten und Daten darüber, wer mit wem wann kommuniziert, für Werbezwecke oder Ähnliches ausgewertet. Da mit der Nutzung dieser Dienste die Nutzungsbedingungen anerkannt werden müssen, die einen Ausschluss solcher Vorgänge nicht möglich machen, würde man die personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler und der Eltern im Rahmen der dienstlichen Kommunikation diesen Analysen preisgeben.
Ein weiterer Faktor darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben: Die Nutzung eines Messenger-Dienstes erfordert immer ein informationstechnisches Gerät (in der Regel ein Smartphone), in dem die Telefonnummern der Kontaktpersonen (hier die Schülerinnen und Schüler) gespeichert sind. Da es sich um dienstliche Datenverarbeitung handelt, wären diese Smartphones nach der Schul-Datenschutzverordnung genehmigungspflichtig. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die dienstlichen Telefonnummern im Kontakttelefonbuch des Smartphones der Lehrkraft üblicherweise nicht getrennt von den privaten Telefonnummern gespeichert sind. Da bei der Nutzung von den meisten Messenger-Diensten, beispielsweise WhatsApp, stets eine automatische Synchronisierung der Telefonbuchdaten mit dem Server des Messenger-Dienstes erfolgt, können sowohl Telefonnummern von Schülerinnen und Schülern als auch von Dritten (insbesondere private Kontakte der Lehrkraft) dem Anbieter bekannt und ausgewertet werden. Es ist zu bedenken, dass die Lehrkräfte immer nur in dienstlicher Funktion mit ihren Schülerinnen und Schülern in Kontakt treten. Durch die Nutzung von Messenger-Diensten besteht die Gefahr, dass eine Grenzziehung zwischen dienstlich und privat allein durch die technischen Gegebenheiten nicht mehr möglich ist.
Ferner ist zu beachten, dass die dienstliche Kommunikation der Lehrkraft gegebenenfalls auch aktenrelevant werden muss, wenn es beispielsweise darum geht, ein Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern nachträglich zu dokumentieren und zu bewerten. Diese Dokumentation ist mit über Messenger-Dienste verschickte Botschaften nicht ohne Weiteres möglich.
Weitere Ausführungen des ULD zu diesem Thema:
https://datenschutzzentrum.de/artikel/1052-1.html
Was ist zu tun?
Schulverwaltung und Lehrkräfte dürfen nur datenschutzgerecht mit den Schülerinnen, Schülern und Eltern kommunizieren. Für Messenger-Kommunikation ist es nötig, dass datenschutzkonforme Lösungen entwickelt und bereitgestellt werden. Das Bildungsministerium sollte hierzu Festlegungen treffen.
4.7.4 Die digitale Fotowelt in der Schule wirft Fragen auf
Schon immer wurden in der Schule Fotos aufgenommen. Ereignisse wie die Einschulung, der Abschlussball, die Sportfeste oder sonstige schulische Veranstaltungen werden im Foto festgehalten. Nicht nur Familienangehörige, sondern auch Lehrkräfte fertigen Fotos dieser Ereignisse. Vor dem Einzug der Digitalfotografie und immer besserer Aufnahmemöglichkeiten von Smartphones standen die datenschutzrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Fragestellungen nicht so sehr im Fokus.
Das ULD erreichen nun vermehrt Anfragen von Schulleiterinnen und Schulleitern zu diesem Themenbereich. Diese beobachten, wie z. B. Eltern bei schulischen Veranstaltungen wie Theateraufführungen Fotos und Videos vom Geschehen auf der Bühne machen. Dabei mögen die eigenen Kinder im Zentrum des Interesses stehen. Andere Schülerinnen und Schüler werden jedoch naturgemäß mit aufgenommen.
Was geschieht nun mit den Bildern und Aufzeichnungen? Da es heute möglich ist, alles sofort im Internet zu veröffentlichen, sorgen sich viele Schulleiterinnen und Schulleiter um die Persönlichkeitsrechte der Schülerinnen und Schüler. Eine erste datenschutzrechtliche Einschätzung des ULD finden Sie unter:
https://datenschutzzentrum.de/artikel/1089-1.html
Eine abschließende Antwort auf alle in solchen Konstellationen auftauchenden Fragestellungen wird es kaum geben können. Es würde den Schulleiterinnen und Schulleitern jedoch schon helfen, wenn das Bildungsministerium eine Handreichung entwickelte, die die häufigsten Konstellationen und mögliche Lösungsansätze aufzeigt. Das ULD ist natürlich gerne zur Mitarbeit hieran bereit.
4.7.5 Digitales Klassenbuch im Pilotversuch getestet
Bereits im 35. Tätigkeitsbericht (Tz. 4.7.4) hatten wir darüber berichtet, dass das Bildungsministerium die Einführung und Nutzung elektronischer Klassenbücher und Notizbücher für die Lehrkräfte in einem Pilotversuch, der vom ULD datenschutzrechtlich begleitet wurde, voranbringen möchte. Das ULD hat im Rahmen dieser Beratung zwei Verfahren zusammen mit dem Bildungsministerium datenschutzkonform ausgerichtet. Dabei war es hilfreich, dass die beiden von den Schulen ausgesuchten Anbieter der Verfahren bereit waren, die vom ULD aufgestellten datenschutzrechtlichen Anforderungen umzusetzen.
Mittlerweile werden diese Verfahren in mehreren Schulen verschiedener Schularten in weiteren Pilotversuchen erprobt. Mit dem Erkenntnisgewinn aus den Rückmeldungen der Pilotschulen werden die vom ULD und dem Bildungsministerium erstellten organisatorischen und technischen Verfahrensregeln weiterentwickelt.
Der in der Schul-Datenschutzverordnung festgelegte Genehmigungsvorbehalt des Bildungsministeriums für die Nutzung solcher digitalen Klassen- und Notizbücher kann sicherstellen, dass die Schulen nur datenschutzkonforme IT‑Verfahren einsetzen.
4.7.6 Risiken: Lehrer-Apps ersetzen den klassischen Lehrerkalender
Immer mehr Lehrkräfte installieren auf ihren privaten Smartphones und Tablets Programme, mit denen sie ihre Unterrichtsplanung organisieren. Hiergegen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zunächst nichts einzuwenden. Jedoch werden in diesen sogenannten Lehrer-Apps auch die personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler wie z. B. die Namen, die Klassenzugehörigkeit und die Leistungen im Unterricht (Noten von Klassenarbeiten, mündliche Leistungen) bis hin zu Fehlzeiten gespeichert.
Aufgrund zahlreicher Anfragen von Lehrkräften und Schulleiterinnen und Schulleitern zur Zulässigkeit des Einsatzes solcher Lehrer-Apps und zu deren Sicherheit hat sich das ULD damit näher befasst.
Die datenschutzrechtliche Bewertung unter Berücksichtigung auch von schulrechtlichen Aspekten hat das ULD unter dem folgenden Link ausgeführt:
https://datenschutzzentrum.de/artikel/1053-1.html
Leider hat sich das Bildungsministerium bisher gegenüber den Schulen nicht geäußert, ob und unter welchen Bedingungen die Nutzung solcher Lehrer-Apps aus Sicht des Bildungsministeriums als zulässig erachtet wird.
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