24. Tätigkeitsbericht (2002)

4.3

Justizverwaltung

4.3.1

Zwangsversteigerungsdaten ab ins Internet?

Einige Gerichte wollen im Internet Informationen aus Zwangsversteigerungs- und Insolvenzverfahren veröffentlichen, um Kosten zu sparen und die Wirksamkeit der Veröffentlichung zu erhöhen. Eine Internet-Veröffentlichung belastet die Betroffenen erheblich stärker als herkömmliche Publikationen.

Einige Gerichte in anderen Bundesländern veröffentlichen schon seit längerem die Eröffnungsbeschlüsse aus Verbraucherinsolvenzverfahren auf ”elektronischen Gerichtstafeln” im Internet. Teilweise sind die Beschlüsse dort über einen mehrjährigen Zeitraum abrufbar. Das Justizministerium hatte uns daraufhin um Beratung ersucht, ob die Gerichte in Schleswig-Holstein Informationen über Zwangsversteigerungs- und Insolvenzverfahren in das Internet stellen dürften. Wir wiesen auf Folgendes hin: Für einen Schuldner wäre es wirtschaftlich und persönlich fatal, wenn auf unbestimmte Zeit unter seinem Namen in den Suchmaschinen des Internets für Jeden die Tatsache ersichtlich wäre, dass gegen ihn einmal ein Zwangsversteigerungs- oder Verbraucherinsolvenzverfahren lief. Ein wirtschaftlicher Neuanfang wäre wesentlich erschwert, zumal einmal in das Internet eingestellte Daten grundsätzlich nicht mehr rückholbar, d. h. rückstandsfrei löschbar, sind. Privatwirtschaftliche Auskunfteien könnten die Internet-Angebote der Gerichte kopieren und in eigenen Angeboten weit über den Zeitpunkt der offiziellen Veröffentlichung hinaus zur Verfügung stellen. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers, dass Insolvenzschuldner nicht in das Schuldnerverzeichnis der Amtsgerichte aufzunehmen sind, ist zu berücksichtigen. Der Bundestag hat inzwischen eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Internet-Veröffentlichung geschaf-fen, die allerdings noch durch eine Rechtsverordnung konkretisiert werden muss. Das Gesetz verfolgt vor allem den Zweck, Bekanntmachungskosten in örtlichen Zeitungen einzusparen, die über die Gerichtskosten letztlich der Schuldner selbst tragen muss. Die Bedenken der Datenschutzbeauftragten wurden aufgegriffen und im Gesetz festgelegt, dass in der Verordnung Vorkehrungen zur Gewährleistung der Integrität der Daten, der Zuordnung zu ihrem Ursprung und ein Kopierschutz gegenüber Dritten geschaffen werden müssen. Die Erfahrungen mit der Internet-Veröffentlichung von Insolvenzdaten sollen zudem kurzfristig ausgewertet werden. Dabei ist auch darzulegen, ob die beabsichtigten Einsparungen tatsächlich eingetreten sind.

Im Falle von Zwangsversteigerungen kann die bessere Zugänglichkeit der Informationen über das betreffende Objekt allerdings dem Schuldner selbst zugute kommen, da auf diese Weise unter Umständen zusätzliche Interessenten angesprochen werden. Das Zwangsversteigerungsgesetz lässt eine auch wiederholte Veröffentlichung bestimmter Informationen in einem anderen Medium als dem örtlichen für Gerichtsbekanntmachungen bestimmten Blatt zu. Um eine langfristige ”Prangerwirkung” des Internets gegenüber dem Schuldner zu vermeiden, darf die Inernet-Veröffentlichung jedoch nicht seinen Namen enthalten, der für potenzielle Bietende ohnehin zunächst uninteressant ist. Wenn ein privater Dienstleister (für derzeit vier Amtsgerichte aus Schleswig-Holstein: www.hanmark.de) bei der Internet-Veröffentlichung eingeschaltet wird, liegt eine Auftragsdatenverarbeitung vor. Das beauftragende Gericht darf nur die erforderlichen Daten an den Dienstleister übermitteln und muss im Rahmen einer Vereinbarung sicherstellen, dass die Daten nach der Versteigerung wieder gelöscht werden.

Was ist zu tun?
Das Justizministerium sollte bei der Umsetzung der gesetzlichen Spielräume für Internet-Veröffentlichungen von Daten darauf hinwirken, dass kein ”virtueller Schuldenpranger” für die Betroffenen entsteht.

4.3.2

Mit dem Scanner durch die Justizregister?

Die öffentlichen Register der Justiz sollen der Transparenz bestimmter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bereiche dienen. Sie werden von Behörden und nicht von privaten Institutionen geführt, damit die Beachtung der Vorschriften über Einsichtnahmen, den räumlichen Erfassungsbereich und über die datenschutzrechtlichen Verpflichtungen der Datenempfänger besser gewährleistet werden kann. Eine Übernahme ganzer Datenbestände durch private Auskunfteien kommt nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht in Betracht.

Eine bundesweit organisierte Auskunftei hatte bei einem Amtsgericht beantragt, alle Informationen aus dem Handels-, dem Genossenschafts-, dem Partnerschafts- und dem Vereinsregister per Scanner zu übernehmen, soweit sie ohne Darlegung eines berechtigten Interesses einsehbar sind.

Zwar handelt es sich bei den Registern der Justiz grundsätzlich um öffentlich zugängliche Datenbestände. Die Entscheidung jedoch, welchen räumlichen Bereich ein Register abdeckt, welche Anfragemöglichkeiten bestehen und wer auto-matisierten Zugriff bekommt, ist vom Gesetzgeber getroffen worden und muss daher in staatlicher Hand bleiben. Die bestehenden Register sind bislang dezentral und lassen sich nicht nach einem bestimmten Personennamen durchsuchen. In einem privatenParallelregister” würden Recherchemöglichkeiten im Gesamtbestand zu einem Namen geschaffen, sodass ersichtlich würde, an welchen Unternehmen und Vereinigungen eine Person in welcher Funktion beteiligt ist. Dies ist bislang vom Gesetzgeber nur beim Schuldnerverzeichnis zugelassen worden. Die Erlaubnis einer weiteren Nutzung wäre datenschutzrechtlich bedenklich.

Allerdings liegen gegenwärtig Gesetzes- bzw. Verordnungsentwürfe zur Registerautomation vor, die den erleichterten Zugang Privater zu in Justizregistern gespeicherten Informationen regeln werden. Die zu erwartenden Regelungen würden unterlaufen, wenn an Stelle von Einzelanfragen ganze Datenbestände in die Hand gewerblicher Auskunfteien gegeben würden. Dies haben wir in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium dargelegt.

Was ist zu tun?
Die Justiz sollte wachsam gegenüber einer kommerziellen Ausbeutung der ihr anvertrauten Daten sein.

4.3.3

Rechte und Pflichten der Betreuer

Informationen im Zusammenhang mit Betreuungsvorgängen sind sensibel. Betreuer dürfen nur im Rahmen des Erforderlichen bei anderen Behörden über die Betreuten recherchieren. Der Landesrechnungshof darf Betreuungsakten einsehen, wenn es für seine Kontrolltätigkeit erforderlich ist.

Eine Betreuerin hatte sich mit der Bitte um Einsichtnahme in die Akte eines mittlerweile eingestellten Strafverfahrens gegen den von ihr Betreuten wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung an die Staatsanwaltschaft gewandt. Darüber hinaus wollte sie wissen, ob weitere Strafverfahren gegen den Betreuten anhängig seien oder waren. Die Staatsanwaltschaft bat uns um Beratung zur Zulässigkeit entsprechender Datenübermittlungen. Einen Anspruch auf Einsichtnahme bzw. Auskünfte hätte die Betreuerin dann gehabt, wenn die ihr vom Gericht übertragenen Aufgabenkreise eine Kenntnis dieser Daten erfordert hätten. Die Betreuerin hätte allerdings darlegen müssen, warum die Daten aus den abgeschlossenen Verfahren für ein anderweitiges Verfahren, insbesondere ein gegenwärtig noch laufendes Strafverfahren, von Bedeutung waren. Ein bloßes Interesse an der Biografie des Betreuten reicht nicht aus. Berechtigt war dagegen die Frage nach anhängigen Strafverfahren gegen den Betreuten, da die Betreuerin gegebenenfalls die Frage prüfen musste, ob ein Verteidiger zu beauftragen war.

Von mehreren Stellen erreichten uns Anfragen, ob Daten über die Betreuer wie auch über die Betreuten im Rahmen einer Prüfung zur Kostenentwicklung im Betreuungswesen an den Landesrechnungshof übermittelt werden dürfen. Die Befugnisse des Landesrechnungshofes nach der Landeshaushaltsordnung umfassen auch die Einsichtnahme in Unterlagen mit personenbezogenen Inhalten. Beim Landesrechnungshof unterliegen solche Daten einer strengen Zweckbindung und dürfen nur im erforderlichen Umfang und unter Wahrung technisch-organisatorischer Sicherungen weiterverarbeitet werden. Diese Befugnisse umfassen auch die vorgeschriebenen Meldungen der Betreuer an die Betreuungsbehörden über die Zahl sowie den zeitlichen und finanziellen Umfang der von ihnen geführten Betreuungen. Auch die Betreuungsakten beim Amtsgericht unterfallen diesem Einsichtsrecht. Die Entscheidung darüber, welche Vorgänge an ihn übermittelt werden sollen, trifft der Rechnungshof selbst, weil ansonsten die zu prüfenden Stellen ein faktisches Mitentscheidungsrecht über den Untersuchungsrahmen hätten. Durch präzise Bekanntgabe des Prüfungsthemas muss es der Rechnungshof jedoch z. B. einer Behörde ermöglichen, die Daten, die in keinem sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Anforderung stehen, von den relevanten Unterlagen zu trennen.

4.3.4

Elektronisches Grundbuch - Wie sicher ist die Unterschrift?

Im September des Jahres 2001 wurde das elektronische Grundbuch beim ersten Amtsgericht in Schleswig-Holstein offiziell in Betrieb genommen. Leider gibt es aber noch immer offene Fragen zur Datensicherheit.

Im 23. Tätigkeitsbericht (Tz. 14.1) berichteten wir über den jüngsten Anlauf zur Einführung eines elektronischen Grundbuchs in Schleswig-Holstein, diesmal unter dem Namen FOLIA zusammen mit dem Land Baden-Württemberg. Das Grundkonzept dieses Systems ist viel versprechend und berücksichtigt Aspekte der Datensicherheit. Allerdings steckt der Teufel im Detail, nämlich bei der genauen Ausgestaltung der elektronischen Unterschrift. In der Vorschrift, die die Eintragung im elektronischen Grundbuch regelt, heißt es, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Eintragung den Nachnamen hinzusetzt und beides elektronisch unterschreibt. Übereinstimmend mit dem Standard des Signaturgesetzes für qualifizierte Signaturen wird im Verfahren FOLIA zu diesem Zweck eine Chipkarte an die einzelnen eintragungsberechtigten Mitarbeiter in den Grundbuchämtern ausgegeben, die jeweils mit einer PIN freigeschaltet werden kann. Mithilfe dieser Chipkarte und der PIN, die zu ihrer Aktivierung erforderlich ist, kann eine elektronische Signatur erzeugt werden.

Dieses theoretisch sichere Verfahren ist in der Praxis dadurch ”vereinfacht” worden, dass die PIN bei der Signierchipkarte lediglich wie eine Login-Kennung funktioniert. Zwar muss der Eintragungsberechtigte bei der erstmaligen Verwendung der Chipkarte nach dem Hochfahren des Systems seine PIN eingeben. Nachdem dies erfolgt ist, können allerdings sämtliche folgenden Signiervorgänge ohne weitere Eingabe der PIN vor sich gehen. Es ist dann lediglich erforderlich, der Menüführung zu folgen bzw. ”Enter” zu drücken. Dies eröffnet natürlich Angriffspunkte für die Sicherheit des Systems. Zwar sollen die eintragungsberechtigten Grundbuchbeamten angewiesen werden, ihre Chipkarte immer bei sich zu führen. Wird dies allerdings doch einmal unterlassen, so kann jedermann, der Zugang zu den Rechnern hat, mit einer noch im Lesegerät steckenden Chipkarte Eintragungen im elektronischen Grundbuch vornehmen. Diese können im Nachhinein kaum als unrechtmäßig erkannt werden, da sie mit einer Signatur versehen sind, die einem Eintragungsberechtigten zugeordnet war.

Diese Art von Signaturerzeugung wird man nicht als elektronische Unterschrift im Sinne der Vorschrift bezeichnen können. Eine solche wäre nur dann gewährleistet, wenn für jeden Signiervorgang jeweils eine erneute Eingabe der PIN gefordert würde. Nur dann wäre die Erklärungshandlung von Aufwand und Maß der geforderten Aktivität mit der herkömmlichen Unterschrift vergleichbar.

Die Einbuße an Sicherheit ist deswegen umso bedenklicher, weil der Verordnungsgeber bei der Führung des automatisierten Grundbuchs ohnehin die Sicherheitsstandards bereits heruntergesetzt hat. Sind im konventionellen Grundbuch immer zwei Personen erforderlich, die unabhängig voneinander einen Eintrag unterzeichnen und damit nach dem Vieraugenprinzip für Sicherheit sorgen, so tritt an deren Stelle im automatisierten Grundbuch die oben beschriebene elektronische Unterschrift. Kann diese nun durch einen einfachen Tastaturbefehl ohne die erforderliche Authentifizierung durch Besitz und Wissen in jedem Fall geleistet werden, so wird die Sicherheit des elektronischen Grundbuchs ohne Not herabgesetzt.

Dies kann zu erheblichen Gefährdungen nicht nur für das Datenschutzrecht der Bürger führen. Bekanntlich werden durch Eintragungen im Grundbuch erhebliche Vermögenswerte belegt. Schon eine kurzfristige Unrichtigkeit von Eintragungen könnte von Angreifern ausgenutzt werden und zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden führen. Dazu kommt, dass das elektronische Grundbuch ebenso wie das papierene den Rechtsschein der Richtigkeit für sich hat. Das bedeutet, dass Eintragungen im Grundbuch zunächst als zutrefffend gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Obwohl der Justizverwaltung diese Einwände seit geraumer Zeit bekannt sind, gab es bisher keine Initiative, die Mängel abzustellen. Leider wurde zudem das Verfahren in den Echtbetrieb genommen, ohne dass ein durch die Datenschutzverordnung zwingend vorgeschriebenes Sicherheitskonzept vorliegt. Das Justizministerium hat mittlerweile mitgeteilt, dass man im gemeinsamen Entwicklerverbund mit Baden-Württemberg nach einer softwaretechnischen Lösung suchen werde, wegen vorrangiger anderer Arbeiten habe die Sache jedoch keine Priorität. Daher ist mit Ergebnissen wohl nicht vor der zweiten Jahreshälte 2002 zu rechnen. Auch die baldige Übersendung eines Sicherheitskonzeptes wurde vom Justizministerium erneut in Aussicht gestellt.

Was ist zu tun?
Die für die Einführung des elektronischen Grundbuchs Verantwortlichen sollten schnellstmöglich dafür sorgen, dass die elektronische Unterschrift mit der erforderlichen Sicherheit geleistet wird.


Zurück zum vorherigen Kapitel Zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel