21. Tätigkeitsbericht (1999)



4.3

Verfassungsschutz - Sicherheitsüberprüfungsgesetz läßt weiter auf sich warten

Von einem Bedeutungswandel des Geheimschutzes nach Wegfall der Ost-West-Konfrontation ist in einem Referentenentwurf des Innenministeriums für ein Sicherheitsüberprüfungsgesetz wenig zu spüren. Auch die Ergebnisse unserer Kontrollen bei behördlichen Geheimschutzbeauftragten im Jahr 1991 müssen endlich berücksichtigt werden. Schleswig-Holstein droht Schlußlicht bei der Gesetzgebung für Sicherheitsüberprüfungen zu werden.

Obwohl eine Sicherheitsüberprüfung einen empfindlichen staatlichen Eingriff in die Privatsphäre darstellt, werden derartige Überprüfungen in Schleswig-Holstein ohne Rechtsgrundlage durchgeführt (vgl. 20. TB, Tz. 4.3.2). Eine Reihe anderer Bundesländer hat dagegen Sicherheitsüberprüfungsgesetze verabschiedet, in denen das herkömmliche Überprüfungsverfahren, für das die politischen Gegebenheiten des Kalten Krieges kennzeichnend waren, verändert worden ist. Ausgangspunkt unserer Stellungnahme zu einem Referentenentwurf des Innenministeriums war deshalb, daß ein auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit basierendes Verfahren nicht stärker in das Persönlichkeitsrecht eingreifen sollte als für den jeweiligen Überprüfungszweck erforderlich. Wichtig wäre zudem eine Reduzierung des Umfanges an Verschlußsachen und der in Frage kommenden Dienstposten, um das Sicherheitsüberprüfungsverfahren zu verschlanken. Im einzelnen haben wir folgende Änderungen vorgeschlagen:

  • Die bislang in Schleswig-Holstein bestehende Einrichtung eines Sicherheitsbeauftragten des Landes sollte beibehalten und durch Kompetenzverlagerungen zu Lasten der behördlichen Geheimschutzbeauftragten gestärkt werden. Der Sicherheitsbeauftragte sollte zur Wahrung seiner fachlichen Unabhängigkeit organisatorisch aus der Verfassungsschutzbehörde herausgelöst werden. Würde er abgeschafft, wären bei jedem behördlichen Geheimschutzbeauftragten höchst sensible Sicherheitsakten über die in der Dienststelle beschäftigten überprüften Personen zu führen.

  • Der Betroffene muß unterrichtet werden, wenn im Verlauf seiner Überprüfung weitergehende Maßnahmen erforderlich werden als durch seine Einwilligung in das Verfahren gedeckt sind. Die Gründe für eine Befragung von anderen Personen oder Stellen als zunächst vorgesehen müssen in der Sicherheitsakte dokumentiert werden.

  • Mitbetroffene Personen, z. B. Eltern und Partner müssen aus dem Gesetz ersehen können, inwieweit über sie Informationen eingeholt und gespeichert werden dürfen. Dies betrifft insbesondere Abgleiche ihrer Daten mit dem Informationssystem NADIS der Verfassungsschutzbehörden.

  • Im Wege der Anhörung muß der Betroffene zu Erkenntnissen aus der Befragung Dritter Stellung nehmen können, um sich gegen unberechtigte Vorbehalte wehren zu können. Gezielte unfaire "Anschwärzungen" sollten im Sicherheitsüberprüfungsverfahren keine Chance haben!

  • Angaben zu möglichen Sicherheitsrisiken aufgrund von psychischen oder gesundheitlichen Defiziten des Betroffenen sollten nur dann Eingang in die Sicherheitsakte finden, wenn sie von fachlich qualifizierter Seite bestätigt worden sind.

  • Die Rechte von Betroffenen auf Auskunft und Akteneinsicht sollten übersichtlich und für alle am Verfahren beteiligten Behörden einheitlich geregelt werden. Von der veralteten Vorstellung, eine Einsicht in Sicherheitsakten dürfe es grundsätzlich nicht geben, sollte Abschied genommen werden, da berechtigte Sicherheitsinteressen über Ausnahmeregelungen geschützt werden können.

  • Private Stellen, bei denen Sicherheitsüberprüfte beschäftigt werden, dürfen nur Daten zum Verfahrensablauf speichern und müssen insoweit der Kontrolle des Landesdatenschutzbeauftragten unterliegen.

  • Ausnahmen von den Kontrollbefugnissen des Landesdatenschutzbeauftragten, die es in Schleswig-Holstein auch im Verfassungsschutzbereich schon lange nicht mehr gibt, sollten nicht ausgerechnet bei Sicherheitsüberprüfungen eingeführt werden, gerade da, wo es um Informationen mit möglichen unmittelbaren beruflichen Auswirkungen für die hierbei Betroffenen geht!

  • Da sämtliche Datenerhebungen auf der Grundlage einer Einwilligung des Betroffenen erfolgen, dürfen sie entgegen ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung nur zur Verfolgung schwerster Straftaten genutzt werden. Auch die Befugnis der Verfassungsschutzbehörde, sich aus dem Fundus der Sicherheitsüberprüfungsdaten "selbst zu bedienen", sollte auf die Aufklärung von Bestrebungen im Terrorismus-, Spionage- bzw. gewaltgeneigten Extremismusbereich beschränkt bleiben.

Zu unserer Stellungnahme hat sich der Innenminister bislang noch nicht geäußert. Offenbar wird das Vorhaben derzeit nicht weiter vorangetrieben.

Was ist zu tun?
Der Innenminister sollte unter Berücksichtigung unserer datenschutzrechtlichen Anregungen das Gesetzgebungsverfahren endlich in Gang setzen, damit noch in dieser Legislaturperiode eine Rechtsgrundlage für Sicherheitsüberprüfungen verabschiedet werden kann.


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