20. Tätigkeitsbericht (1998)



4.3

Verfassungsschutz

4.3.1

Beobachtung von Sekten?

Der Landtag debattiert eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes, um eine Beobachtung der Scientologen durch den Verfassungsschutz zu ermöglichen. Dadurch würde das Gesetz entscheidend verwässert.

Großes Aufsehen hat der Beschluß der Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder erregt, die Scientology-Organisation vom Verfassungsschutz observieren zu lassen. Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, das diesen Beschluß bislang nicht umgesetzt hat. Der Grund dafür ist eine Bestimmung im Landesverfassungsschutzgesetz. Diese besagt, daß eine Beobachtung von Organisationen durch den Verfassungsschutz deren "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" gegenüber der bestehenden Verfassungsordnung voraussetzt. Das Erfordernis kann nach Auffassung des Innenministeriums bei den Scientologen derzeit nicht bejaht werden.

Um eine Beobachtung zu ermöglichen, wurde im Landtag ein Gesetzesantrag eingereicht, der eine ersatzlose Streichung der "Aggressionsklausel" vorsieht. Das hätte jedoch zur Folge, daß die Tätigkeit des Verfassungsschutzes auch in anderen Fällen uferlos ausgedehnt werden könnte. Im äußersten Fall wäre bereits eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Meinungsäußerung ein "Beobachtungsgegenstand". Alles, was der gewaltlosen politischen Meinungsfreiheit zuzurechnen ist, sollte aber in einem demokratischen Rechtsstaat von Überwachungsmaßnahmen ausgenommen sein. Wir haben uns deshalb gegen eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes ausgesprochen.

Was ist zu tun?
Die klaren Regelungen des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Schleswig-Holstein sollten nicht aufgeweicht werden, nur um für den speziellen Fall der Scientologen eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu ermöglichen.

4.3.2

Sicherheitsüberprüfungsgesetz längst überfällig

Seit Jahren drängen wir den Innenminister, endlich eine gesetzliche Grundlage für die bei einer Vielzahl von Personen im Lande vorgenommenen Sicherheitsüberprüfungen zu schaffen. Über mehrfache Ankündigungen, demnächst werde ein Entwurf vorgelegt, ist man bislang jedoch nicht hinausgekommen.

Ständig werden eine erhebliche Anzahl von Personen, die in Behörden, aber auch in der Privatwirtschaft in sogenannten sicherheitsempfindlichen Bereichen tätig sind, einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Dabei werden nicht nur Erkenntnisse über das Privat- und Vorleben der Betroffenen eingeholt, sondern es können auch Überprüfungen des Lebenspartners durchgeführt werden. Privatpersonen - etwa Bekannte, Freunde, Kollegen etc. - können über den Betroffenen befragt werden. Prüfungen von Datenschutzbeauftragten in Akten des Verfassungsschutzes haben bundesweit ergeben, daß es dabei oftmals zu weit in die Persönlichkeitsphäre der Betroffenen hineinreichenden Datenerhebungen und ­speicherungen kommt. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung ist oft von großer beruflicher Tragweite für den Betroffenen.

Seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983 kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß in diesem für das Persönlichkeitsrecht besonders empfindlichen Bereich eine gesetzliche Grundlage zu schaffen ist. 1988 erließ der Innenminister die "Sicherheitsrichtlinien" in Form einer einfachen Verwaltungsvorschrift, die auch heute noch Grundlage der Sicherheitsüberprüfung sind. Mit großer Verzögerung verabschiedete endlich der Bundesgesetzgeber 1994 für den Bereich der Bundesbehörden ein Sicherheitsüberprüfungsgesetz, dem bislang bereits einige Landessicherheitsüberprüfungsgesetze nachfolgten. Hierin hätte der Innenminister zumindest eine Orientierung für die Schaffung eines eigenen Entwurfs finden können. Trotz kontinuierlicher Nachfragen werden wir seit nunmehr drei Jahren mit dem Hinweis vertröstet, ein Entwurf befinde sich beim Innenminister in der hausinternen Abstimmung. Darüber hinaus ist jedoch, soweit für uns sichtbar, nichts geschehen.

Von anderer Seite kam jetzt allerdings Bewegung in die Sache, als sich im Berichtsjahr ein Polizeibeamter an uns wandte, der sich gegen seine beabsichtigte Sicherheitsüberprüfung zur Wehr setzen wollte. Er hat selbst tagtäglich die für die Polizei geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften bei seiner Arbeit zu beachten und konnte deshalb nicht einsehen, warum ein derart tiefgreifender Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht immer noch ohne gesetzgeberische Entscheidung stattfinden sollte. Vor dem Verwaltungsgericht hätte er nach unserer Einschätzung gute Chancen gehabt. Der Innenminister hat die Brisanz der Lage nun offensichtlich erkannt und die Sicherheitsüberprüfung in Bezug auf den Petenten sowie für alle anderen Polizeibeamten auf vergleichbaren Dienstposten bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zurückgestellt.

Es ist dringend erforderlich, daß nunmehr endlich ein Gesetzentwurf ausgearbeitet wird und alsbald ins Gesetzgebungsverfahren geht. Weitere Verzögerungen sind nicht länger hinnehmbar.

Was ist zu tun?
Der Innenminister muß schleunigst einen Gesetzentwurf für Sicherheitsüberprüfungen vorlegen.


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