20. Tätigkeitsbericht (1998)



4.7

Sozialwesen

4.7.1

Laxer Umgang eines Vermieters mit Sozialdaten

Sozialämter müssen dafür Sorge tragen, daß aus Sozialhilfemitteln gewährte Mietkautionen an sie zurückfließen. Sie haben aber auch eine Mitverantwortung, daß Vermieter mit Sozialdaten ihrer Mieter sorgsam umgehen.

Ein Sozialamt hatte einer Hilfeempfängerin die Mietkaution darlehensweise aus Sozialhilfemitteln gestellt. Dem Vermieter teilte das Sozialamt schriftlich mit, daß die Mietkaution übernommen worden sei und bei Beendigung des Mietverhältnisses nur an die Behörde ausgezahlt werden dürfe. Zugleich wurde der Vermieter gebeten, das Sozialamt umgehend zu informieren, wenn die Mieterin aus der Wohnung ausziehe. Durch diese Mitteilungen fühlte sich die betreffende Mieterin diskriminiert, zumal der Vermieter mit dritten Personen über die Kautionsregelung und in diesem Zusammenhang über den Umstand gesprochen habe, daß sie Sozialhilfe bezog.

Die Information des Vermieters hinsichtlich des Darlehens und auch die Aufforderung, den Auszug der Mieterin zu melden, war zwar zur Aufgabenerfüllung des Sozialhilfeträgers erforderlich und damit zulässig. Wir haben dem Sozialamt jedoch dringend nahegelegt, Vermieter in derartigen Fällen auf ihre Pflicht zur vertraulichen Behandlung der offenen Sozialdaten nach dem Sozialgesetzbuch hinzuweisen.

Was ist zu tun?
Wenn Behörden dritten Personen Sozialdaten übermitteln, müssen sie deutlich auf deren Sensibilität und das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen hinweisen.

4.7.2

Wenn das Sozialamt eine Blankovollmacht will

Das Sozialamt darf bei der Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Sozialhilfeempfängern nur dann eine Ermächtigung zur Einholung von Bankauskünften fordern, wenn konkrete Anhaltspunkte für falsche oder unvollständige Angaben des Hilfeempfängers vorliegen. Pauschale Ermächtigungsklauseln auf Überprüfungsbögen sind unzulässig.

Ein Bürger, der im Rahmen des Bezuges von Sozialhilfeleistungen dem Sozialamt gegenüber seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen sollte, beschwerte sich bei uns über folgenden Passus des von ihm auszufüllenden und zu unterschreibenden Überprüfungsbogens: "Hiermit ermächtige ich außerdem alle Sparkassen und Banken, insbesondere die o. g. Banken und Geldinstitute, dem Kreissozialamt Auskunft über die Höhe aller Guthaben meiner jetzigen und früheren auf meinen Namen geführten Konten zu geben. Hierzu zählen auch unter Umständen die Konten, die als Gläubiger meinen Ehegatten ausweisen."

Die generelle und formularmäßige Aufforderung, der Einholung von Bankauskünften zuzustimmen, ist nicht von der Verpflichtung des Hilfeempfängers zur Angabe leistungserheblicher Tatsachen und der sonstigen Mitwirkungspflicht gedeckt. In erster Linie muß der Hilfeempfänger selbst seine Einkommens- und Vermögenssituation darlegen und die erforderlichen Nachweise beifügen. Das Sozialamt darf bei Dritten - d. h. auch bei Banken - nur dann nachfragen, wenn konkrete Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit der Angaben bestehen. Diese Auffassung wird auch von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertreten. Das betreffende Sozialamt hat zugesagt, künftig die Einwilligung nur im konkreten Einzelfall einzuholen.

Was ist zu tun?
Überprüfungsbögen, in denen Sozialhilfeempfänger eine pauschale Auskunftsermächtigung erteilen müssen, dürfen von den Sozialämtern nicht mehr verwendet werden.

4.7.3

Akten von Hilfeempfängern dürfen nicht automatisch "mit umziehen"

Wird durch Wohnsitzwechsel eines Sozialhilfeempfängers ein anderer Sozialhilfeträger zuständig, so darf nicht routinemäßig die gesamte bestehende Sozialhilfeakte an die neu zuständige Stelle gesandt werden.

Anläßlich einer Prüfung in einem Sozialamt ergab sich, daß dort üblicherweise die gesamten Akten neu zugezogener Sozialhilfeempfänger vom zuvor zuständigen Sozialhilfeträger angefordert wurden. Aus den Akten wurden sodann die für die weitere Berechnung des Sozialhilfeanspruches relevanten Daten entnommen. Neben den für die Ermittlung des Hilfeanspruches tatsächlich erforderlichen Daten befanden sich in den Akten jedoch auch andere Angaben, die teilweise wertenden Charakter hatten. So stießen wir auf Bemerkungen wie: "Herr X ist mit Vorsicht zu genießen."

Das Sozialamt stützte sich auf eine Erklärung im Sozialhilfeantrag, wonach die Antragsteller im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht in die Speicherung und Verarbeitung der im Antrag erhobenen Daten einwilligen. Weiter war vom Antragsteller folgender Passus unterschrieben worden: "Mit der Übersendung der Sozialhilfeakte an einen anderen Sozialleistungsträger, bei dem der Inhalt der Akte zur weiteren Aufgabenerfüllung benötigt wird, bin ich einverstanden."

Die Übersendung einer vollständigen Sozialhilfeakte ist jedoch nur dann zulässig, wenn der neue Sozialhilfeträger sämtliche darin enthaltenen Informationen auch tatsächlich benötigt. Dies dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein. In der Regel benötigt bei Wohnsitzwechsel des Sozialhilfeempfängers der neue Sozialhilfeträger nur einige Daten, z. B. Angaben über bereits gewährte Bekleidungszuschüsse, um sicherzustellen, daß keine Doppelzahlungen erfolgen. Soweit der neue Sozialhilfeträger zur korrekten Bearbeitung des Antrages Informationen benötigt, hat er dies gegenüber dem bisherigen Sozialleistungsträger konkret darzulegen.

Auch die pauschal erteilte Einwilligung kann deshalb nicht die Übermittlung von Daten, die nicht für die Hilfeberechnung erforderlich sind, rechtfertigen.

Was ist zu tun?
Vor der Versendung kompletter Sozialhilfeakten an andere Leistungsträger ist zu prüfen, ob alle in der Akte enthaltenen Daten tatsächlich für die weitere Bearbeitung erforderlich sind. Nur die benötigten Informationen dürfen angefordert werden.

4.7.4

Keine Sozialdaten für den Amtsausschuß

Ein Amtsausschuß darf in seiner Funktion als Selbstverwaltungsorgan den Prüfungsbericht über ein Sozialamt nur einsehen, wenn dieser anonymisiert ist.

Ein Amtsausschuß hatte um Übersendung eines Prüfungsberichtes gebeten, den das Rechnungsprüfungsamt des Kreises über die Arbeitsweise des Sozialamtes der Amtsverwaltung angefertigt hatte. Dies führte zum Interessenkonflikt: Der Amtsausschuß als Selbstverwaltungsorgan benötigte den Bericht, um die Personalausstattung des Amtes beurteilen und in den Haushaltsberatungen berücksichtigen zu können. Andererseits erfüllt das Amt die Sozialhilfeangelegenheiten nur im Auftrag des Kreises nach dessen Weisung. Damit ist der Amtsvorsteher nicht befugt, personenbezogene Sozialdaten an den Amtsausschuß als einem Organ der kommunalen Selbstverwaltung zu übermitteln. Dieser Interessenwiderstreit kann allerdings leicht durch eine Anonymisierung der betreffenden Daten gelöst werden. Die Übermittlung des Prüfberichtes ohne personenbezogene Daten von Sozialhilfeempfängern ist datenschutzrechtlich unbedenklich.

Was ist zu tun?
Durch Anonymisierung können häufig Interessenkonflikte bei der Bereitstellung von Informationen gelöst werden.


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