17. Tätigkeitsbericht (1995)



4.3

Kommunalbereich

4.3.1

Kontrollergebnisse aus den Kommunen

Kontrollen bei einer Kommunalverwaltung haben erneut datenschutzrechtliche Mängel ergeben. Die betroffene Stadt hat rasche Mängelbeseitigung in Aussicht gestellt.

Die letztjährigen Prüfungsergebnisse im kommunalen Bereich (vgl. 16. TB, Tz. 4.2) hatten Mängel bei der Aufnahme von Datenverarbeitungsregelungen in das Satzungsrecht sowie in der Handhabung des Aufklärungsgebots bei der Datenerhebung aufgezeigt. Im Berichtsjahr wurde deshalb erneut eine Prüfung im Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben durchgeführt.

Allgemeine Feststellungen

Die Ergebnisse waren erneut unbefriedigend. Es waren zwar für alle Selbstverwaltungsbereiche Datenverarbeitungsvorschriften erlassen worden, sie entsprachen jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zu beanstanden war insbesondere, daß

  • Datenverarbeitung in einem Umfang zugelassen wurde, der zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung nicht erforderlich war,

  • Befugnisse zur Datenverarbeitung nicht hinreichend präzise festgelegt waren und

  • die in der Satzung beschriebene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmte,

  • die tatsächliche Datenverarbeitung, z.B. im Hinblick auf die Aufklärung der Betroffenen bei der Datenerhebung, nicht mit den gesetzlichen Vorschriften übereinstimmte,

  • die in Akten gespeicherten Daten zu lange aufbewahrt wurden.

Wir haben u.a. empfohlen, in einer Aktenordnung nähere Regelungen zur Aufbewahrungsfrist zu treffen, die dem vom Datenschutzgesetz vorgeschriebenen Begriff der Erforderlichkeit gerecht werden.

Datenverarbeitung im Alten- und Pflegeheim

Die Verwaltung des Bargeldes der Heimbewohner erfolgte in einer Reihe von Fällen ohne wirksame Vollmacht der Betroffenen. In einem Fall war dem Kreissozialamt sogar der Stand eines Bargeldkontos mitgeteilt worden, um überprüfen zu lassen, ob der Heimbewohner die ihm nach dem Bundessozialhilfegesetz gezahlten Barbeträge bestimmungsgemäß verwendet hatte. Der Betroffene hatte von der Mitteilung erst nach der Einstellung der Leistungen des Kreissozialamtes Kenntnis erhalten.

In den Verwaltungsakten des Heimes befand sich auch privater Schriftwechsel der Bewohner, der im Rahmen der persönlichen Betreuung vom Hause mit verwaltet wurde. Wegen der besonderen Zweckbindung dieser Unterlagen wurden die Vorgänge auf unsere Veranlassung hin getrennt.

Erstellung von Wegzugslisten des Meldeamtes

Bei der Prüfung der Stadtbücherei stellte sich heraus, daß die Kundendatei regelmäßig aufgrund von Wegzugslisten des Meldeamtes aktualisiert wurde. Auf Nachfrage bestritten die Mitarbeiter des Meldeamtes wie auch der Ordnungsamtsleiter ausdrücklich die Herausgabe solcher Listen.

Weitere Nachforschungen ergaben dann, daß entsprechende Listen vom Systembetreuer der EDV-Anlage ohne Kenntnis des Ordnungsamtes erstellt worden waren und nicht nur der Bücherei, sondern auch dem Sozialamt zur Verfügung gestellt worden waren. Eine Weisung zur Erstellung der Listen lag nicht vor. Mit deren eigenverantwortlicher Erstellung hatte der Systembetreuer den Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben weit überschritten. Ermöglicht wurde der Verstoß durch eine nicht ausreichende Datenübermittlungskontrolle.

Einziehung von Forderungen im Rahmen der Gegenseitigkeitshilfe der Stadtwerke

Wenn der Inhaber eines Versorgungsausschlusses verzogen war, ohne seine Rechnung vollständig zu bezahlen, bedienten sich die Stadtwerke einer sogenannten Gegenseitigkeitshilfe. Das Energieversorgungsunternehmen am neuen Wohnort des Schuldners wurde gebeten, "den Kunden zur Zahlung zu bewegen". Weiter hieß es in entsprechenden Schreiben: "Sollten Ihre Bemühungen nicht zum Erfolg führen, wären wir für Hinweise über Einkommens- und Vermögensverhältnisse unseres Schuldners sowie für die Angabe seines Arbeitgebers dankbar."

Bei der Gegenseitigkeitshilfe würden sowohl an öffentliche wie auch private Stellen besonders geschützte Vertragsdaten, unzulässigerweise übermittelt. Auf unsere Beanstandung hin wurde die Praxis eingestellt.

Unterrichtung des Magistrats über Entscheidungen zur Nichtausübung des Vorkaufsrechts

Auf Beschluß des Magistrats waren ihm grundsätzlich nur die Kaufverträge zur Entscheidung vorzulegen, in denen tatsächlich ein gesetzliches Vorkaufsrecht ausgeübt werden sollte. Die Entscheidung über den Verzicht auf das Vorkaufsrecht war auf den Leiter der Bauverwaltung bzw. dessen Vertreter delegiert worden. Über diese Fälle wurde der Magistrat im nachhinein unter Vorlage der vollständigen Kaufverträge informiert.

Zum Zeitpunkt der Unterrichtung der Magistratsmitglieder war die abschließende Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts bereits getroffen worden. Die Vorlage der Kaufverträge war also nicht mehr erforderlich.

Überdies wurden eingehende Kaufverträge in einer Liste unter Angabe des Verkäufers, des Käufers, der Größe sowie der Lage des Grundstücks erfaßt und gemeinsam mit den vollständigen Verträgen zumindest seit dem Jahr 1985 aufbewahrt. Für die Führung einer derartigen Kaufvertragsdatei besteht im kommunalen Bereich weder eine Befugnis noch eine Notwendigkeit, sie war deshalb zu vernichten. Zur Übermittlung von Kaufverträgen durch die Notare gilt in Schleswig-Holstein nunmehr ein neues Verfahren (vgl. Tz. 9.4). Danach erhalten die Kommunen künftig nur noch dann vollständige Verträge, wenn die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts tatsächlich in Betracht kommt.

Reaktion der Stadt

Die Prüfungsanregungen und Beanstandungen wurden von der Stadt aufgegriffen. In ihrer Stellungnahme führt sie aus: "Wir gehen davon aus, Ihre Beanstandungen, Empfehlungen usw. hiermit ausgeräumt bzw. umgesetzt zu haben bzw. dies so bald wie möglich zu realisieren."

4.3.2

Welche personenbezogenen Daten dürfen Gemeindevertreter zur Vorbereitung von Entscheidungen erhalten?

Mitglieder von Gemeindevertretungen und kommunalen Ausschüssen dürfen nur die personenbezogenen Informationen erhalten, die für ihre Entscheidung erforderlich sind. Werden sensible Punkte behandelt, ist die Öffentlichkeit auszuschließen.

Fast in jedem Berichtsjahr taucht die Frage auf, ob und in welchem Umfang den Gemeindevertretungen und ihren Ausschüssen für die Vorbereitung von Entscheidungen personenbezogene Daten zugeleitet und ob diese in Sitzungen erörtert werden dürfen (z.B. Auskünfte über Sozialhilfebezug bei Anträgen auf Befreiung von kommunalen Abgaben, personenbezogene Informationen zur Entscheidung über Gewerbesteuerstundungen, zulässiger Umfang der Unterrichtung von Gemeindevertretern in Bauantragsverfahren).

Vielfach besteht aus Unsicherheit darüber, über welche Informationen in öffentlichen Sitzungen beraten werden darf und in welchen Fällen die Öffentlichkeit auszuschließen ist. Bei der Tätigkeit von Gemeindevertretern ist der Grundsatz zu beachten, daß sie über diejenigen Daten verfügen müssen, die für die rechtmäßige Aufgabenerfüllung erforderlich sind. Hat also die Gemeindevertretung oder ein Ausschuß eine Verwaltungsentscheidung zu treffen, so müssen die Mitglieder die dazu erforderlichen Informationen erhalten. Erforderlich sind Informationen dann, wenn ohne sie eine Entscheidung sachgemäß nicht getroffen werden kann.

Das Sozialgesetzbuch (SGB) verbietet grundsätzlich die Übermittlung von Angaben zur Sozialhilfe, soweit sie nicht für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe nach dem SGB erforderlich ist. Bei Entscheidungen über die Ermäßigung kommunaler Abgaben dürfen daher ohne Einwilligung der Betroffenen Angaben zum Sozialhilfebezug nicht an die Gemeindevertretungen weitergegeben werden. Allerdings wird die Einwilligung durchweg erreichbar sein, da die Betroffenen die Voraussetzungen für Abgabenermäßigungen nachweisen müssen und der Hinweis auf die Sozialhilfe die einfachste Form des Nachweises sein dürfte.

Ähnliches gilt für den Fall der Steuerstundung. Das Steuergeheimnis wird nicht verletzt, wenn die Verantwortlichen für eine Entscheidung im Stundungsverfahren über die erforderlichen Details unterrichtet werden. Dazu gehören jedenfalls der Name des Steuerschuldners, die Höhe des zu stundenden Betrages und die Antragsgründe. Einzelheiten der wirtschaftlichen Verhältnisse sind dann erforderlich, wenn ohne sie die Antragsgründe im Einzelfall nicht geprüft werden könnten.

Auch im Zusammenhang mit Bausachen erhält das zuständige Gremium die Daten, deren Kenntnis es für die vorgesehene Entscheidung im Einzelfall bedarf. Daneben kann einzelnen Mitgliedern Auskunft erteilt und u. U. Akteneinsicht gewährt werden, wenn dies für die Vorbereitung oder Kontrolle der Ausführung einzelner Beschlüsse der Gemeindevertretung oder ihrer Ausschüsse erforderlich ist. Es muß also immer ein Bezug zu konkreten Beschlüssen und Beschlußvorlagen vorhanden sein. Nach alledem hängt das Informationsrecht kommunaler Vertreter von der Erforderlichkeit für den einzelnen Entscheidungsgegenstand ab.

Ob die Entscheidung in öffentlicher Sitzung vorbereitet und getroffen werden darf, richet sich dabei nach den Vorschriften des kommunalen Verfasssungsrechts, die die Öffentlichkeit von Sitzungen der Gremien regeln. Hier gilt grundsätzlich, daß die Öffentlichkeit auszuschließen ist, wenn berechtigte Interessen einzelner es erfordern (z.B. Sozialgeheimnis, Steuergeheimnis, aber auch gewichtige geschäftliche Interessen). Dies hat der Vorsitzende zu prüfen und iene Entscheidung herbeizuführen.

4.3.3

Berichtigungsanspruch bei fehlerhafter Darstellung personenbezogener Daten in Gemeindevertretersitzungen

Werden in einer Sitzung der Gemeindevertretung unrichtige Auskünfte über Bürger erteilt, so ist nicht das Protokoll zu korrigieren, sondern in der nächsten Sitzung eine Richtigstellung vorzunehmen.

Im Rahmen einer Einwohnerfragestunde wurden vom Bürgermeister Auskünfte erteilt, die auch Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Fragestellers enthielten. Im nachhinein stellten sich diese Angaben als fehlerhaft heraus. Der Betroffene beantragte deshalb unter Berufung auf den datenschutzrechtlichen Berichtigungsanspruch eine Änderung der Darstellung im Sitzungsprotokoll.

Nach unserer Auffassung kam hier eine Berichtigung der Sitzungsniederschrift nicht in Betracht. In einem solchen Protokoll soll der tatsächliche Verlauf der Sitzung dokumentiert werden. Eine Gewähr für die Richtigkeit von Daten in Redebeiträgen wird nicht übernommen. Eine Berichtigung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die in der Sitzung gemachten Ausführungen nicht mit der Darstellung im Protokoll übereinstimmen.

Dagegen bestand jedoch ein Anspruch auf Richtigstellung der Angaben in der nächsten Gemeindevertretersitzung. Betroffene haben einen Anspruch darauf, daß Auskünfte, die von Behörden erteilt werden, richtig sind. Stellt sich die Unrichtigkeit personenbezogener Daten heraus, sind unverzüglich die Stellen zu unterrichten, denen die Daten übermittelt wurden. Im konkreten Fall bedeutete dies, daß die unrichtigen Auskünfte in der nächsten Gemeindevertretersitzung richtiggestellt werden mußten, so daß die Öffentlichkeit in gleicher Weise wie bei der Bekanntgabe der fehlerhaften Daten davon Kenntnis erhielt. Die Berichtigung ist dann auch im Protokoll nachzulesen.

4.3.4

Wenn die Kindergärtnerin nach dem Einkommen der Eltern fragt

Viele Eltern sehen es mit Unbehagen, wenn sie gegenüber einem privaten Kindergarten ihr Einkommen offenlegen sollen, um in den Genuß einer Gebührenermäßigung zu kommen. Die Beauftragung der Kommune mit dem Gebühreneinzug kann eine sachgerechte Lösung sein.

In einer Stadt betrieben die Kirchengemeinde und ein privater Trägerverein je einen Kindergarten. Sie hatten keine eigene Regelung über die Benutzungsentgelte beschlossen, sondern die städtische "Gebührenordnung" übernommen und die Stadt mit der Erhebung der Beiträge beauftragt. Der Magistrat hatte eine "Gebührenordnung für die Benutzung der Kindertagesstätten in der Stadt ..." beschlossen, obwohl die Stadt gar keinen eigenen Kindergarten betrieb. Interessierte Eltern unterrichtete sie durch ein Informationsblatt über die "Kindergartengebühren 1993/1994". Darin erläuterte sie u.a. die Zusammensetzung des "Nettofamilieneinkommens", Absetzungsmöglichkeiten, Kostenberechnungen, "Gebühren"höhe u.ä. Das Merkblatt schloß mit den Worten: "Mit freundlichen Grüßen, Ihre Stadtverwaltung ...".

Beigefügt war außerdem ein formularmäßiger "Antrag auf Einstufung in die Gebührenstaffel für Kindergärten", mit dem Angaben über das Familieneinkommen interessierter Eltern erhoben werden sollten. Darin hieß es u.a.:

"Ich bin/Wir sind damit einverstanden, daß die zur Einkommens- und Absetzungsberechnung notwendigen Unterlagen und Sozialdaten beim Sozialamt der Stadt ... verarbeitet und gespeichert werden. Die automatisierte Verarbeitung ist zulässig. Diese Zustimmung erstreckt sich nur auf die Einkommens-/Absetz-ungsberechnung im Rahmen der Einstufung in die Sozialstaffel."

Im konkreten Fall war also die Stadt Auftragnehmer für die Datenverarbeitung der Träger der privaten Kindergärten. Die Stadt erhob daher die personenbezogenen Daten nicht auf der Grundlage einer eigenen Satzung. Maßgebende Grundlagen für das Verfahren waren vielmehr die Verträge der Eltern mit den Kindergartenträgern in Verbindung mit deren Beschlüssen zur Beauftragung der Stadt mit dem Gebühreneinzug.

Bedenken ergaben sich aus unserer Sicht gegen die Art, in der die Eltern über das Verfahren unterrichtet wurden. Weder vom Druckbild her, noch was die Hinweise auf die Rechtsgrundlage und den Zweck der Verarbeitung betrifft, war das Antragsformular in Ordnung. Es fehlte auch ein Hinweis, daß die Stadt hier nicht hoheitlich, sondern im Auftrag privater Stellen tätig war.

Werden diese Schwächen behoben, ist gegen die Beauftragung der Stadt mit dem Gebühreneinzug und der damit verbundenen Datenverarbeitung nichts einzuwenden. Denn aus einer Reihe von Einzeleingaben ist uns bekannt, daß viele Eltern ihre Einkommensverhältnisse lieber vor einer öffentlichen Stelle als etwa vor der Leitung eines privaten Kindergartens offenlegen.

4.3.5

Kontrolle gaststättenrechtlicher Erlaubnisverfahren

Bei einer Prüfung wurden Mängel bei den gaststättenrechtlichen Erlaubnisverfahren festgestellt. Datenschutzrechtliche Mindeststandards waren weitgehend unbekannt.

Im Rahmen einer Prüfung gaststättenrechtlicher Erlaubsnisverfahren haben wir folgende datenschutzrechtliche Mängel festgestellt:

Anforderung von Lebensläufen

Im Rahmen der Antragstellung für Gaststättenerlaubnisse wurden von den Betroffenen Lebensläufe gefordert. Zusätzlich wurden in dem landeseinheitlichen Antragsformular ganz allgemein Angaben über den Aufenthalt und die berufliche Betätigung in den letzten drei Jahren vor Antragstellung verlangt.

Die bei unserer Kontrolle vorgefundenen Lebensläufe differierten inhaltlich erheblich. Teilweise wurden Angaben über Eltern und Geschwister gemacht, in einem anderen Fall wurden die einzelnen Phasen der Schulausbildung detailliert dargelegt. Dagegen enthielt der kürzeste Lebenslauf neben den Angaben zur Person nur folgende Aussage: "Ich bin seit 1981 in Deutschland und habe immer in der Gastronomie gearbeitet". Auch diese Kurzfassung reichte offensichtlich für die Erteilung der Gaststättenerlaubnis aus.

Für die Betroffenen war bei einer so unspezifizierten Datenanforderung wie einem "Lebenslauf" nicht erkennbar, welche ihrer Daten wirklich für die Entscheidung benötigt wurden. Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, einen unvollständigen Lebenslauf abgegeben zu haben, wurden häufig mehr Angaben gemacht als tatsächlich erforderlich waren. Die vorgefundenen Lebensläufe enthielten deshalb in der Regel auch eine Vielzahl von Daten, die für die beantragte Erlaubnis nicht entscheidungsrelevant waren. Soweit Angaben über frühere Aufenthalte und berufliche Betätigungen der Betroffenen benötigt wurden, wären diese Daten präzise über das vorgeschriebene Antragsformular zu erfragen gewesen. Für einen weitergehenden Lebenslauf besteht keine Notwendigkeit.

Einholung eines Führungszeugnisses

In einem der geprüften Fälle war im Erlaubnisverfahren versäumt worden, vom Antragsteller ein Führungszeugnis über die Ehefrau zu fordern. Als dies ca. ein Jahr nach Erlaubniserteilung festgestellt wurde, füllte die geprüfte Stelle eigenmächtig einen "Antrag einer Privatperson auf Erteilung eines Führungszeugnisses" aus, bestätigte anschließend die Angaben als Meldebehörde und veranlaßte schließlich die Zustellung der Rückantwort unmittelbar an die Ordnungsbehörde. Eine Unterschrift des Betroffenen war im Antragsformular nicht vorgesehen. Der Antragsteller und seine Ehefrau hatten von diesem Vorgang keine Kenntnis. Sie wurden darüber erst unterrichtet, als von ihnen im nachhinein die Zahlung einer Verwaltungsgebühr verlangt wurde.

Das Bundeszentralregistergesetz läßt eine Auskunft an Behörden nur zu, wenn sie für die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe benötigt wird und eine Anforderung über den Betroffenen nicht sachgemäß ist oder erfolglos bleibt. Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt. Die beantragte Erlaubnis war rechtskräftig erteilt worden. Es waren nur eben die Akten nicht "vollständig".

Vorrang der Datenerhebung beim Betroffenen

Vor Erteilung von Erlaubnissen wurden regelmäßig die örtlichen Ordnungsbehörden der Gemeinden, in denen der Antragsteller bzw. sein Ehegatte in den letzten drei Jahren vor Antragstellung ihren Wohnsitz hatten zur persönlichen Zuverlässigkeit der Betroffenen gehört.

Die Anhörung der örtlichen Ordnungsbehörden ist zwar in den Verwaltungsvorschriften zum Gaststättengesetz vorgesehen. Das Landesdatenschutzgesetz und inzwischen auch die Gewerbeordnung schreiben jedoch einen Vorrang der Datenerhebung beim Betroffenen vor.

Nach unserer Auffassung hätten die Betroffenen aufgefordert werden müssen, eine "ordnungsrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" selbst beizubringen. Eine Datenerhebung durch die geprüfte Stelle wäre allenfalls als Serviceleistung auf besonderen Wunsch der Antragsteller zulässig gewesen.

Regelmäßige Datenerhebung bei örtlichen Polizeidienststellen

Zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit wurden außerdem regelmäßig Anfragen an die für den Wohnsitz zuständige Polizeidienststelle gerichtet. Dies war für die Aufgabenerfüllung der geprüften Stelle nach den von uns getroffenen Feststellungen nicht erforderlich. Eine regelmäßige Beteiligung örtlicher Polizeidienststellen ist nämlich selbst in den Verwaltungsvorschriften des Wirtschaftsministers nicht vorgesehen. Zur Gewährleistung einer umfassenden Zuverlässigkeitsprüfung könnten ggf. Angaben über schwebende Verfahren vom Antragsteller verlangt werden. Stellt sich später z.B. durch eine "Mitteilung in Strafsachen" heraus, daß unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, kann eine rechtskräftig erteilte Erlaubnis nach den Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes zurückgenommen werden.

Aufklärung der Betroffenen bei der Datenerhebung

Bei der Bearbeitung eines Antrages werden in erheblichem Umfang weitere personenbezogene Daten erhoben. Die Betroffenen waren darüber in allen geprüften Fällen nicht aufgeklärt worden. Auch eine Unterrichtung über die Beteiligung anderer Stellen am laufenden Verfahren war nicht erfolgt.

Routinemäßige Unterrichtung der Polizei

Nach Erteilung einer Gaststättenerlaubnis erhielt die örtliche Polizeidienststelle jeweils eine Durchschrift des Bescheides zur Kenntnis. Der genaue Zweck, zu dem die Unterrichtung erfolgte, konnte von der geprüften Stelle nicht genannt werden, aber das habe man schon immer so gemacht.

Für den Betrieb einer Gaststätte ist keine besondere Überwachung durch die Polizei vorgeschrieben. Es mußte deshalb davon ausgegangen werden, daß die Übermittlung der Daten nicht zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Gaststättengesetz erfolgte. Eine ausreichende Befugnisgrundlage war dafür nicht vorhanden. Die Datenübermittlung war deshalb zu beanstanden.

Speicherung personenbezogener Daten in Erlaubnisakten

Die Führung der Akten erfolgte "objektbezogen". Es wurden alle Unterlagen, die eine bestimmte Gaststätte betrafen, in einem Vorgang dauerhaft aufbewahrt. Eine Prüfung, ob die jeweiligen Unterlagen entscheidungserheblich waren, fand nicht statt. Dies führte z. B. dazu, daß im Rahmen der Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit eine von der Kriminalpolizei in Kopie übersandte Strafanzeige gespeichert wurde, die erhebliche Vorwürfe gegen den Antragsteller enthielt. Dieser Strafanzeige war u.a. die Behauptung zu entnehmen, der Betroffene habe einem früheren Konkurrenten gedroht "er werde ihn alle machen, damit er sein Maul nie wieder aufreißen könne". Gleichwohl war das Strafverfahren ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts mangels öffentlichen Interesses eingestellt worden.

Ob der Sachverhalt bei der Entscheidungsfindung der geprüften Stelle berücksichtigt wurde, war den Akten nicht zu entnehmen. Die Erlaubnis wurde jedenfalls vorbehaltlos erteilt. Fraglich blieb, zu welchem Zweck die Kopie der Strafanzeige gespeichert wurde, da weder eine Sachverhaltsaufklärung noch eine Anhörung des Betroffenen erfolgte.

In Erlaubnisakten dürfen nach dem Landesverwaltungsgesetz nur Unterlagen aufgenommen werden, die von ihrer Zweckbestimmung her zur Dokumentation der zu treffenden Verwaltungsentscheidung erforderlich sind. Nur auf diese Weise können Betroffene bei einer Akteneinsicht erkennen, welche Sachverhalte für ihr Erlaubnisverfahren von Bedeutung sind. Deshalb muß vor Aufnahme eines Vorgangs in die Erlaubnisakte der darin enthaltene Sachverhalt ausreichend geklärt und erlaubnisrechtlich gewichtet werden. In den geprüften Akten war dies zumindest nicht ausreichend dokumentiert.


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