16. Tätigkeitsbericht (1994)
4.5 |
Wirtschaft, Technik und Verkehr |
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4.5.1 |
Automatisierte Zahlungssysteme im Verkehr |
Die mobile Gesellschaft verlangt Eintrittsgeld. Wer reist, muß zahlen. Moderne bargeldlose Zahlungsverfahren haben gewisse Vorteile, bergen aber die Gefahr in sich, daß Reisewege, -ziele und -zeiten Betroffener, mithin: Bewegungsbilder, aufgezeichnet werden.
"Plastikgeld" ist inzwischen ein weitverbreitetes Zahlungsmittel. Weniger bewußt dürfte den Benutzern von Scheckkarten, Kreditkarten oder anderen kartengestützten Zahlungsmitteln sein, daß sie bei der Nutzung des Plastikgeldes unter Umständen eine breite Datenspur hinterlassen. Je mehr das anonyme Bargeld durch bequeme Bargeldlos-Verfahren verdrängt wird, desto mehr tritt der Konsument aus seiner Anonymität heraus. Kunden- und Benutzerprofile werden möglich und unversehens findet sich der Kunde in seinen Konsumgewohnheiten aufgezeichnet
und transparent gemacht. Nebenbei entsteht auch ein Bewegungsprofil darüber, wer wann wo gewesen ist.
Sofern die Kunden von diesen Risiken wissen und gleichwohl auf die Annehmlichkeiten des bargeldlosen Einkaufs nicht verzichten wollen, ist das ihre Sache. Aus datenschutzrechtlicher Sicht
kommt es aber auf zwei Dinge ganz besonders an: Es muß immer die Möglichkeit geben, auch weiterhin mit Bargeld
zu bezahlen, damit auch tatsächlich eine Wahlfreiheit für den Kunden besteht. Außerdem ist die Qualität bargeldloser Zahlungsmittel aus der Sicht des informationellen Selbstbestimmungsrechts daran zu messen, ob auch bei ihrer Nutzung die Entstehung von Kunden- und Bewegungsprofilen möglichst vermieden wird. Wenn man nur will, ermöglicht die Technik zumeist auch eine Variante, bei der "bequem" bargeldlos bezahlt und gleichwohl die Anonymität des Verbraucherverhaltens gewahrt werden kann.
Im öffentlichen Personennahverkehr sind aber zahlreiche sogenannte Post-paid-Verfahren in Erprobung, bei denen dem Fahrgast am Monatsende die aufsummierten Fahrpreise vom Konto abgebucht werden. Diese Zahlungsweise erfordert die Speicherung umfangreicher personenbezogener Daten: Neben der Kontonummer und Bankleitzahl des Fahrgastes werden sowohl Datum und Uhrzeit des Fahrscheinkaufs bzw. des Fahrtantritts als auch Automatennummer und Preisstufe der jeweiligen Fahrt erhoben.
Auch für die künftige Erhebungsweise von Autobahngebühren
werden Verfahren geprüft, die in ähnlicher Weise Zeiten und Strecken der Autobahnbenutzung Berechtigter aufzeichnen und in die Abrechnung einfließen lassen. Damit besteht die Gefahr, daß sehr detaillierte Bewegungsprofile entstehen, die z.B. auch für Strafverfolgungsbehörden, Finanzämter oder für die Werbewirtschaft von Interesse sein können. Da sämtliche Fahrten für einen gewissen Zeitraum aufgelistet werden, hat überdies jeder Kontoinhaber die Möglichkeit, Fahrten auch anderer Fahrzeugbenutzer nachzuvollziehen.
Eine solche Vorgehensweise ist um so problematischer, als technische Alternativen existieren, die weitaus bürgerfreundlicher
sind. Es können, wie skandinavische und auch deutsche Projekte aufzeigen, Wertkartensysteme eingesetzt werden, bei denen im voraus bezahlt wird und die daher eigentlich gänzlich ohne personenbezogene Daten auskommen müßten.
Hierbei handelt es sich um sogenannte Pre-paid-Verfahren,
bei denen Probleme aber dann auftreten, wenn der Kunde geltend macht, daß, aus welchen Gründen auch immer, zuviel von der Wertkarte abgebucht worden ist. Wie und durch wen ist der Nachweis zu erbringen, daß das technische System einwandfrei gearbeitet hat? Wie kann nachträglich festgestellt werden, welcher Betrag tatsächlich abgebucht worden ist? Wie kann verhindert werden, daß der Kunde die Wertkarte durch Manipulation wieder auffüllt? Eine personenbezogene Registrierung der Karteninhaber und eine Protokollierung in den Abbuchungsstellen würde zu den gleichen Effekten wie beim Post-paid-Verfahren führen.
Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Abbuchung auf Autobahnen, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht zum Anhalten gezwungen werden soll. Ist die Wertkarte defekt oder nicht mehr "gedeckt", muß das Fahrzeug registriert werden. Dazu muß das Fahrzeugkennzeichen und ggf. auch der Fahrer fotografiert werden. Weil es technisch schwierig ist, dies unmittelbar beim Abbuchvorgang durchzuführen, steht der Vorschlag im Raum, zunächst alle Verkehrsteilnehmer zu registrieren und kurze Zeit später die Daten derjenigen zu löschen, die ordnungsgemäß bezahlt haben. Diese Überlegungen zeigen, daß Hersteller und Betreiber derartiger Systeme sich schwer tun, ganz ohne "Datenspuren" auszukommen. Die Datenschutzbeauftragten haben daher in einer Entschließung dargelegt, daß es dringend erforderlich ist, bei der Konzipierung und Einführung kartengestützter Zahlungssysteme mehr als bisher darauf zu achten, eine "datenfreie Fahrt"
zu ermöglichen. Im öffentlichen Nahverkehr muß z.B. weiterhin zusätzlich alternativ die datenschutzfreundlichste Lösung angeboten werden: Der Kauf einer Fahrkarte am Automaten mit Bargeld.
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4.5.2 |
Auskünfte über Halter von Kraftfahrzeugen: Mal zu einfach - mal zu schwer |
Auskünfte der Zulassungsstellen über Halter von Kraftfahrzeugen sind einerseits leicht zu erhalten - und können dann mißbräuchlich verwendet werden -; andererseits kann es schwierig sein, sinnvolle und notwendige Angaben zu erhalten, wenn der Bezug zum Straßenverkehr nicht offenkundig ist.
In mehreren Eingaben wurde Klage darüber geführt, daß es ein Leichtes sei, Auskunft über Halterdaten zu erlangen. Ein Mann hatte z.B. über eine Auskunft bei der Kraftfahrzeugzulassungsstelle eines Kreises den Namen und die Anschrift der Halterin eines bestimmten Kraftfahrzeugs erhalten. In der Folge versuchte er, mit der Halterin Kontakt aufzunehmen und belästigte sie massiv.
Die Stellungnahme des Landrats und die Prüfung der Rechtslage zeigte, wie begrenzt die Möglichkeiten der Restriktion in solchen Fällen sind. Die Halterauskunft erfolgt auf der Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes. Schon wenn jemand darlegt, daß er Daten zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen
im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr benötigt, werden ihm Namen und Anschrift des Halters eines Kraftfahrzeugs übermittelt. Da diese Auskunft an keine weitere Voraussetzung als an die Darlegung eines entsprechenden Sachverhalts
gebunden ist, besteht für die Zulassungsstelle keine Möglichkeit, das Vorbringen auf seine Richtigkeit hin zu prüfen. Durch einen Runderlaß des Ministers für Wirtschaft, Technik und Verkehr ist angeordnet, daß grundsätzlich nur schriftliche Anträge zu beantworten sind. Diese sind aufzubewahren. Damit werden für eine bestimmte Zeit die Umstände der Auskünfte festgehalten. Ein Mißbrauch kann so zumindest im nachhinein aufgeklärt werden. Sanktionen für den Mißbrauch kennt das Straßenverkehrsrecht allerdings nicht.
Als Reaktion auf das unberechtigte Beschaffen von Halterdaten bleiben den Betroffenen allein Strafanzeige und Strafantrag. Haben die Belästigungen beleidigenden Charakter oder erreichen sie - etwa als massive Telefonanrufe - das Ausmaß einer Körperverletzung, so kann eine Verurteilung des Täters in Betracht kommen. Liegt Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht beim Täter vor, ist auch eine Ahndung nach dem Landesdatenschutzgesetz möglich. Ergänzend zum Straßenverkehrsgesetz gelten nämlich die Vorschriften des LDSG. Danach sind private Empfänger von Datenübermittlungen zu verpflichten, die Informationen nur für den angegebenen Zweck zu verwenden. Halten sie die Zweckbindung nicht ein, können Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, Geldstrafen oder Bußgelder (bis zu 100.000 DM) verhängt werden.
So leicht im vorstehenden Fall eine Halterauskunft zu erlangen war, so schwierig war es in einem anderen Fall, den Halter
eines Kraftfahrzeugs festzustellen. Ein Unternehmen fand ein fremdes Fahrzeug auf seinem Betriebsgelände abgestellt vor und bat um Angabe des Halters, um das Fahrzeug entfernen zu lassen. Die Zulassungsstelle lehnte zunächst ab mit der Begründung, die Auskunft sei nicht zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr notwendig, da es um rein zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Benutzung des privaten Grundstücks gehe.
Nach eingehender Prüfung des Sachverhalts und Erörterungen zwischen Kreis, Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr und uns wurde schließlich die erbetene Auskunft doch erteilt. Es ist nämlich nicht erforderlich, daß der Anspruch auf Ereignisse zurückzuführen ist, die sich im öffentlichen Verkehrsraum unmittelbar abspielen. Ein mittelbarer Zusammenhang
mit der Teilnahme am Straßenverkehr reicht aus, wenn der Auskunftsanspruch überhaupt einen Bezug zum Straßenverkehr
aufweist. Das ist zum Beispiel der Fall bei unberechtigter Benutzung privater Parkplätze und Stellflächen, die nur über eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr erreicht werden.
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