12

Kernpunkte:


  • Transparenz für Schleswig-Holstein
  • NDR-Staatsvertrag
  • Leitfaden IZG in Bauordnungsbehörden

 

12  Informationsfreiheit

12.1        Ein Transparenzgesetz für Schleswig-Holstein

In Hamburg, Rheinland-Pfalz und Bremen existieren in den Landesvorschriften zur Informationsfreiheit bereits proaktive Veröffentlichungspflichten für die Verwaltung. In Hamburg sind vorbehaltlich schutzwürdiger Informationen etwa Verträge der Daseinsvorsorge, Globalrichtlinien, Fachanweisungen und Verwaltungsvorschriften, amtliche Statistiken und Tätigkeitsberichte, das Baumkataster, öffentliche Pläne und wesentliche Regelungen von Baugenehmigungen erfasst.

Im Jahr 2016 wurde von den Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und den Abgeordneten des SSW ein „Gesetzentwurf zur Änderung des Informationszugangsgesetzes – IZG“ (Landtagsdrucksache 18/4409) eingebracht, mit dem nun auch der schleswig-holsteinische Gesetzgeber das Ziel verfolgt, für bestimmte Informationen Veröffentlichungspflichten zu normieren. Das ULD hat die Bestrebungen des schleswig-holsteinischen Gesetzgebers unterstützt, im Informationszugangsgesetz Veröffentlichungspflichten zu regeln. Zum Gesetzentwurf hat das ULD Stellung genommen (Landtagsumdruck 18/6732).

Die Veröffentlichungspflichten für Landesbehörden werden stufenweise in Kraft treten. Ab dem 1. Januar 2020 werden etwa Richtlinien und Runderlasse an andere Behörden, amtliche Statistiken, öffentliche Tätigkeitsberichte und Broschüren, Haushaltspläne, Stellenpläne und Wirtschaftspläne sowie Vorlagen der Landesregierung nach Beschlussfassung und Mitteilungen an den Landtag erfasst. Ab dem 1. Januar 2022 werden die Veröffentlichungspflichten erweitert, wobei z. B. von Landesbehörden in Auftrag gegebene Gutachten oder Studien mit einem Auftragswert ab 10.000 Euro, Verträge, soweit es sich nicht um öffentliche Aufträge oder um Kredit- und Finanztermingeschäfte handelt, ab einem Auftragswert von 50.000 Euro sowie Verträge für die Erstellung von Gutachten ab einem Auftragswert von 10.000 Euro einbezogen werden.

Ab dem 1. Januar 2022 sind die Landesbehörden zudem verpflichtet, Verwaltungsvorschriften, Organisations-, Geschäftsverteilungs- und Aktenpläne und weitere Informationen, die ab dem 27. Mai 2017 bei ihnen entstanden, erlassen, bestellt oder beschafft worden sind, ohne Angaben von personenbezogenen Daten und Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen allgemein zugänglich zu machen und diese an ein zentrales Informationsregister zu melden.

Kritisch sieht das ULD eine Neuregelung, die als Ausnahme der Finanzbehörden vom Kreis der informationspflichtigen Stellen auch für die eigene Steuerakte verstanden werden kann, soweit Vorgänge der Steuerfestsetzung und Steuererhebung betroffen sind. Das OVG Schleswig hat mit Urteil vom 6. Dezember 2012, Az.: 4 LB 11/12 entschieden, dass der Zugang zur eigenen Einkommensteuerakte im Rahmen von abgeschlossenen Steuerverfahren zulässig ist. Kritisiert hat das ULD auch, dass hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen vor dem Jahr 2022 geregelt ist, dass die Landesbehörden die aufgeführten Informationen nur veröffentlichen „sollen“. Dies widerspricht aus Sicht des ULD einer generellen Verpflichtung zur Veröffentlichung von Informationen.

Was ist zu tun?
Die Berücksichtigung proaktiver Veröffentlichungspflichten im IZG ist vom ULD unterstützt worden und wird begrüßt. Die Landesbehörden müssen seit dem 27. Mai 2017 bei ihnen entstandene, erlassene, bestellte und beschaffte Informationen nach Maßgabe der neuen Vorschriften für eine Veröffentlichung ab dem 1. Januar 2022 vorbereiten.


12.2        Informationsfreiheit im NDR-Staatsvertrag verankern

Mit der Presseerklärung vom 26. September 2016 setzten sich die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie das ULD – allesamt zuständig für Informationsfreiheit in ihrem Bundesland – für die Änderung des NDR-Staatsvertrags ein, um dort in Anlehnung an die bestehenden Landesvorschriften zur Informationsfreiheit eine Transparenzregelung zu schaffen (Landtagsumdruck 18/6634).

Die Informationsfreiheitsbeauftragten kamen zu dem Schluss, dass die vom NDR bereits veröffentlichten Informationen nicht annähernd für die Feststellung ausreichen würden, der NDR erfülle die Transparenzvorgaben nach dem Transparenzgesetz Hamburg bereits auf freiwilliger Basis. Nur eine rechtliche Verpflichtung ist daher geeignet, für den NDR eine angemessene Basis zur Umsetzung von Informationsfreiheit zu schaffen.

Anlässlich eines Gesetzgebungsvorhabens im Landtag von Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2013 zur Verankerung der Informationsfreiheit im NDR-Staatsvertrag (Landtagsdrucksache 18/1288) stellten die Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW im September 2016 einen Antrag zur Weiterentwicklung des NDR-Staatsvertrags, mit welchem u. a. erreicht werden sollte, dass „eine feste Regelung zur Informationsfreiheit im NDR nach dem Vorbild des Hamburger Transparenzgesetzes unter Berücksichtigung der dann aktuellen Gesetze der NDR-Länder und Ausschluss journalistisch-redaktioneller Informationen“ geschaffen wird (Landtagsumdruck 18/6612).

Für den WDR wurde etwa in § 55a des WDR-Gesetzes bereits eine vergleichbare Bestimmung hinsichtlich der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen geschaffen. In einem Urteil des OVG Münster vom 9. Februar 2012, Az.: 166/10 wurde auf jene Bestimmung Bezug genommen und ausgeführt, dass eine Verpflichtung zur Auskunft nicht die Rundfunkfreiheit des WDR berührt und auch dessen Wettbewerbsfähigkeit im Verhältnis zu privaten Anbietern gewahrt wird.

Was ist zu tun?
Es sollte eine Bestimmung zur Informationsfreiheit im NDR-Staatsvertrag aufgenommen werden.

 

12.3        Zugang zu Unterlagen des Wissenschaftlichen Dienstes

Der Schleswig-Holsteinische Landtag verweigerte wiederholt die Herausgabe vollständiger Aufstellungen der Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes. Zur Begründung wurde vor allem darauf verwiesen, dass der Wissenschaftliche Dienst keine Verwaltungstätigkeit, sondern parlamentarische Aufgaben wahrnehme und somit nicht dem Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein unterfalle.

Der Landtag selbst ist zwar keine Behörde, sondern vielmehr das auf Landesebene vom Volk gewählte oberste Organ der politischen Willensbildung und damit Verfassungsorgan. Zu den Kernkompetenzen des Landtages zählt etwa seine Gesetzgebungsfunktion. Gleichwohl ist der Landtag nach den Vorgaben des IZG zum Informationszugang verpflichtet, soweit dieser außerhalb seiner Gesetzgebungstätigkeiten handelt.

Die Tätigkeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages ist nach Auffassung des ULD nicht als Gesetzgebungstätigkeit, sondern als Verwaltungstätigkeit anzusehen. Der Wissenschaftliche Dienst ist Teil der Landtagsverwaltung und erledigt keine parlamentarischen Aufgaben. Er ist gerade nicht der Mandatsausübung von Landtagsabgeordneten zugeordnet. Der Wissenschaftliche Dienst arbeitet weder Gesetzgebungsentwürfe aus noch fertigt er Plenarvorlagen an. Seine gutachterliche Tätigkeit ist Verwaltungstätigkeit und geht einer mandatsbezogenen Aufgabenerfüllung voraus. Mit Urteil vom 25.06.2015, Az.: 7 C 1/14 hat das Bundesverwaltungsgericht für den Deutschen Bundestag festgestellt, dass es sich bei der Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes um Information und Wissensvermittlung und damit um die Wahrnehmung einer typischen Verwaltungsaufgabe handelt.

Das ULD hat im Rahmen seiner rechtlichen Einschätzung gegenüber dem Landtag darauf hingewiesen, dass sich die Frage, ob und in welchem Umfang die Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages nach dem IZG herauszugeben sind, danach richtet, ob Ausschlussgründe nach § 9 IZG (Schutz öffentlicher Belange) oder nach § 10 IZG (Schutz privater Belange) vorliegen. Sollten in den Unterlagen des Wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages im Einzelfall schutzbedürftige Informationen vorhanden sein, wie etwa personenbezogene Daten, so wäre ein Informationszugang nach dem IZG nur beschränkt zulässig.

In der Folge wurde fraktionsübergreifend – mit Ausnahme der PIRATEN – ein Gesetzentwurf zur Änderung des IZG eingebracht, der darauf abzielt, die gutachterliche Tätigkeit des Wissenschaftlichen Dienstes im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen von dem Anwendungsbereich des IZG auszunehmen (Landtagsdrucksache 18/4465). Im Gesetzentwurf wurde ausgeführt, dass zur parlamentarischen Aufgabenwahrnehmung des Landtages auch die gutachterliche oder rechtsberatende Tätigkeit im Auftrag einer oder mehrerer Fraktionen zähle, wodurch die vom Wissenschaftlichen Dienst erstellten Unterlagen vom Informationszugang nach dem IZG generell ausgeschlossen sein sollen. Diese Bestimmung ist im Mai 2017 in Kraft getreten.

Was ist zu tun?
Das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich ausgeführt, dass die Tätigkeit eines Wissenschaftlichen Dienstes zur Verwaltungstätigkeit zählt. Ein Wissenschaftlicher Dienst erledigt gerade keine Aufgaben der Gesetzgebung oder gar parlamentarische Aufgaben. Eine Landesregelung, die die Tätigkeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Schleswig-Holsteinischen Landtages pauschal als parlamentarische Tätigkeit ausweist und damit einen Informationszugang nach dem IZG vermeiden soll, begegnet rechtlichen Bedenken.

 

12.4        Einsicht in Prüfberichte der Heimaufsichten

Ein Antragsteller bat mehrere Heimaufsichten in Schleswig-Holstein jeweils um die Herausgabe des aktuellen Prüfberichts. Einige der in Anspruch genommenen Stellen gaben teilweise geschwärzte Berichte heraus. Andere Heimaufsichten hielten vor allem mit dem Hinweis auf fehlende Regularien zur Veröffentlichung nach dem Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (SbStG) an ihrer Ablehnung fest, einen Informationszugang zu den Prüfberichten zu gewähren.

Das ULD wies darauf hin, dass etwaige fehlende Regularien für eine Veröffentlichung nach dem SbStG einer Herausgabe nach dem IZG nicht entgegenstehen. Bei der Veröffentlichung nach dem SbStG geht es um eine proaktive Veröffentlichungspflicht. Das IZG dagegen bezieht sich auf eine antragsbezogene Gewährung des Informationszugangs. Weiterhin werden die Bestimmungen des IZG nicht durch die Vorschriften des SbStG ausgeschlossen. Grenzen findet der Informationszugang nach dem IZG nur durch die Ausschlussgründe, die in Form von öffentlichen oder privaten Belangen vorliegen können.

Im Nachgang prüften auch diejenigen Heimaufsichten, die den Informationszugang zunächst unter Hinweis auf das SbStG abgelehnt hatten, die gestellten Anträge nach den Bestimmungen des IZG und gaben die Prüfberichte nach Anhörung der betroffenen Heimleitungen teilweise geschwärzt an den Antragsteller heraus.

Was ist zu tun?
Das SbStG enthält keine das IZG verdrängenden Bestimmungen. Bei Anträgen auf Informationszugang gegenüber den Heimaufsichten ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Berichte herauszugeben sind.

 

12.5        Anhörungsverfahren bei Informationen zu Emissionen

Das IZG sieht nach § 10 Satz 3 IZG ein Anhörungsverfahren vor, wenn Dritte durch die Informationserteilung betroffen sein könnten. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich das Informationsbegehren auf personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bezieht.

Bei Vorliegen dieser geschützten privaten Belange dürfen die Informationen grundsätzlich nur erteilt werden, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder wenn das öffentliche Interesse gegenüber dem privaten Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Auch um dies abschätzen zu können, sind die Betroffenen anzuhören. Eine Besonderheit ergibt sich dann, wenn es bei den begehrten Informationen um Informationen zu Emissionen geht. Dann dürfen bestimmte private und öffentliche Belange nicht als Ablehnungsgrund herangezogen werden. Eine Berufung auf den Schutz personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist dann nicht möglich.

Gleichwohl sind die Betroffenen auch in dieser Situation vor einer Entscheidung über das Informationsersuchen anzuhören, da eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange möglich erscheint. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die informationspflichtige Stelle irrtümlich das Vorliegen von Emissionen annimmt und den Informationszugang vor diesem Hintergrund ungeachtet des Vorliegens von beispielsweise Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewähren will (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 08.10.2013, Rs.T – 545/11). Anderenfalls würde der Wille des Gesetzgebers, dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. Landtagsdrucksache 14/2374, S. 18, zum 2. Absatz des § 11 und zum 2. Absatz des § 12 IFG-SH; Landtagsdrucksache 17/1610, S. 24, 25), nicht beachtet werden.

Was ist zu tun?
Soweit eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange möglich erscheint, hat die informationspflichtige Stelle die Betroffenen vor einer Entscheidung über einen IZG-Antrag anzuhören.

 

12.6        Kammersatzungen versus Informationsfreiheit?

Mitunter kommt es vor, dass Anfragen nach dem IZG von Bürgern, die an Kammern in Schleswig-Holstein gerichtet sind, von diesen mit dem Hinweis auf Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten abgelehnt werden, die in den Kammersatzungen geregelt sind. Das ULD war in einer entsprechenden Bürgeranfrage mit der Prüfung befasst, inwieweit interne Regelungen der Steuerberaterkammer einem Anspruch nach dem IZG entgegenstehen können.

Kammersatzungen sind den Landesgesetzen dem Rang nach untergeordnet. Das IZG als ein Landesgesetz geht den internen Satzungsbestimmungen der Kammern vor. Die Regelungen in den Satzungen können daher nicht dem allgemeinen Zugangsrecht nach dem IZG entgegenstehen. Auch begründen etwaige in den Kammersatzungen enthaltene Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsregelungen keinen Ausschlussgrund nach dem IZG. Anders als in einigen anderen Informationsfreiheitsrechten enthält das IZG keine Regelung, nach der die Erteilung von Informationen zu versagen ist, wenn die erbetenen Informationen einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegen. Die Prüfung, ob und wenn ja wie die erbetenen Informationen zu erteilen sind, hat daher anhand der im IZG geregelten Ausschlussgründe zum Schutz öffentlicher bzw. privater Belange (§§ 9, 10) zu erfolgen.

Was ist zu tun?
Die in Satzungsbestimmungen der Kammern geregelten Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten stehen einer Anwendung des IZG nicht entgegen. Eine etwaige Beschränkung des Informationszugangs ist allein anhand der im IZG vorhandenen Ausschlussgründe zu beurteilen.

 

12.7        Keine Pflicht zur Informationsbeschaffung und zur Beantwortung von Rechtsfragen

Häufig stellen Bürgerinnen oder Bürger einen IZG-Antrag bei der informationspflichtigen Stelle in der Weise, dass sie Fragen stellen und um deren Beantwortung bitten. Der gewünschte Informationszugang wird damit in Form von Auskünften begehrt. Grundsätzlich hat die informationspflichtige Stelle die Fragen zu beantworten, da die Auskunftserteilung von dem IZG erfasst ist.

Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich bei den Fragen um Rechtsfragen handelt (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 11.10.2002, 21 A 391/02; VG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.01.2008, 7 E 1487/07). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Bürger eine informationspflichtige Stelle fragt, warum eine Genehmigung für das Fällen eines Baumes erteilt worden ist. Diese Frage zielt auf eine rechtliche Bewertung ab und unterliegt damit nicht dem Anwendungsbereich des IZG. Immer dann, wenn für die Beantwortung der Frage eine rechtliche Prüfung oder Bewertung erforderlich ist (z. B.: Welche Rechtsgrundlage liegt der hinterfragten Handlung zugrunde? Welche Rechtsfolgen sieht die gesetzliche Grundlage vor?), handelt es sich um Rechtsfragen, die die informationspflichtige Stelle nach dem IZG nicht beantworten muss.

Eine weitere Ausnahme liegt dann vor, wenn die Beantwortung der Fragen nicht aufgrund der bei der informationspflichtigen Stelle vorhandenen Informationen möglich ist, sondern die dafür erforderlichen Informationen erst beschafft werden müssten. Die informationspflichtige Stelle hat keine Informationsbeschaffungspflicht. Ob sich die begehrte Auskunft aus den vorhandenen Informationen ergibt oder erst beschafft werden muss, kann im Einzelfall schwierig zu beurteilen sein. Ein derartiger kritischer Fall kann dann vorliegen, wenn sich das Auskunftsbegehren auf eine Zusammenstellung von Informationen bezieht. Wird beispielsweise eine Aufstellung begehrt, die zunächst eine Auswertung erfordert, ist dies als nicht vom IZG erfasste inhaltliche Aufbereitung von Informationen zu erachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.11.2014, 7 C 2012). Eine solche Auswertung kann als nicht verpflichtende „Informationsbeschaffung“ gewertet werden. Geht es dagegen beispielsweise darum, eine vorhandene Auflistung bestimmter Sachverhalte zu erhalten, ist dies nicht als Informationsbeschaffung zu werten.

Was ist zu tun?
Rechtsfragen müssen nach dem IZG nicht beantwortet werden. Es besteht nach dem IZG auch keine Verpflichtung zur Informationsbeschaffung. Die informationspflichtigen Stellen verfügen über Informationen nur dann, wenn diese bei ihnen vorhanden sind oder an anderer Stelle für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle gegenüber der aufbewahrenden Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.

 

12.8        Ausschluss des Informationszugangs durch Spezialgesetze

Die Anwendung des IZG scheidet dann aus, wenn es Spezialgesetze gibt, die den Zugang zu Informationen regeln oder sogar explizit ausschließen. Die in Anspruch genommenen Stellen müssen dann prüfen, ob oder inwieweit eine solche Spezialregelung vorliegt. So ist etwa die Einsicht in Personalakten bei öffentlichen Stellen speziell in § 88 des Landesbeamtengesetzes normiert. Das IZG wird von vornherein ausgeschlossen, sodass insbesondere die dort geregelten Fristen für einen Informationszugang, die Modalitäten der Zugangsgewährung (z. B. Einsicht, Herausgabe von Kopien, Auskunft), die Ausschlussgründe und die Kostenfrage nicht nach den Bestimmungen des IZG zu beurteilen sind. Gleiches gilt bei der Beantragung einer Akteneinsicht nach § 49 OWiG oder § 12 der Grundbuchordnung. Auch dann findet das IZG keine Anwendung.

Für die Prüfung einer vorrangigen Regelung ist etwa zu untersuchen, ob der Gesetzgeber in einem anderen Gesetz bereits einen Informationszugang geregelt hat und ob dies als abschließende Bestimmung gedacht war. Weiterhin ist zu prüfen, welche Zwecke die unterschiedlichen Zugangsrechte verfolgen. Beispiel: Einsichten in ein Baulastenverzeichnis werden von Antragstellern gewöhnlich aus dem Grunde begehrt, um für die eigene Rechtsposition hilfreiche Informationen zu erhalten. Der Zugang zu den Informationen des Baulastenverzeichnisses wird nach § 80 Abs. 5 der Landesbauordnung an das Vorliegen eines berechtigten Interesses geknüpft. Die Vorschrift stellt eine Spezialregelung dar, die gegenüber der Anwendung des voraussetzungslosen Zugangs nach dem IZG eine Sperrwirkung entfaltet.

Was ist zu tun?
Die informationspflichtige Stelle muss in jedem Einzelfall prüfen, ob das IZG anwendbar oder aufgrund vorrangiger bereichsspezifischer Regelungen ausgeschlossen ist.

 

12.9        Privates Handeln einer informationspflichtigen Stelle

Das ULD kann von den Bürgern kontaktiert werden, wenn diese der Auffassung sind, dass ihrem Informationsgesuch nach dem IZG nicht ordnungsgemäß nachgekommen wurde. In diesem Sinne wandte sich ein Bürger an das ULD, da die angerufene öffentliche Stelle seinen Antrag auf Informationszugang unter Hinweis auf ihr privatrechtliches Handeln abgelehnt hatte.

Die Ablehnung des Informationsersuchens kann nicht darauf gestützt werden, dass sich die begehrten Informationen auf privatrechtliches Handeln einer öffentlichen Stelle beziehen. Privatrechtliches Handeln öffentlicher Stellen führt nicht zur Beschränkung des Anwendungsbereichs des IZG. Anderenfalls würde der Gesetzeszweck unterlaufen werden. Das IZG dient u. a. der Stärkung der demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger. Beispielsweise muss die Einhaltung der Verpflichtung öffentlicher Stellen zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltswirtschaft durch den Bürger als zusätzliches Kontrollorgan überprüft werden können (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 31.08.2004, 6 A 245/02; VG Köln, Urteil vom 07.04.2011, 13 K 822/10; BVerwG, Urteile vom 03.11.2011, 7 C 3.11 und 7 C 4.11). Wäre das IZG bei privatrechtlichem Handeln öffentlicher Stellen nicht anwendbar, bestünde zudem die Gefahr, dass die öffentlichen Stellen sich ihrer Verpflichtung zur Informationserteilung durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen könnten.

Der Staat und seine Einrichtungen sind daher auch bei privatrechtlichem Handeln als Zuordnungsobjekte von Normen des öffentlichen Rechts zu erachten (vgl. VG Köln, Urteil vom 07.04.2011, 13 K 822/10), sodass das IZG auch in diesem Fall auf öffentliche, informationspflichtige Stellen in Schleswig-Holstein Anwendung findet.

Was ist zu tun?
Die informationspflichtige Stelle unterliegt auch dann dem IZG, wenn sich der Antrag auf Informationen zu einem privatrechtlichen Handeln der öffentlichen Stelle bezieht. Die informationspflichtige Stelle ist daher auch bei eigenem privatrechtlichen Handeln gehalten zu prüfen, ob und inwieweit der beantragte Informationszugang zu gewähren ist.

 

12.10        Beanstandung wegen Nichtbeantwortung von Fragen

Ein Schwerpunkt bei der Tätigkeit des ULD im Bereich der Informationsfreiheit bildet die Beratungs- und Mediationsleistung, um so langfristig auf eine ordnungsgemäße Handhabung des IZG hinzuwirken. Liegen jedoch erhebliche Verstöße oder sonstige erhebliche Mängel in einem Verfahren einer informationspflichtigen Stelle über die Gewährung oder Ablehnung eines Informationszugangs vor, kann das ULD eine Beanstandung aussprechen. Eine Beanstandung wird nur in seltenen Ausnahmefällen ausgesprochen. Ein derartiger Anwendungsfall ist beispielsweise dann gegeben, wenn die informationspflichtige Stelle untätig bleibt.

So verhielt es sich in einem Fall, in dem ein Bürger von einem Abwasserzweckverband aus Schleswig-Holstein eine Auskunft nach dem IZG begehrte. Der Abwasserzweckverband ist eine „sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts“ im Sinne des IZG und damit eine informationspflichtige Stelle. Obwohl der Bürger der nicht gebotenen Aufforderung der informationspflichtigen Stelle zur Konkretisierung seines IZG-Antrags nachkam und das ULD bereits einbezogen war, wurde sein Antrag nicht beschieden. Auch kam die informationspflichtige Stelle weder der Aufforderung nach Stellungnahme des ULD noch der Möglichkeit nach, sich im Anhörungsverfahren zu der dort angedrohten Beanstandung zu äußern. Wegen der schlichten Untätigkeit der informationspflichtigen Stelle lagen aus Sicht des ULD erhebliche Verstöße gegen die Vorgaben des IZG vor. Das ULD hat daher eine Beanstandung ausgesprochen. Von der Beanstandung wurden neben der informationspflichtigen Stelle sowohl der Bürger als auch das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein als oberste Aufsichtsbehörde nach dem Wassergesetz des Landes Schleswig-Holstein, dem Wasserverbandsgesetz und dem Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein unterrichtet.

Was ist zu tun?
Soweit ein Anspruch nach dem IZG besteht, muss die informationspflichtige Stelle innerhalb eines Monats nach Antragstellung die begehrten Informationen zugänglich machen. Im Ausnahmefall kann die informationspflichtige Stelle auch innerhalb von zwei Monaten antworten. Dies hat sie dem Bürger jedoch unverzüglich, zumindest jedoch innerhalb des ersten Monats seit Antragstellung, mitzuteilen.

 

12.11        Leitfaden zur Anwendung des IZG in Bauordnungsbehörden

Häufig richtet sich das Antragsbegehren der Bürger auf Informationen, die bei Bauordnungsbehörden vorhanden sind. Oft geht es um die Einsicht in Bauakten oder in Baulastenverzeichnisse. Das ULD hat aus diesem Grund einen Leitfaden entwickelt, der den informationspflichtigen Stellen in diesem Tätigkeitsfeld eine Hilfestellung bei der Prüfung eines IZG-Antrags bietet. Auch für Bürger stellt dieser Leitfaden viele Informationen bereit.

Der Leitfaden beantwortet Fragen zu den anspruchsberechtigten Personen, zum Verhältnis des IZG zu anderen gesetzlichen Vorgaben in baurechtlichen Vorschriften, zur Qualifizierung von Umweltinformationen nach der Umweltinformationsrichtlinie, zur Verfügbarkeit einer Information bei einer informationspflichtigen Stelle, zu formalen Anforderungen bei der Antragsbearbeitung, zur Stellung anonymer Anträge sowie zu den Ausschlussgründen und der etwaigen Betroffenheit Dritter.

Bei IZG-Anfragen im Bereich der Bauordnungsbehörden bietet der Leitfaden eine Hilfestellung. Der Leitfaden ist abrufbar unter:

https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/informationsfreiheit/ULD-Leitfaden-Bauakten-IZG_SH_November_2015.pdf

 

12.12        Anonyme Anfragen über das Internetportal „FragDenStaat“

Immer häufiger werden über das Portal „FragDenStaat“ Anfragen an informationspflichtige Stellen gerichtet. Das Portal wird von einem Verein mit Sitz in Berlin betrieben, der die Bürgerinnen und Bürger bei der Stellung von Anträgen nach den Bestimmungen zur Informationsfreiheit deutschlandweit unterstützt. Die Antragsteller sind in den meisten Fällen den informationspflichtigen Stellen nicht unter ihrem echten Namen bekannt. Das wirft bei den informationspflichtigen Stellen die Frage auf, ob derartige anonyme Anfragen zu beantworten sind.

Das IZG sieht keine bestimmte Form der Antragstellung vor. Daher dürfen diese Anträge nicht deshalb abgelehnt werden, weil sie anonym gestellt worden sind (35. TB, Tz. 12.3). Von diesem Grundsatz gibt es nach Auffassung des ULD aber zwei Ausnahmen:

Erstens ist eine Identitätsabfrage durch die informationspflichtige Stelle zulässig, wenn anderenfalls die Gefahr besteht, dass ohne die Kenntnis von der Person des Antragstellers und dessen Anschrift eine Gebührenpflicht nicht durchsetzbar ist (Gefährdungslage). Dies setzt voraus, dass ein kostenauslösender Verwaltungsaufwand entsteht und der Antragsteller nicht zahlungswillig ist (35. TB, Tz. 12.3) (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2014, OVG 12 B 22.12).

Zweitens ist die Identitätsabfrage zulässig, wenn Dritte von der begehrten Informationsherausgabe betroffen wären (Drittbetroffenheit). Das IZG darf nicht dazu führen, dass datenschutzrechtliche Anforderungen unterlaufen werden. Um das datenschutzrechtliche Dokumentationserfordernis erfüllen bzw. einem etwaigen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch des betroffenen Dritten nachkommen zu können, muss in solchen Fällen die Identität des Antragstellers abgefragt werden können.

Was ist zu tun?
Grundsätzlich sind die informationspflichtigen Stellen gehalten, einer IZG-Anfrage auch im Falle einer anonymen Antragstellung ohne Identitätsabfrage nachzugehen. Bei Vorliegen einer Gefährdungslage und/oder Drittbetroffenheit kann die Identitätsabfrage zulässig sein.

 

Zurück zum vorherigen Kapitel Zum Inhaltsverzeichnis Zum nächsten Kapitel