Kernpunkte:
- Informationszugangsgesetz
- Open Data
12 Informationsfreiheit
Das Informationsfreiheitsrecht in Deutschland ist in Bewegung. Schleswig-Holstein ist das erste Bundesland, das den Zugang zu Umweltinformationen und zu allgemeinen Verwaltungsinformationen in einem einheitlichen Informationszugangsgesetz (IZG-SH) geregelt hat (Tz. 1.2). Selbst in Süddeutschland bestehen teilweise hoffnungsvolle Initiativen zur erstmaligen gesetzlichen Etablierung von Informationszugangsrechten. Nach ersten Bestrebungen systematischer Informationsangebote der öffentlichen Verwaltung in Bremen und in Berlin hat Hamburg ein Transparenzgesetz in Kraft gesetzt, welches das Prinzip von Open Data in der Verwaltung konsequent regelt und so als Vorbild für andere Bundesländer dient (Tz. 1.3).
12.1 Eckpunktepapier zu Open Data
Im Rahmen des IT-Planungsrates auf Bundesebene gibt es eine Arbeitsgruppe zu einer nationalen E‑Government-Strategie und hierzu eine Arbeitsgruppe „Open Government“ zur Förderung von Transparenz, Teilhabe und Zusammenarbeit.
Im Rahmen der nationalen E-Government-Strategie ist im September 2011 ein Eckpunktepapier des Bundesinnenministeriums über offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln, also zum „Open Government“, veröffentlicht worden und lud zur öffentlichen Konsultation ein. Die Beauftragten für Informationsfreiheit des Bundes und der Länder haben zu dem Eckpunktepapier im Januar 2012 Stellung genommen. Sie begrüßen die Vorlage des Eckpunktepapiers „Open Government“ und sehen im Einsatz der Informationstechnik die große Chance, Transparenz und Informationsfreiheit auf der Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen einen großen Schritt voranzubringen.
Dessen Leitgedanke, das überkommene Amtsgeheimnis zu überwinden, ist als wesentlicher Beitrag zur Erweiterung der Open-Data-Initiativen zu bewerten. Die bestehenden Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder sollten um verbindliche Verpflichtungen aller öffentlichen Stellen erweitert werden, von sich aus Informationen zu veröffentlichen. Hier finden sich bereits Regelungen in den Informationsfreiheitsgesetzen Bremens und Berlins sowie im Hamburgischen Transparenzgesetz. Diese verbindlichen Verpflichtungen aller öffentlichen Stellen soll zu mehr Transparenz, Teilhabe und Zusammenarbeit der Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Wissenschaft und des Staates führen.
Im Rahmen der gesetzlichen Regelungen sind konkrete gesetzliche Vorgaben zum ungehinderten Zugang und zur angemessenen Verwendung der Daten erforderlich. Im Hinblick auf die Regelungen in Bremen und Hamburg sollten die Regierung des Landes Schleswig-Holstein und die Kommunen dazu übergehen, den freien Zugang zu Informationen proaktiv zu gestalten. Das bestehende IZG-SH ermöglicht bereits Informationsregister. Für Umweltinformationen ergibt sich die Verpflichtung der proaktiven Veröffentlichung aus § 11 IZG-SH. Im Bereich der Geodaten besteht im Land schon eine derartige Geodateninfrastruktur.
Mit öffentlichen Mitteln erhobene Datenbestände sollten auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Eine kostenlose Bereitstellung von Daten fördert die Weiterverwendung von Daten. Mit deren Nutzung können über Innovationen und neue Geschäftsmodelle wirtschaftliche Impulse gesetzt werden, die dem Land – seiner Wirtschaftskraft, der Beschäftigung und letztlich dem Haushalt – zugutekommen.
Die Informationsfreiheitsbeauftragten vertreten den Standpunkt, dass öffentliche Daten von den zuständigen öffentlichen Stellen grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssen. Dabei soll es keine Rolle spielen, welche Absicht mit der Datenverwendung verbunden ist. Durch die Erhebung der Verwendungsabsicht darf die Voraussetzungslosigkeit des Zugangs zu Informationen nicht durch die Hintertür ausgehebelt werden. Niemand soll sich für sein Informationsinteresse rechtfertigen müssen.
Für Schleswig-Holstein sollten die gewonnenen Erkenntnisse zur Geodateninfrastruktur berücksichtigt werden. Es finden Gespräche des Innenministeriums mit dem zentralen IT-Dienstleister Dataport und den Kollegen in Bremen und Hamburg statt.
12.2 Informationsfreiheit in der Verwaltung
Informationsfreiheit in der Verwaltung des Landes Schleswig-Holstein bedeutet derzeit vor allem einen voraussetzungslosen, einfachen und unkomplizierten Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen. Nach den dem ULD vorliegenden Erfahrungen werden die Anträge nach dem IZG-SH in den meisten Behörden, Gemeinden, Kreisen und Ämtern unverzüglich und vollständig beschieden und die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt. Fragen kommen in erster Linie auf bei Verträgen der öffentlichen Hand, Vergabeunterlagen und Bauakten. Hier muss das ULD oft nachfragen, die ergangene Rechtsprechung erläutern und Auslegungshilfen geben. Diese Unterstützung genügt in den meisten Fällen, um den Anfragenden im gesetzlichen Rahmen den Informationszugang zu eröffnen.
Im Sinne von Open Data sollte die Verwaltung künftig verstärkt proaktiv Daten, die keinen Einschränkungen unterliegen, veröffentlichen und so mehr Transparenz in die behördlichen Entscheidungsprozesse bringen.
12.3 Stellungnahme oder internes Arbeitspapier?
Ein Bürger wandte sich mit der Bitte um Herausgabe einer Stellungnahme zu einem Arbeitskreis der Verwaltung an eine Stadt. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 IZG-SH sind interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stelle, die zum Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses erforderlich sind, während des laufenden Entscheidungsprozesses nicht zu veröffentlichen. Stellungnahmen dienen jedoch nicht der unmittelbaren Vorbereitung eines behördlichen Entscheidungsprozesses und fallen daher auch nicht unter die gesetzliche Einschränkung. Stellungnahmen der Verwaltung sind also, soweit sie keinen anderweitigen Einschränkungen unterliegen, nach dem IZG-SH offenzulegen. Maßgeblich ist nicht der Begriff „Stellungnahme“, sondern der Verwendungszweck des Schriftstücks. Unerheblich ist auch, dass es sich bei dem Schriftstück um eine rein interne Information handelt. Eine informationspflichtige Stelle kann sich auch nicht darauf berufen, dass die begehrten Informationen offiziell nicht vorhanden sind, wenn die Informationen tatsächlich vorliegen.
12.4 IZG-SH und Einsicht in Steuerakten
Das ULD erhielt einige Eingaben zum Steuerrecht mit der datenschutzrechtlich begründeten Forderung der Steuerpflichtigen nach Einsicht in ihre eigenen abgeschlossenen Steuerunterlagen (Tz. 4.8.1). Deren entsprechende Anträge gegenüber den Finanzämtern wurden mit der Begründung abgelehnt, die AO sehe keinen Auskunftsanspruch vor. Einige der Petenten stützten ihren Antrag dann auf das IZG-SH, welches jedermann Anspruch auf Zugang zu den bei einer Behörde vorhandenen Informationen einräumt. Die eigene Steuerakte ist eine bei einer Behörde vorhandene Information. Diese Ansprüche wurden ebenfalls zurückgewie- sen mit der Begründung, das IZG-SH sei lediglich ein Auffangrecht, welches neben Spezialgesetzen nicht anwendbar sei bzw. zurücktreten müsse. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen fällte hierzu im Juni 2011 eine Grundsatzentscheidung und bestätigte die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsrechts auf Steuerakten. Dieser rechtlichen Bewertung schloss sich das für Schleswig-Holstein zuständige OVG mit Urteil vom 6. Dezember 2012 an. Das OVG Schleswig entschied, dass § 3 IZG-SH auch einen Anspruch auf Zugang zu Steuerdaten gibt.
Was ist zu tun?
Das Finanzministerium des Landes sollte eine Information an die Finanzämter herausgeben, dass Bürgerinnen und Bürger generell einen Rechtsanspruch auf Einsicht in ihre Steuerakte haben.
12.5 Zugang zu Kaufverträgen
Im Zusammenhang mit dem IZG-SH hatten wir zu beurteilen, ob Informationen zu laufenden Verhandlungen über Kaufverträge an Dritte zu übermitteln und ob diese Informationen nach Abschluss der Verhandlungen offenzulegen sind.
Bei Kaufverträgen, die eine Behörde mit einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts schließt, handelt es sich um bei einer informationspflichtigen Stelle verfügbare Informationen. Die Veräußerung von Liegenschaften ist z. B. insgesamt dem fiskalischen Handeln einer öffentlichen Stelle zuzuordnen. Der Veräußerungsvorgang unterteilt sich nicht in eine vorgeschaltete öffentlich-rechtliche Entscheidungsfrage und eine nachgelagerte privatrechtliche Abwicklungsphase. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln hat am 7. April 2011 klargestellt, dass der Staat und seine Einrichtungen bei privatrechtlichem Handeln Zuordnungsobjekt von Normen des öffentlichen Rechts bleiben, und erläutert: „Was zum Schutz der Wettbewerbsposition privater Immobilienunternehmen erforderlich ist – wie etwa die Gewährleistung größtmöglicher Vertraulichkeit – ist nicht automatisch in jedem Fall auch zum Schutz der Wettbewerbsposition einer öffentlichen Stelle erforderlich. Dies gilt etwa im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Bindungen der Beklagten, zu denen auch die Vorschriften des IFG gehören.“
Die gesamte Tätigkeit einer öffentlichen Behörde dient dem öffentlichen Interesse. Transparenz herzustellen in Bezug auf die öffentlichen Interessen dienender Verwaltungstätigkeit ist gerade das Ziel, das der Gesetzgeber mit dem IZG-SH verfolgt. Geschäftspartnern kann und muss dies bekannt und bewusst sein, wenn sie sich auf einen Vertrag mit einer öffentlichen Stelle einlassen. Sie können sich wegen der bestehenden gesetzlichen Bindungen nicht darauf verlassen, dass von einer öffentlichen Stelle, die dem IZG-SH unterliegt, die möglicherweise im Privatrechtsverkehr übliche weiter reichende Vertraulichkeit eingehalten werden kann. Die Anwendung des IZG-SH kann daher auch nicht als Vertrauensbruch bewertet werden. Mit den Worten des VG Köln: „Wer beabsichtigt, mit dem Staat in geschäftliche Beziehungen einzutreten, darf unabhängig vom Regime des Informationsfreiheitsgesetzes vernünftigerweise nicht erwarten, dass bereits das Kaufinteresse als solches geheim gehalten wird.“
Das VG Köln führt weiterhin aus, dass Dritte nur insoweit den Informationszugang beeinflussen können, als Informationen betroffen sind, an deren Geheimhaltung sie ein berechtigtes Interesse haben, namentlich an Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Eine öffentliche Stelle kann jedoch für sich keine eigenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geltend machen. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen stützt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz niedergelegte Berufsfreiheit sowie auf den in Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz enthaltenen Schutz des Eigentums. Artikel 12 und 14 Grundgesetz schützen das Berufs- und eigentumsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Öffentliche Stellen können sich hierauf nicht berufen.
Es ist möglich, dass ein Kaufvertrag Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält. Sollte dies der Fall sein, ist zu prüfen, ob der Anspruch des Antragstellers hierdurch ausgeschlossen wird. Nach § 10 Satz 5 IZG-SH ist in diesen Fällen eine Drittbeteiligung erforderlich; der Betroffene muss gefragt werden und selbst im Einzelnen darlegen, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt. Weiterhin ist eine Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Bekanntgabe der Informationen vorzunehmen, die einzeln begründet werden muss.
Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 15. Oktober 2008 zu Recht ausgeführt, dass zumindest der Gesamtpreis bei einem Kaufvertrag nach Abschluss der Verhandlungen offenzulegen ist. An der Kenntnis des Kaufpreises besteht regelmäßig ein überwiegendes öffentliches Kontrollinteresse, wie es vom IZG-SH verfolgt wird. Vertragspartner können deshalb durch besondere Klauseln im Vertrag nicht verhindern, dass Grundstückskaufverträge veröffentlicht werden. Dies würde den Intentionen des Informationszugangsrechts widersprechen.
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