4.8 Steuerverwaltung
4.8.1 Datenschutz im Finanzamt
Das ULD prüfte ein Finanzamt in den Bereichen der Arbeitnehmerveranlagung und Automation.
Wir mussten beanstanden, dass keine ausreichenden organisatorischen Maßnahmen gegen unbefugte Kenntnisnahme getroffen waren. In den Büroräumen befanden sich überwiegend nicht verschließbare Schränke. Der Schließmechanismus war defekt; die Türblätter gaben schon bei leichtem Druck von außen nach. Schrankschlösser waren in den einzelnen Büroräumen identisch, und die Schlüssel wiesen auch keine besonderen Sicherheitsattribute auf. Der Einsatz der elektronischen Schließanlage für die Räume genügte nicht, da in Abwesenheit der Mitarbeitenden des Amtes fremde Reinigungskräfte unkontrollierten Zugriff hatten.
Die datenschutzrechtlichen Löschfristen wurden nicht beachtet. Daten sind zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Steuerdaten bleiben erforderlich, wenn die Steuerfestsetzung nur vorläufig erfolgt, also noch keine endgültige Festsetzung vorliegt, oder wenn die Zahlungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Eine derartige Erforderlichkeit konnte in großem Umfang nicht nachgewiesen werden. Es waren überwiegend pauschale lange Aufbewahrungszeiten festgelegt, ohne dass der zugrunde liegende Sachverhalt berücksichtigt wurde. Positiv konnte festgestellt werden, dass das geprüfte Finanzamt über ein geeignetes Verfahren zur datenschutzgerechten Entsorgung von Steuerunterlagen verfügt.
Was ist zu tun?
Personenbezogene Daten sind durch geeignete Maßnahmen vor unbefugten Zugriffen zu schützen. Nicht mehr benötigte Steuerunterlagen sind zeitnah zu vernichten.
4.8.2 Wer wurde am Kopf operiert?
Ärzten steht bei steuerlichen Betriebsprüfungen ein Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz des Patientengeheimnisses zu; sie können die Auskunft verweigern.
Ein Arzt bat uns, das Vorgehen von Betriebsprüfern eines Finanzamtes im Zusammenhang mit der Einsichtnahme in Klinik- und Arztrechnungen zu prüfen. Die Betriebsprüfer verlangten die Nennung von Namen und Anschriften von Patienten, obwohl sich der Arzt auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berief.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes können sich z. B. Rechtsanwälte im Hinblick auf die Angaben zu den Teilnehmern einer Bewirtung nicht auf ihre anwaltliche Schweigepflicht bzw. auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht berufen, wenn die Bewirtungskosten als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Der Mandant habe bereits in die Offenlegung seiner Daten gegenüber dem Finanzamt eingewilligt; er müsse stets damit rechnen, dass die Bewirtungskosten von dem Rechtsanwalt als Betriebsausgaben geltend gemacht würden.
Diese Wertung ist jedoch nicht auf den geschilderten Fall übertragbar. Es existiert kein Erfahrungssatz, dass der Patient mit dem Abschluss des Behandlungsvertrages einwilligt, dass Angaben zum Namen, Vornamen und zur Anschrift gegenüber dem Finanzamt offenbart werden. Der Arzt hatte sein Auskunftsverweigerungsrecht zu Recht geltend gemacht; es war bei der Betriebsprüfung zu beachten.
Was ist zu tun?
Im Rahmen von Betriebsprüfungen müssen die Finanzbehörden die ärztlichen Auskunftsverweigerungsrechte beachten. Bei unbefugter Offenbarung der Angaben würde sich der Arzt der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen.
4.8.3 Erneut Zusendung falscher Steuerunterlagen
Weiterhin gilt: Finanzämter müssen bei der Versendung von Steuerunterlagen das Steuergeheimnis wahren. Steuerunterlagen dürfen nicht in falsche Hände geraten.
Wir berichteten zuletzt von drei Vorfällen, in denen Steuerpflichtige vom Finanzamt Steuerunterlagen fremder Personen zugesandt bekamen (31. TB, Tz. 4.7.3). Dieses Mal war ein anderes Finanzamt Auslöser für eine Beanstandung. Wieder sollten Steuerbelege wie etwa Kontoauszüge oder Arztrechnungen, die bei der Steuererklärung eingereicht worden waren, nach Prüfung an die Steuerpflichtigen zurückgesandt werden. Ursache für die Zusendung falscher Steuerunterlagen war wiederum eine falsche Befüllung von Postumschlägen.
Was ist zu tun?
Weiterhin gilt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern müssen bei der Bearbeitung von Steuerfällen mit den Steuerunterlagen sorgsam umgehen und Verwechslungen vermeiden.
4.8.4 Zur Anerkennung einer ausländischen Insolvenz
Finanzbehörden müssen insolvenzrechtliche Entscheidungen anderer EU‑Mitgliedstaaten anerkennen. Für die Überprüfung der Entscheidungen und eine damit verbundene Datenerhebung beim Steuerpflichtigen besteht in der Regel keine Rechtsgrundlage.
Einem Steuerpflichtigen war von einem englischen Gericht nach dortigem Insolvenzrecht Restschuldbefreiung gewährt worden. Nach den europarechtlichen Vorgaben müssen die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat auch von den deutschen Behörden anerkannt werden, es sei denn, dass die Anerkennung der jeweiligen Entscheidung zu einem Ergebnis führt, welches offensichtlich mit der Rechtsordnung im Widerspruch steht.
Ein Finanzamt mit einer Steuerforderung gegen den Betroffenen weigerte sich gleichwohl, die Entscheidung des englischen Gerichts anzuerkennen. Es erklärte die gegen den Steuerpflichtigen eingeleitete Pfändung nicht für erledigt und forderte die Nachreichung des Schriftverkehrs mit dem Insolvenzverwalter und die Einreichung diverser Unterlagen. Eine solche Erhebung personenbezogener Daten des Steuerpflichtigen ist nur im Rahmen der Erforderlichkeit und auf Basis einer Rechtsgrundlage zur Aufgabenwahrnehmung zulässig. Das Finanzamt konnte die Erforderlichkeit nicht darlegen. Es bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anerkennung der richterlichen Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit der Rechtsordnung im Widerspruch steht.
Was ist zu tun?
Eine Datenerhebung beim Steuerpflichtigen muss zur Erfüllung zugewiesener Aufgaben erforderlich sein. Die Finanzbehörden müssen dies sorgfältig prüfen.
Zurück zum vorherigen Kapitel | Zum Inhaltsverzeichnis | Zum nächsten Kapitel |