27. Tätigkeitsbericht (2005)
1 | Situation des Datenschutzes in Schleswig-Holstein – zwischen Konsolidierung und Aufbruch
Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) befindet sich in einer spannenden Situation: Angesichts bedeutender personeller Veränderungen wäre dringend eine Konsolidierung der bisherigen Arbeit notwendig. Zugleich aber wird das ULD mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert, die angenommen werden müssen, wenn der Datenschutz keinen Schaden nehmen soll.
Die gravierendste personelle Veränderung ist die Verabschiedung von Dr. Helmut Bäumler in den Ruhestand. Nach zwei Wahlperioden konnte er nicht wiedergewählt werden. Mit seinem Weggang verliert das Land Schleswig-Holstein einen seiner innovativsten Beamten, der den Datenschutz für das Land zu einem Markenzeichen und einem Standortvorteil gestaltet hat. Die DATENSCHUTZAKADEMIE, das ULD als Anstalt des öffentlichen Rechts und Dienstleistungszentrum, das Datenschutz-Gütesiegel und das Datenschutz-Audit sowie das Innovationszentrum ULD-i sind einige wichtige von vielen Innovationen, für die Dr. Helmut Bäumler verantwortlich ist. In den 15 Jahren seiner Tätigkeit als Datenschützer in Kiel, davon 12 als Landesbeauftragter, hat er sich weit über die Grenzen des Landes hinaus einen Namen gemacht. Und dieser gute Name war immer mit dem Datenschutz in Schleswig-Holstein verknüpft. Daher, aber auch wegen seiner angenehmen und sachlichen Art im Umgang mit Freunden, Partnern und auch Gegenspielern in Datenschutzkonflikten, fiel Ende August 2004 den zahlreichen Gästen bei der Amtsübergabe der Abschied sichtlich schwer, so unabwendbar dieser Abschied auch war. Freunde von Dr. Helmut Bäumler haben ihm als ein Zeichen des Dankes ein Buch als Freundesgabe gewidmet, das beim ULD bestellt werden kann:
Innovativer Datenschutz 1992-2004 – Wünsche, Wege, Wirklichkeit – für Helmut Bäumler, Kiel 2004, 367 S.
Der Fortgang des bisherigen Leiters war nicht der einzige personelle Aderlass für das ULD. Es gab weitere Veränderungen. Viele Kolleginnen und Kollegen verließen – teilweise nur vorübergehend – die Dienststelle, weil ihnen wegen ihrer erfolgreichen Tätigkeit beim ULD attraktivere Angebote unterbreitet wurden. Sie arbeiten heute z. B. als Referentin in einem Bundesministerium, als Richterin im Verwaltungsgericht, als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht, bei einer anderen Datenschutzdienststelle, beim Landeskriminalamt, als Datenschutzkoordinator der Europäischen Union in Litauen oder als Manager bei einem großen EDV-Dienstleister im Land.
Angesichts dieser Fluktuation ist die Konsolidierung der Arbeit eine zentrale Aufgabe für die ULD-Führung. Eine gute Grundlage hierfür ist, dass der bisherige langjährige Stellvertreter des Landesbeauftragten die Leitungsposition übernommen hat und an dessen bisherige Stelle mit Johann Bizer ein Datenschützer nachgerückt ist, der sich in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung bundesweit einen Namen gemacht hat. Das altbewährte Team und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun alles dafür, dass die personellen Veränderungen zu keinen Qualitätseinbußen führen.
Die Rahmenbedingungen für einen guten Datenschutz in Schleswig-Holstein sind gegeben: Der Landtag unterstützt das Anliegen des ULD. Mit den Ministerien findet eine enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit statt. Die Behörden, insbesondere auch die Kommunen, haben erkannt, dass Datenschutz und Datensicherheit Qualitätsmerkmale einer guten Verwaltung sind. Und die Wirtschaft begegnet dem ULD in den meisten Fällen nicht mit Misstrauen und Abwehr, sondern mit Interesse. Dieses Interesse beruht auf der Erkenntnis, dass aus der Not, die Datenschutzgesetze beachten zu müssen, eine Tugend gemacht werden kann, die sich gegenüber Kunden und Beschäftigten bezahlt macht – durch Kundenvertrauen und zufriedene Mitarbeiter. Natürlich herrscht bei der Tätigkeit als Datenschutzaufsicht für das ULD nicht immer eitel Sonnenschein. Angesichts von Interessenkonflikten, aber auch wenn die Einsicht in den Sinn des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung fehlt, müssen Kontroversen offen ausgetragen werden. Dies war im letzten Jahr aber die Ausnahme und nicht die Regel.
Das ULD kann sich aber keine ruhige Phase leisten. Die Gründe hierfür liegen zum einen in bundesweiten, europäischen, ja teilweise globalen politischen Entwicklungen (Tz. 2). Sie liegen aber auch im technischen Fortschritt, der eine Datenschutzkontrollinstanz dauernd zu neuen Anstrengungen zwingt: Telekommunikationsüberwachung, Digital Rights Management, Radio Frequency Identification, Identitätsmanagement – jeder dieser Begriffe steht für technisch und rechtlich noch nicht gelöste Aufgaben zur Wahrung der Privatsphäre.
Mit dem neu geschaffenen Innovationszentrum ULD-i verfügen wir über ein Instrument, um durch Beratung datenschutzfreundliche Innovationen zu fördern. Im Vordergrund steht nicht die Änderung von Gesetzen, sondern die Gestaltung technisch-organisatorischer Lösungen, um grundrechtsfreundliche Antworten auf die neuen Gefahren zu finden. Wir sorgen uns außerdem darum, dass diese Lösungen nicht in Gutachten, Projektberichten und Doktorarbeiten vergilben, sondern dass sie in die IT-Produkte von morgen Eingang finden. Deshalb bekommen die Instrumente des Datenschutz-Gütesiegels und des Datenschutz-Audits als Ausweis von Qualität in Zukunft eine noch stärkere Bedeutung.
Bisher konnte sich das ULD einer Herausforderung nur eingeschränkt widmen: der Kontrolle des Einsatzes der Informationstechnik in der Wirtschaft. Für die Datenschutzaufsicht in den Unternehmen im Land ist das ULD seit dem Jahr 2000 verantwortlich. Doch es zeigt sich, dass seine Reaktionsmöglichkeiten zum Schutz der Persönlichkeitsrechte auf technische und organisatorische Neuerungen in den Unternehmen unzureichend bleiben. Die Einführung von Data Warehouses, großen "Warenhäusern" voller Kundendaten, von Data-Mining-Auswertungswerkzeugen, von Menschen bewertenden Scoringverfahren, von Skilldatenbanken über Arbeitnehmer, von Überwachungstechnik in vielen Betrieben macht es uns angesichts unserer begrenzten personellen Kapazitäten fast unmöglich, auch nur ansatzweise adäquat zu reagieren. Dabei ist die Situation in Schleswig-Holstein nicht schlechter als andernorts. Es muss generell konstatiert werden, dass das Vollzugsdefizit beim Datenschutz in der Wirtschaft von vielen als Dauernormalzustand hingenommen wird. Dies kann nicht das letzte Wort in einer Informationsgesellschaft sein, die den Anspruch verfolgt, dass Technik vorrangig dem Menschen dienen soll und daher freiheitsfördernd, nicht freiheitsbeschränkend, demokratisch und nicht manipulierend, rechtswahrend und nicht rechtsgefährdend wirken muss.
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