23. Tätigkeitsbericht (2001)



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Beispiele dafür, was die Bürger von unserer Tätigkeit haben

  1. Das Landesamt für soziale Dienste hatte bei Anträgen auf Gewährung von Erziehungsgeld prinzipiell die Vorlage des Einkommensteuerbescheides des Vorjahres gefordert, was weder vom Gesetzgeber vorgesehen, noch für die Bearbeitung der Anträge erforderlich war. Nach unserer Intervention wurde das Verfahren so gestaltet, dass der Einkommensnachweis auch ohne die Offenbarung aller Steuerbescheiddaten erbracht werden kann.

  2. Die Online-Shops unter der Domain www.schleswig-holstein.de verwenden "langlebige" Cookies, die es ermöglicht hätten, ein personenbezogenes Nutzungsprofil anzulegen. Außerdem war die Zustimmungserklärung zur Verwendung der persönlichen Daten zu Werbezwecken so voreingestellt, dass die Kunden ihrerseits aktiv werden mussten, um diese Art der Datennutzung zu verhindern. Wir machten die Betreiberfirma darauf aufmerksam, dass Cookies mit nur einer Stunde "Lebensdauer" ausreichend sein sollten und dass die Voreinstellung der Zustimmung keine Einwilligung im Sinne des Datenschutzes darstellt. Die Probleme wurden mittlerweile beseitigt.

  3. Offenbar unbemerkt von der Staatsanwaltschaft funktionierte die Löschfunktion in den staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregistern des Systems MESTA nicht. Dies hatte zur Konsequenz, dass für die Betroffenen äußerst belastende Daten auch nach Fristablauf gespeichert blieben. Nachdem wir dies bei der Nachprüfung eines Falles entdeckt hatten, ist eine Behebung des Programmfehlers auf den Weg gebracht worden.

  4. Einige Unternehmen veröffentlichten sensible Mitarbeiterdaten am jeweiligen schwarzen Brett ihrer Betriebe. Jeder wusste z. B., wer wie lange krank war. Wir konnten die Firmen überzeugen, von dieser Praxis künftig abzusehen.

  5. Sicherheitstechnisch hochbrisante Fernwartungen wurden bei Behörden in Schleswig-Holstein häufig ohne sichere Rahmenbedingungen durchgeführt. Dadurch bestand das Risiko, dass die Vertraulichkeit von Daten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt wurde. Nach unseren Beanstandungen werden Fernwartungen grundsätzlich nach präzisen schriftlichen Vereinbarungen durchgeführt; alle Aktivitäten werden außerdem protokolliert.

  6. Bislang wurde offenbar bei den Staatsanwaltschaften nicht in jedem Fall geprüft, ob eine Versicherung auch wirklich tragfähige Gründe hatte, um Akteneinsicht in abgeschlossene Ermittlungsverfahren zu bekommen. Nachdem wir in einem solchen Fall die Einsichtgewährung als rechtlich unzulässig bewertet hatten, wurden die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft auf ihre Pflicht hingewiesen, künftig genau zu prüfen, ob ein ausreichend begründetes berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme vorliegt.

  7. Banken verlangten von Eigenheimbauern lange nach Abschluss von Darlehensverträgen nachträglich eine laufende und umfassende Offenbarung ihrer Vermögensverhältnisse. Darlehensnehmer wandten sich an uns, weil der in Anspruch genommene Kredit durch Hypotheken hinreichend gesichert war und durch regelmäßige Zahlungen ordnungsgemäß bedient wurde. Wir bewirkten, dass die Banken von ihrem überzogenen Auskunftsverlangen Abstand nahmen.

  8. Die frei zugänglichen Mülltonnen einer Behörde waren gefüllt mit Unterlagen über Rentenangelegenheiten, auf dem Parkplatz davor lagen adressierte Briefumschläge. Sensible Sozialdaten waren durch eine unzulängliche Organisation der Entsorgung dem Zugriff unbefugter Dritter ausgesetzt. Gemeinsam mit der Behördenleitung wurde daraufhin das Konzept zur Vernichtung konventioneller Datenträger neu strukturiert, und die Mitarbeiter des Rentenversicherungsträgers wurden über ihre Datensicherungspflichten unterrichtet.

  9. Zur Feststellung, ob Krankenhäuser Notfallpatienten aus medizinisch nicht gerechtfertigten Gründen ablehnen, wollte das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bei den Rettungsdiensten eine Erhebung durchführen, in der auch die Namen der jeweiligen Ärztinnen und Ärzte erfasst werden sollten. Die Ärztekammer wandte sich an uns mit der Befürchtung, die genannten Ärzte könnten mit strafrechtlichen oder sonstigen Sanktionen überzogen werden. Wir konnten erreichen, dass nicht der Name, sondern nur die allgemeine Funktion des Arztes erfasst wurde.

  10. Staatsanwaltschaft und Polizei beabsichtigten, zur Erfassung von Straftätern in der bundesweiten Gendatei künftig auf eine richterliche Prüfung zu verzichten. Stattdessen sollten sich die Betroffenen mit der Untersuchung ihrer DNA und der Dateispeicherung einverstanden erklären. Nach unserer ablehnenden Stellungnahme modifizierte die Staatsanwaltschaft ihr Konzept, sodass nach wie vor ein richterlicher Beschluss zu beantragen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung inzwischen unsere Position gestützt.

  11. Bislang war bei der Vermittlung von Arbeitsstellen für straffällige Personen unklar, wie Informationen über eine mögliche Wiederholungsgefährdung des Verurteilten übermittelt werden konnten, ohne dessen Resozialisierung zu gefährden. Dadurch konnte es passieren, dass entweder notwendige Warnhinweise nicht gegeben wurden oder durch routinemäßige Hinweise die Resozialisierung gefährdet war. Durch ein gemeinsam mit dem Justizministerium erarbeitetes Verfahrensmodell konnten wir erreichen, dass die Vermittlungsstellen - so genannte Freie Träger der Straffälligenhilfe - von der Staatsanwaltschaft einen Hinweis über zu vermeidende Einsatzbereiche, nicht jedoch Informationen über das gesamte strafrechtliche Vorleben des Betroffenen bekommen.

  12. Seit der letzten Änderung des Landesmeldegesetzes müssen Kinder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres auch die Daten ihrer Eltern bei der melderechtlichen Anmeldung nachweisen. Bei einer kreisfreien Stadt wurden zu diesem Zweck von den Meldepflichtigen regelmäßig Kopien der Personalausweise der Eltern gefordert und gegebenenfalls bei Nichtvorlage ein Bußgeldverfahren eingeleitet. Aufgrund unseres Hinweises, dass solche Unterlagen nicht der Verfügungsgewalt und damit der Auskunftspflicht der meldepflichtigen Kinder unterliegen, sind die anhängigen Bußgeldverfahren eingestellt worden. Soweit Betroffene künftig keinen ausreichenden Nachweis erbringen können, soll im Wege der Amtsermittlung eine telefonische Bestätigung von der Wohnsitzgemeinde der Eltern eingeholt werden.

  13. Urlaubsgastgebern von Gefangenen im Rahmen des Hafturlaubes wurde bislang ein Einwilligungsformular zur Einholung von Auskünften über die Gastgeber vorgelegt, das nicht erkennen ließ, an welche Stellen die JVA herantreten wollte, um sich von der Geeignetheit der Urlaubsadresse zu überzeugen, und was mit den erhobenen Daten danach geschieht. Dies konnte die betroffenen Gastgeber in unangenehme Situationen bringen. Auf unsere Anregung hin wurde ein neuer Vordruck eingeführt, der die beabsichtigte Datenerhebung und -verarbeitung klarer beschreibt.

  14. Viele Bankkunden fühlten sich bei der Benutzung von Selbstbedienungsterminals von anderen Kunden beobachtet. Wir wirkten darauf hin, dass die Kreditinstitute künftig verstärkt Terminals mit Sichtschutzfilter verwenden. Bei Banken und Sparkassen, die übergangsweise noch alte Terminals nutzen, veranlassten wir die Einrichtung von Diskretionszonen.

  15. Über ihre so genannten Multimediarechner tauscht die Polizei E-Mails mit Bürgern aus. Die Betroffenen wurden nicht auf das Ausspähungsrisiko hingewiesen. Jetzt bietet die Polizei ausdrücklich die Verschlüsselung von E-Mails an. Außerdem werden entsprechende "Warnhinweise" erteilt.

  16. Informationen über Auftragssperren wurden bislang nach dem Gießkannenprinzip breit gestreut. Dadurch konnte für Firmen großer Schaden entstehen, insbesondere wenn sich später die Gründe für die Auftragssperre als nicht stichhaltig erwiesen. Nach unserer Intervention hat die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein den Sachbereich neu organisiert und eine Dienstanweisung vorbereitet.

  17. Bislang blieben belastende Informationen auch dann auf Dauer in Sicherheitsüberprüfungsakten gespeichert, wenn sie verjährt und in allen anderen Registern bereits gelöscht waren. "Jugendsünden" konnten so über Jahrzehnte gespeichert bleiben. Nunmehr sollen derartige nicht mehr benötigte Informationen ausgesondert und vernichtet werden.

  18. Bislang wurde die Tatsache des Sozialhilfebezuges von Ausländern routinemäßig an die Ausländerbehörden übermittelt, auch wenn dies im Einzelfall nicht erforderlich war. Nach einer neuen Regelung entfällt die Übermittlung künftig in den Fällen, in denen die übermittelnde Stelle die fehlende Erforderlichkeit erkennen kann.

  19. Bei der öffentlichen Auslegung von Planungsunterlagen im Rahmen von Planfeststellungsverfahren wurden die Grundstückseigentümer namentlich genannt. Künftig wird das Landesamt für Straßenbau und Straßenverkehr die Grundstücke nur mit Nummern bezeichnen, die erst bei Bedarf den Grundstückseigentümern zugeordnet werden.

  20. Patientendaten dürfen an privatärztliche Verrechnungsstellen nur mit schriftlicher Einwilligung des Patienten weitergegeben werden. Dies wurde bislang nicht durchgängig beachtet. Nunmehr hat die Privatärztliche Verrechnungsstelle Schleswig-Holstein/Hamburg alle Mitglieder per Rundschreiben auf die Rechtslage hingewiesen und außerdem Mustertexte zur Verfügung gestellt.

  21. Psychotherapeuten mussten dem Zulassungsausschuss für Ärzte Falldokumentationen vorlegen. Dadurch konnten sensible Therapiedaten offenbart werden. Wir veranlassten den Zulassungsausschuss, künftig auch pseudonymisierte Fälle zu akzeptieren.




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