22. Tätigkeitsbericht (2000)
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Datenschutz bei Gerichten |
5.1 |
Wenn Bequemlichkeit zum Arbeitsplatzrisiko wird |
Durch eine bequeme Verfahrensweise bei der Begründung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gerieten höchst sensible Informationen über einen Mitarbeiter an dessen Arbeitgeber, die ihm letztlich vielleicht den Job kostete.
Eine Rechtspflegerin eines Amtsgerichts erließ einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen erheblicher Unterhaltsrückstände gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens und fügte als Anlage zur Begründung des Beschlusses nicht nur Forderungsaufstellungen der zuständigen Jugendämter bei, sondern auch einen Schlussbericht des Jugendamtes, in dem stand, dass der Schuldner für längere Zeit inhaftiert war. Die gesamten Unterlagen wurden dem Arbeitgeber des Betroffenen als Drittschuldner zum Zwecke der Gehaltspfändung zugesandt. Dieser hatte vom Vorleben seines Mitarbeiters wohl bislang keine Kenntnis gehabt und kündigte dem Mann - möglicherweise als Folge der Informationsübermittlung. Die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht wurde hierdurch sicherlich nicht erleichtert.
Gerade eine Datenübermittlung an den Arbeitgeber kann für Betroffene erhebliche berufliche und persönliche Nachteile zur Folge haben. Nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung muss dem Drittschuldner zwar der vollständige Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einschließlich der Begründung zugestellt werden. Darin dürfen jedoch nur solche Informationen enthalten sein, die zur Begründung erforderlich sind. Dies traf auf die Tatsache der Inhaftierung sicherlich nicht zu. Wenn einem Beschluss zur Begründung ungekürzte Schriftstücke anderer Behörden bzw. von Gläubigern beigefügt werden, ist die Gefahr groß, dass nicht erforderliche Daten persönlichen Schaden anrichten.
Das betreffende Amtsgericht bedauerte den Vorgang. Es sei allgemeine Praxis, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse durch Bezugnahme auf hinzugefügte Forderungsaufstellungen des Gläubigers zu begründen und diese Informationen auch dem Drittschuldner zuzustellen. Allerdings sei der Rechtspflegerin in diesem Fall die Sensibilität der Information über die Haftverbüßung nicht aufgefallen. Die Mitarbeiter des Amtsgerichts würden angehalten, eine Übermittlung nicht erforderlicher Informationen an Drittschuldner in Zukunft zu unterlassen. |
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5.2 |
Ein Durchsuchungsbeschluß für alle |
Durch die Abfassung eines Durchsuchungsbeschlusses mit sämtlichen Personalien wurde einer größeren Anzahl von Beschuldigten bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen die Tatsache des strafrechtlichen Verdachts gegen die anderen Betroffenen bekannt. Aufseiten der Gerichte will man sich jetzt generell darum bemühen, dieses durch Erlass getrennter Durchsuchungsanordnungen zu vermeiden.
In einem Ermittlungsverfahren mit mehreren Beschuldigten aus verschiedenen Wirtschaftsunternehmen erging ein Durchsuchungsbeschluss gegen eine Beschuldigte, in welchem auch die Personenangaben der übrigen Beschuldigten vollständig aufgeführt waren. Sie befürchtete nun, dass die Tatsache ihrer vermuteten strafrechtlichen Verwicklung auf diesem Wege den übrigen Betroffenen zur Kenntnis kam. Sie bangte um ihren guten Ruf in der Branche und ggf. um ihre Chancen für eine Neubeschäftigung.
Der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit, die eine Kontrollkompetenz des Landesdatenschutzbeauftragten ausschließt. Dennoch teilte uns das betreffende Gericht, als wir ihm den Sachverhalt zur Kenntnis gaben, mit, dass, soweit verfahrensrechtlich möglich, getrennte
Beschlüsse gegen die jeweiligen Beschuldigten erlassen würden. Dies geschehe unabhängig davon, wie die Staatsanwaltschaft ihren Antrag an das Gericht auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung abgefasst habe. Möglich sei jedoch im Einzelfall, dass ein Verfahren und damit der Tatvorwurf nur unter Hinzunahme der Personalien der übrigen Beschuldigten hinreichend bezeichnet werden könne, was einen einheitlichen Beschlusstext erforderlich mache. |