15. Tätigkeitsbericht (1993)



5.

Datenschutz bei den Gerichten

5.1

Datenschutzrechtliche Beratung von Gerichten

Das Landesdatenschutzgesetz gilt grundsätzlich auch für die Gerichte. Von Bedeutung sind insbesondere die Vorschriften über die Datensicherheit. Aber auch bei der Anwendung des Prozeßrechts muß der Datenschutz berücksichtigt werden.

Gerichte unterliegen zwar nicht der Kontrolle durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz, soweit sie in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden. Sie können sich aber von ihm datenschutzrechtlich beraten lassen. Davon haben Gerichte auch im vergangenen Jahr Gebrauch gemacht. Dabei haben wir unter anderem auf folgendes hingewiesen:

Auch Richter müssen Datenschutz beachten, selbst wenn sie in richterlicher Unabhängigkeit tätig werden. Dies ergibt sich aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und Abs. 3 und aus dem LDSG.

Die Bestimmungen des LDSG gelten auch für die Gerichte, soweit nicht besondere Rechtsvorschriften den Umgang mit personenbezogenen Daten regeln. Zwar enthalten die Prozeßordnungen eine Fülle von Vorschriften zur Datenverarbeitung, die dem LDSG vorgehen. Es bleiben aber Lücken, die aus dem LDSG zu schließen sind.

Dies gilt in besonderem Maße für die Regelungen zu den technisch-organisatorischen Maßnahmen zur Datensicherheit nach § 7 LDSG, die in den Prozeßvorschriften keine Entsprechung haben. Dabei ergibt sich vor allem im Hinblick auf den Publikumsverkehr in Gerichtsgebäuden die Notwendigkeit, Akten und sonstige Unterlagen mit personenbezogenen Daten vor unbefugter Kenntnisnahme zu schützen. Der Einwand, es herrsche ohnehin das Prinzip der öffentlichen mündlichen Verhandlung, verfängt nicht. Denn die Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung dient nicht dem Zweck, personenbezogene Daten über die Verfahrensbeteiligten zu erfahren, sondern der Kontrolle der Gerichte durch die Öffentlichkeit. Außerdem ist der Akteninhalt nicht identisch mit den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Informationen. Hinzu kommt, daß die Flüchtigkeit des in mündlicher Verhandlung gesprochenen Wortes weniger Gefährdungen für das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen mit sich bringt, als die Einsichtnahme in Akten und sonstige Unterlagen. Es muß überdies bedacht werden, daß die Öffentlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen von der Teilnahme an der Verhandlung ausgeschlossen werden kann.

Weiterhin haben wir auf schon früher behandelte datenschutzrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Prozeßführung hingewiesen. So ist zum Beispiel bei der Beauftragung von Gutachtern sowohl im Rahmen der Versendung der für den Gutachter notwendigen Prozeßakten als auch bei der Adressierung dieser Unterlagen das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zu beachten (vgl. 12. TB., S. 53). Die Begründung für Anträge auf Prozeßkostenhilfe darf auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Gegenseite nicht zur Kenntnis gebracht werden (vgl. 14. TB., S. 56).

5.2

Anspruch auf rechtliches Gehör contra Datenschutz

Gutachten über die Prozeßfähigkeit von Parteien enthalten u. U. sensible personenbezogene Daten. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs kann die Gegenseite Einblick verlangen. Datenschutz und rechtliches Gehör müssen in solchen Fällen in Konkordanz gebracht werden.

In einer Eingabe beschwerte sich ein Bürger über die Handhabung eines ihn betreffenden Gutachtens im Rahmen eines Zivilprozeßstreits. Er war auf seine Prozeßfähigkeit untersucht worden und hatte den Gutachter gebeten, den Prozeßgegnern nur das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen, nicht aber den detaillierten Befundbericht. Daraufhin erstellte der Gutachter "Teil 1" des Gutachtens, in dem sich allgemeine Ausführungen zur Prozeßfähigkeit sowie das Ergebnis der Untersuchung befinden. In einem weiteren "Teil 2" waren intime Daten über die Lebensgeschichte des Petenten, seine Krankheiten, sein Familienleben etc. enthalten. Später wurden seitens des zuständigen Richters beide Teile des Gutachtens auch der Gegenpartei bekanntgegeben.

Wir mußten dem Petenten mitteilen, daß wir für die Kontrolle der Gerichte nicht zuständig sind und deshalb in seiner Angelegenheit nicht tätig werden konnten. Wir hatten uns aber bereits unabhängig von dieser Petition anläßlich eines konkreten Falles, über den der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz berichtet hatte, an den Justizminister gewandt und dabei die Auffassung vertreten, auch bei der Bekanntgabe von Gutachten an die Gegenpartei im Rahmen von Zivilprozessen müsse das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beachtet werden. Allerdings ist dabei in Rechnung zu stellen, daß der Anspruch auf rechtliches Gehör Verfassungsrang besitzt und nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt.

Zu bedenken ist aber auch, daß ohnehin nicht durchgängig gewährleistet ist, daß im Rahmen des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Gegenseite sämtliche für das Verfahren relevanten Akten vorliegen. Nach der Verwaltungsgerichtsordnung kann beispielsweise die Vorlage von Akten verweigert werden, wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Wir haben deshalb angeregt zu prüfen, ob in vergleichbaren Fällen nicht "Teil 2" von Gutachten außerhalb der eigentlichen Verfahrensakten aufbewahrt werden könnte und damit der Einsichtnahme durch die Gegenpartei entzogen werden könnte.

Dieser Auffassung ist der Justizminister nicht gefolgt. Er hält die Aufteilung von Gutachten und die unterschiedliche Aufbewahrung von Gutachtenteilen für nicht zulässig. Nach seiner Auffassung genießt der Anspruch auf rechtliches Gehör insoweit Vorrang. Der Justizminister sieht allenfalls im Rahmen der sorgfältigen und präzisen Formulierung von Gutachtenaufträgen sowie in Form eines Hinweises an die zu untersuchende Partei, daß die Ergebnisse der Untersuchung auch der Gegenpartei bekannt gemacht werden müssen, Möglichkeiten, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen zu verbessern.


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