15. Tätigkeitsbericht (1993)



4.6

Sozial- und Gesundheitswesen

4.6.1

Sozialwesen

4.6.1.1

Datenerhebung beim Betroffenen oder Amtsermittlung?

Angaben für soziale Leistungen sind zunächst vom Leistungsempfänger beizubringen oder bei ihm zu erfragen. Erst wenn er solche Angaben nicht macht oder Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen, kann von Amts wegen ermittelt oder wegen fehlender Mitwirkung des Betroffenen eine Leistung abgelehnt werden.

Es wird immer wieder gefragt, ob Ämter, bevor sie soziale Leistungen gewähren, sofort von Amts wegen die Leistungsvoraussetzungen klären und dabei auch Auskünfte von Dritten wie z.B. Arbeitgebern oder Vermietern einholen dürfen, oder ob sie zunächst den Antragsteller um Informationen bitten müssen. Beschweren sich die betroffenen Bürger hierüber, wird stets auf den Amtsermittlungsgrundsatz oder "Untersuchungsgrundsatz", wie es im Sozialgesetzbuch (SGB) heißt, verwiesen.

Zwei Fälle aus der Praxis machen das deutlich:

  • Ein Handelsvertreter, der als Bezirkskommissar für eine Versicherung tätig ist, wurde Vater. Er beantragte beim Versorgungsamt Erziehungsgeld für sich für den Zeitraum von einem Jahr. Das Versorgungsamt wandte sich unmittelbar an die Versicherung, für die der Vater tätig ist, mit der Frage, ob sich die mit der Funktion eines Bezirkskommissars verbundenen Aufgaben auf eine Arbeitszeit von maximal 19 Wochenstunden reduzieren lassen. Nur dann besteht ein Anspruch auf Erziehungsgeld. Arbeitnehmer müssen die kurzzeitige Beschäftigung durch eine Arbeitsbescheinigung nachweisen, Selbständige müssen glaubhaft machen, daß sie zur Betreuung des Kindes ihre Tätigkeit entsprechend einschränken.

    Der Handelsvertreter befürchtete berufliche Schwierigkeiten und beschwerte sich über das eigenmächtige Vorgehen des Versorgungsamtes.

  • Dem zuständigen Beamten eines Sozialamtes war aufgefallen, daß ein Empfänger von Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) einen Mercedes 250 SE fuhr. Er nahm sich vor, den Betroffenen beim nächsten Besuch zu befragen, ob der Pkw ggf. als verwertbares Vermögen einzusetzen sei. Durch Zufall hatte der Beamte einige Tage später in seiner Eigenschaft als nebenamtlicher Versicherungsvertreter für dasselbe Fahrzeug einen Versicherungsantrag aufzunehmen. Als der Betroffene wieder im Sozialamt erschien, fragte ihn der Beamte nach den Eigentumsverhältnissen. Als der Sozialhilfeempfänger bestritt, Eigentümer zu sein, hielt ihm der Beamte vor, daß ihm als nebenamtlichem Mitarbeiter einer Versicherung ein Versicherungsantrag für diesen Wagen auf seinen Namen vorliege. Der Sozialhilfeempfänger erklärte, das Fahrzeug gehöre seiner Freundin, die in einer anderen Stadt lebe und sämtliche Unkosten für den Pkw bezahle. Der Wagen solle nur aus versicherungstechnischen Gründen auf seinen Namen zugelassen werden.

    Er beschwerte sich darüber, daß der Beamte im Sozialamt die ihm aus seiner Versicherungstätigkeit bekannten Daten für seine amtliche Tätigkeit genutzt habe.

Im ersten Fall war es nach unserer Auffassung nicht zulässig, unmittelbar die Versicherung zu befragen. Der Vater hätte vielmehr unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht aufgefordert werden müssen, den Sachverhalt schlüssig darzulegen und ggf. auch entsprechende Nachweise beizubringen. Selbst wenn dann weiterhin Unklarheit bestanden hätte, ob ein Anspruch auf Erziehungsgeld bestand, wäre die Einschaltung der Versicherung und die damit erfolgte Offenbarung von Sozialdaten unzulässig. Bei fortbestehenden Zweifeln hätte der Antrag auf Gewährung von Erziehungsgeld abgelehnt werden müssen. Es wäre Sache des Antragstellers gewesen, im weiteren Verfahren nachzuweisen, daß er tatsächlich nur halbtags tätig ist. Die Übermittlung der Sozialdaten an die Versicherung war eine unbefugte Offenbarung und somit ein Verstoß gegen das Sozialgeheimnis, der förmlich beanstandet werden mußte.

Bei dem zweiten Fall war davon auszugehen, daß dem Mitarbeiter im Sozialamt bereits aus seiner amtlichen Tätigkeit - er sah den Sozialhilfeempfänger wegfahren - bekannt war, daß dieser einen wertvollen Pkw fuhr. Zur Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse wäre er berechtigt gewesen, die Vorlage des Kfz-Scheines zu verlangen. Bei Nichtvorlage wären dann auch weitere Ermittlungen von Amts wegen -allerdings kaum bei der Versicherung - zulässig gewesen. Daß an die Stelle amtlicher Ermittlungen die Verwertung privater Zusatzkenntnisse trat, macht das eigentliche Problem aus. In der Regel dürfte nämlich die Verwertung solcher Informationen in Verwaltungsverfahren eine Vertragsverletzung des Mitarbeiters bedeuten.

4.6.1.2

Grenzen der Datenerhebungen durch das Sozialamt

Wird Sozialhilfe gezahlt, so kann ein Sozialamt Unterhaltsansprüche des Empfängers auf sich überleiten. Dazu darf es Informationen über Einkommen und Vermögen des Unterhaltspflichtigen erheben. Ein Anspruch auf entsprechende Angaben über dessen nicht unterhaltspflichtigen Ehegatten besteht jedoch nicht.

Zahlt ein Sozialamt Sozialhilfe, so leitet es Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers gegen seine Verwandten auf sich über. Der unterhaltspflichtige Angehörige hat zu diesem Zweck Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu machen. Immer wieder beschweren sich Unterhaltspflichtige darüber, daß von ihnen auch Angaben über das Einkommen und Vermögen ihrer Ehegatten verlangt werden, auch wenn diese nicht unterhaltspflichtig sind.

Wir vertreten die Auffassung, daß das Bundessozialhilfegesetz keine Befugnis für Datenerhebungen über das Einkommen und Vermögen nicht unterhaltspflichtiger Angehöriger enthält. Es kann allerdings im Einzelfall durchaus im Interesse des Unterhaltspflichtigen liegen, solche Angaben zu machen. Dies wird dann der Fall sein, wenn der nicht Unterhaltspflichtige kein eigenes oder nur ein geringes Einkommen oder Vermögen hat und der Unterhaltspflichtige auch ihm Unterhalt gewähren muß. Dies darf jedoch nur mit dem Einverständnis des nicht unterhaltspflichtigen Angehörigen geschehen und ist durch seine Unterschrift auf dem Fragebogen zu dokumentieren.

4.6.1.3

Keine Amtshilfe für die Telekom

Nach der Postreform nimmt die Telekom gegenüber den Kunden keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und hat insoweit keine Behördeneigenschaft. Ein Anspruch auf Amtshilfe nach dem Sozialgesetzbuch besteht daher nicht mehr.

Daß die Postreform auch Auswirkungen im Bereich des Sozialgesetzbuches hat, kann man nicht ohne weiteres erwarten. Doch ergaben sich für einige Krankenkassen Probleme. Für sie war es fraglich, ob nach der Neuordnung der Deutschen Bundespost die Telekom Anspruch auf Auskünfte im Rahmen der Amtshilfe habe. Wie früher baten die Fernmeldeämter unter Bezugnahme auf die Amtshilfevorschriften des SGB X nämlich um Auskunft über Beschäftigungsverhältnisse von Kunden der Telekom. Die Angaben sollten der Ermittlung des derzeitigen Arbeitgebers für Zwecke der Vollstreckung dienen.

Die Telekom ist zwar nach wie vor Teil der bundeseigenen Verwaltung, uns wurde jedoch auf Nachfrage bestätigt, daß sie gegenüber ihren Kunden nur privatrechtlich tätig ist. Für die Anwendung der Amtshilfevorschriften des SGB X wäre jedoch Voraussetzung, daß die Telekom Behördeneigenschaft hat. Behörden sind nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder diejenigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Um eine solche öffentlich-rechtliche Aufgabe handelt es sich bei den Leistungen der Telekom nicht. Sie ist insoweit nicht Behörde. Die Amtshilfevorschriften des SGB sind deshalb nicht anwendbar. Die betroffenen Krankenkassen wurden darauf hingewiesen, daß aus Amtshilfevorschriften keine Offenbarungsbefugnis für solche Auskünfte hergeleitet werden kann, die zur Beitreibung privatrechtlicher Forderungen der Telekom verwendet werden sollen.

4.6.1.4

Stichprobenprüfungen in Sozialämtern

Die Akten der geprüften Sozialämter wurden durchweg sorgfältig geführt. Dennoch zeigte die Aktenführung einige grundsätzliche Rechtsprobleme auf.

Im Rahmen von Stichprobenprüfungen bei vier Sozialämtern haben wir Akten über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe und Heimunterbringung gezielt auf drei Fragestellungen hin durchgesehen:

  • Gab es unbefugte Datenerhebungen bei Dritten?
  • Gab es unbefugte Offenbarungen von Sozialdaten an Dritte und
  • wurden bei Datenerhebungen über Unterhaltspflichtige im Zusammenhang mit Überleitungsanzeigen nach den §§ 90, 91 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auch unbefugt Daten über deren nicht unterhaltsverpflichtete Ehegatten erhoben?

Dabei fiel auf, daß offensichtlich von allen vier geprüften Sozialämtern beim Zuzug solcher Sozialhilfeempfänger, die bereits am alten Wohnort Sozialleistungen erhalten haben, die frühere Sozialhilfeakte zur Einsichtnahme und Fertigung von Kopien angefordert wird. Dies geschieht nur teilweise mit Einwilligung der betroffenen Antragsteller. In der Regel werden die letzten maßgeblichen Bescheide des Sozialamtes und Nachweise wie Rentenbescheid, Verdienstbescheinigung und Mietvertrag kopiert, bei Asylbewerbern auch die Zuweisungsbescheide. Auf unsere Frage, warum die Akten ohne Einschränkung angefordert werden, wurde mehr oder weniger übereinstimmend erklärt, man brauche die Akten, um die genannten Nachweise zu erhalten und um z.B. festzustellen, wann und in welcher Höhe die letzten Bekleidungsbeihilfen u.ä. bewilligt worden seien.

Nach der Rechtslage sind die Sozialämter nur berechtigt, die für die Bearbeitung der jeweiligen Hilfe erforderlichen Daten zu erheben. Dieser Maßstab gilt auch für Datenanforderungen bei anderen Behörden. Da die geprüften Sozialämter nur die aktuellen Unterlagen aus den angeforderten Akten kopiert haben, sind in der Mehrzahl der Fälle mit den vollständigen Akten auch nicht erforderliche Daten an das neu zuständige Sozialamt übermittelt worden. Die benötigten Informationen betrafen durchweg nur die letzten Zeiträume einer Sozialhilfegewährung oder bestimmte Arten der Hilfeleistung. Sie hätten ohne wesentlichen Aufwand von früheren Akteninhalten getrennt oder in Form einer Auskunft dem anfragenden Sozialamt zur Verfügung gestellt werden können.

Kritisch ist jedoch nicht nur der Umfang der angeforderten Daten - die gesamte Akte - sondern es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob solche unmittelbaren Auskunftsersuchen bei der früher zuständigen Behörde erforderlich sind. Daten sind, auch wenn es Sozialhilfeempfänger betrifft, grundsätzlich zunächst beim Betroffenen zu erheben. Ein Auskunftsersuchen bei Dritten kann allenfalls in bezug auf die bereits erwähnten Bekleidungsbeihilfen oder ggf. spezielle Beihilfen im Rahmen der Eingliederungshilfe erforderlich sein, wenn Zweifel an den Angaben der Betroffenen bestehen. Wir halten daher die routinemäßige Anforderung der vollständigen Sozialhilfeakte beim früher zuständigen Sozialamt ohne Einwilligung der Betroffenen im Grundsatz für unzulässig.

Aber auch mit Einwilligung ist die Anforderung der vollständigen Akte nicht ohne weiteres zulässig. Ein Bürger, der einen Antrag in einem Sozialamt stellt, möchte eine Leistung des Staates erhalten und wird daher, wenn es von ihm verlangt wird, "notgedrungen" auch eine Unterschrift unter eine generelle Einverständniserklärung geben. Deshalb dürfen die Behörden sich von vornherein eine Einwilligung zur Beiziehung von Unterlagen nur im erforderlichen Umfang geben lassen.

Weiter war den Sozialakten zu entnehmen, daß es verhältnismäßig häufig zu Kontakten oder zu Schriftwechsel des Sozialamtes mit Dritten kommt, ohne daß eine vorherige Beteiligung des Antragstellers erkennbar wird. Als Beispiele seien hier genannt:

  • Befragung eines Autohauses über den Kaufpreis des Pkw's eines Sozialhilfeempfängers,
  • Schriftwechsel mit einer Wohnungsbaugesellschaft über Mietrückstände und den Neuabschluß eines Mietvertrages,
  • Kontakte mit Rechtsanwälten in Scheidungs- und Erbschaftssachen,
  • Kontakte mit Bestattungsunternehmern,
  • Schriftwechsel mit Alten- und Pflegeheimen und
  • Stellungnahmen anderer Ämter (Ordnungsamt, Steueramt) der eigenen Verwaltung.

Dabei werden sowohl Daten erhoben als notgedrungen auch Sozialdaten übermittelt. Wir haben in den genannten Fällen mehrheitlich keine Einverständniserklärung der betroffenen Antragsteller zu diesen Datenerhebungen und Offenbarungen an Dritte gefunden, noch waren die Betroffenen darüber informiert worden.

Auch wenn man bei der Mehrzahl der Fälle davon ausgehen kann, daß das Handeln des Sozialamtes im Ergebnis für den Betroffenen vorteilhaft war, verstößt das Verfahren ohne schriftliche Einwilligung gegen den Sozialdatenschutz. Auch Sozialdaten sind zunächst immer beim Betroffenen zu erheben und ihre Offenbarung darf nur in den im Sozialgesetzbuch genannten Fällen erfolgen. Die Sozialämter müssen, wenn sie selbst ermitteln oder für den Sozialhilfeempfänger Angelegenheiten klären wollen, zunächst das schriftliche Einverständnis der Betroffenen einholen. Im Ausnahmefall - bei Vorliegen besonderer Umstände - kann auch das mündliche Einverständnis genügen. Wichtig ist jedoch, daß auch das mündlich eingeholte Einverständnis schriftlich in der Akten dokumentiert wird. Sinn dieser Regelung ist die Garantie des informationellen Selbstbestimmungsrechts auch für Sozialhilfeempfänger, die nicht wie Entmündigte behandelt werden dürfen.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Offenbarung und die Erhebung von Sozialdaten bei der Anmeldung und Durchsetzung von Erstattungsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch X zu erwähnen. Hier findet in der Regel Schrift- und Telefonverkehr u.a. mit dem Arbeitsamt, der Landesversicherungsanstalt, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und dem Versorgungsamt statt. Dies ist, soweit es sich um die Anmeldung und Abwicklung der Erstattungsansprüche handelt, auch korrekt. Auch soweit es in diesem Zusammenhang zur Offenbarung von Sozialdaten kommt, ist diese nach SGB X zulässig.

Allerdings wurde im Rahmen der Prüfung festgestellt, daß es auch unabhängig von der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen zu der Anforderung von Rentenbescheiden sowie anderen Anfragen oder Mitteilungen wie z.B. der Übermittlung von Berichten des Arbeitsamtes nach Auslaufen der dortigen Förderung kommt. Soweit dies über den Erstattungszweck hinausgeht, hat nach den Vorschriften des SGB X die Erhebung beim Betroffenen zu erfolgen. Nur im Ausnahmefall oder mit schriftlicher Einwilligung des Betroffenen kann die Datenerhebung unmittelbar bei den genannten Institutionen in Frage kommen.

Bei den Prüfungen haben wir keine Fälle feststellen können, in denen es im Rahmen der Überleitung der Unhaltsansprüche von Sozialhilfeempfängern gegen unterhaltspflichtige Verwandte zu unbefugten Datenerhebungen über deren nicht-unterhaltspflichtige Ehegatten gekommen ist. Problematisch war jedoch, daß die von den Sozialämtern verwandten Frage- bzw. Erhebungsbögen für die Unterhaltspflichtigen nicht deutlich machen, daß nicht unterhaltspflichtige Angehörige auch nicht verpflichtet sind, Angaben zu ihrem Einkommen und zum Vermögen zu machen. Dies muß künftig geändert werden.

4.6.2

Gesundheitswesen

4.6.2.1

Abgleich von Betäubungsmittelrezepten eines Gesundheitsamtsbezirks

Rezepte zum Bezug von Betäubungsmitteln dürfen vom Gesundheitsamt überprüft werden. Eine patientenbezogene Auswertung aller Betäubungsmittelrezepte eines Gesundheitsamtsbezirks zur Kontrolle von Betäubungsmittelmißbrauch wäre als "Rasterfahndung" unzulässig.

Ein Gesundheitsamt wollte in seinem Bereich eine umfassende Kontrolle nach dem Betäubungsmittelgesetz durchführen. Hierzu sollten von allen betroffenen Ärzten die Betäubungsmittelrezepte angefordert werden, die Namen der Patienten, der Ärzte und die verordneten Medikamente erfaßt und überprüft werden. Auf diese Weise sollten z.B. Doppelverordnungen festgestellt werden. Das Gesundheitsamt hatte die Absicht, nach Abschluß der Aktion die Daten zu löschen. Eine dauerhafte Speicherung war nur für die Namen und Anschriften der Ärzte geplant.

Das Gesundheitsamt hatte Zweifel, ob ein solcher Abgleich zulässig sei und bat um eine datenschutzrechtliche Stellungnahme. Die Prüfung hat ergeben, daß das Betäubungsmittelgesetz das Gesundheitsamt nur im Einzelfall berechtigt, zu Kontrollzwecken Rezepte einzusehen. Die Ärzte, Zahnärzte oder Tierärzte sind nach der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung verpflichtet, Durchschriften der Betäubungsmittelrezepte ganz oder teilweise drei Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde einzusenden oder den Beauftragten dieser Behörde vorzulegen. Aus der Verordnung ergibt sich weiter, daß die Kreisgesundheitsbehörden im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit die bei den Ärzten befindlichen BTM-Rezepte kontrollieren dürfen. Diese Überwachungsrechte dürfen aber nicht dazu genutzt werden, aus den Unterlagen aller Ärzte eines Gesundheitsamtsbezirks nach Art einer "Rasterfahndung" eine Gesamtdatei aller Patienten mit Betäubungsmittelanwendungen zu erstellen und sie in die Nähe von BTM-Abhängigen oder Drogensüchtigen zu rücken. Das wäre aber die Folge des beabsichtigten Verfahrens. Der Rahmen der Kontrolle des legalen Betäubungsmittelverkehrs würde damit überschritten und über die Kontrolle der Ärzte bzw. Apotheker hinaus eine allgemeine Patientenkontrolle eingeführt. Wir hielten diese Art der Auswertung für unverhältnismäßig und haben dringend davon abgeraten.

Zulässig wäre dagegen eine Auswertung, die zwar patientenbezogen, aber auf die jeweilige einzelne Arztpraxis beschränkt ist. Hierdurch kann das Verschreibungsverhalten des einzelnen Arztes und die Einhaltung der Mengenbegrenzung nach der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung kontrolliert werden. Nach Abschluß der Kontrolle sind die Daten zu löschen.

4.6.2.2

Weitergabe amtsärztlicher Gutachten ohne Einwilligung des Betroffenen

Hat für einen Taxischein der Antragsteller ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen, so kann er bestimmen, ob es direkt dem Ordnungsamt zugeleitet oder zunächst ihm ausgehändigt wird. Wird dies nicht beachtet, liegt u.U. ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht und gegen die ärztliche Schweigepflicht vor.

Das neue LDSG hat die Pflicht zur Löschung von Daten beträchtlich erweitert. So sind Daten, die unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften verarbeitet wurden, grundsätzlich von Amts wegen zu löschen.

Wie sich das auswirken kann, zeigt folgender Fall: Ein Bürger hatte beim Ordnungsamt einen Antrag auf Ausstellung eines Personenbeförderungsscheines gestellt. Voraussetzung für die Erteilung ist unter anderem eine amtsärztliche Untersuchung. Er hatte sich mit der Untersuchung durch das zuständige Gesundheitsamt einverstanden erklärt. Das Ordnungsamt hat das zuständige Gesundheitsamt hiervon unterrichtet und zugleich schriftlich mitgeteilt: "Eine Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zur Mitteilung des Begutachtungsergebnisses an die Verwaltungsbehörde liegt hier nicht vor". Die Untersuchung wurde durchgeführt. Obwohl der Betroffene nicht über das Ergebnis informiert und nicht um seine Einwilligung zur Weitergabe des Gutachtens gebeten wurde, schickte das Gesundheitsamt das Ergebnis des Gutachtens an das Ordnungsamt.

Wir haben diese Übermittlung als unzulässige Offenbarung von Daten, die dem Arztgeheimnis unterliegen, gewertet, die gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt förmlich zu beanstanden war.

Da die Datenübermittlung an das Ordnungsamt ohne Einwilligung des Betroffenen unzulässig war, war auch die Speicherung durch das Ordnungsamt unzulässig. Nach dem Landesdatenschutzgesetz waren diese personenbezogenen Daten daher zu löschen, was inzwischen auch geschehen ist.

4.6.2.3

Änderungen im Gesundheitsrecht

Das bereits verabschiedete Gesundheitsstrukturgesetz 1992 und das noch zu beratende Änderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch enthalten auch Vorschriften zum Datenschutz. Nicht alle können im Interesse der Betroffenen als positiv angesehen werden.

Gesundheitsstrukturgesetz 1992

Das "Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung" ist am 1.1.1993 in Kraft getreten. Sein Ziel ist es, den Kostenanstieg in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verringern. Da im Rahmen dieses Gesetzes auch eine Reihe datenschutzrelevanter Vorschriften geändert bzw. ergänzt werden, haben sowohl die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder als auch der Landesbeauftragte hierzu Stellung genommen. Den Bedenken der Datenschutzbeauftragten ist in einer Reihe von Punkten nicht Rechnung getragen worden. Das Schwergewicht der politischen Diskussion lag vielmehr auf den Maßnahmen zur Eindämmung der Kosten. Wegen der zügigen parlamentarischen Beratung fehlte die Zeit für eine differenzierte Diskussion datenschutzrechtlicher Fragen.

Im einzelnen ging es um folgendes:

  • Das Gesetz schreibt vor, daß die Krankenkassen in den Ländern Modellvorhaben zur Prüfung der Notwendigkeit von Krankenhausbehandlungen durchführen. Es fehlte zunächst eine Regelung bis wann die in diesem Zusammenhang bei den Medizinischen Diensten angefallenen personenbezogenen Daten zu löschen bzw. zu anonymisieren sind. Auf Anregung der Datenschutzbeauftragen hat der Gesetzgeber festgelegt, daß dies spätestens ein Jahr nach Abschluß des Modellvorhabens zu erfolgen hat.
  • Das Gesetz läßt die weitgehende maschinelle Erfassung der Leistungsdaten der Versicherten zu. Damit könnte das Gesundheitsstrukturgesetz etwas zum Ergebnis haben, was nach einhelligem politischen Willen bislang bewußt vermieden wurde, nämlich ein Leistungskonto des Versicherten. Dies wäre wirklich ein entscheidender Schritt hin zum "gläsernen Patienten". Es wird daher in Zukunft darauf ankommen, in der Praxis die Gefahr zu vermeiden, die mit der maschinellen Erfassung versichertenbezogener Daten und der Möglichkeit der schnellen Verknüpfung verbunden sind. Aus der beabsichtigten Kontrolle des ärztlichen Verordnungsverhaltens darf keine Kontrolle der Versicherten werden.
  • Weiter ist der Katalog der Daten deutlich erweitert worden, die vom Krankenhaus an die Krankenkassen übermittelt werden dürfen. Neu ist, daß das Krankenhaus auch die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung hierfür zu übermitteln hat. Erstmalig haben die Krankenhäuser auch Datum und Art der im jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen zu übermitteln. Insbesondere die Aufnahme der Operationen in diesen Übermittlungskatalog überzeugt nicht, da diese Daten in keinem Sachzusammenhang zu der Abrechnung stehen. Die Tatsache, daß die Möglichkeit für die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen eröffnet wird, mit den Krankenhäusern bzw. Krankenhausgesellschaften Vereinbarungen zu treffen, wonach bei der Abrechnung von Leistungen auf einzelne Angaben verzichtet werden kann, zeigt, daß offensichtlich nicht alle der künftig zulässigen Datenübermittlungen erforderlich sind. Die derzeit anstehende Änderung des SGB bietet Gelegenheit, diesen Fehler zu korrigieren.
  • Nach dem Entwurf der Bundespflegesatzverordnung dürfen wahlärztliche Leistungen zwar durch privatrechtlich organisierte Abrechnungsstellen abgerechnet werden. Das Gesetz fordert nach Intervention der Datenschutzbeauftragten nunmehr aber die Einwilligung der Patienten, wenn Abrechnungsstellen eingeschaltet werden sollen.

Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch

Zu diesem Gesetzentwurf haben wir wie folgt Stellung genommen:

  • Zwar sieht der Entwurf nunmehr die Befugnis vor, Sozialdaten an externe Gutachter zu übermitteln. Für die Daten, die der Gutachter seinerseits erhebt, bedarf es einer Befugnis zur Übermittlung an den Auftraggeber. In der Praxis kann nämlich nicht immer die Einwilligung der betroffenen Versicherten eingeholt werden kann.
  • Als problematisch ist zu werten, daß der Entwurf den bisher im SGB üblichen Begriff der Offenbarung durch den Begriff der Übermittlung ersetzen will. Dadurch wird der Schutz der Sozialdaten erheblich aufgeweicht. Nicht schon die Information einzelner unzuständiger Mitarbeiter derselben datenverarbeitenden Stelle wird untersagt, wie es bisher der Fall war. Die Sperre setzt vielmehr erst dann ein, wenn Informationen von einer datenverarbeitenden Stelle zu einer anderen fließen.
  • Das SGB läßt schon heute Datenoffenbarungen und künftig auch Datenübermittlungen innerhalb des gesamten Sozialleistungsbereichs zu, soweit es für jegliche gesetzliche Aufgabenerfüllung nach dem SGB erforderlich ist. Damit ist für Sozialdaten keine auf den einzelnen Vorgang bezogene Zweckbindung gewährleistet. Sozialdaten genießen damit insoweit einen geringeren Schutz als sonstige Daten. Wir haben vorgeschlagen, das SGB X so zu ändern, daß die Nutzung und Übermittlung der Daten nur für die Erfüllung der jeweiligen einzelnen konkreten Aufgabe zulässig ist.
  • Schließlich sieht der Entwurf die Möglichkeit des Online-Zugriffs auf Sozialdaten vor. Auch hiergegen bestehen große Bedenken, auch wenn der Zugriff nur innerhalb des Sozialleistungsbereichs vorgesehen ist. Für die jeweiligen Verfahren müssen vielmehr spezielle Regelungen durch Rechtsnormen geschaffen werden.


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