Stellungnahme des ULD zum Präventionsgesetz
Dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD-SH) liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vor. Dieser sieht umfangreiche Ausweitungen der Befugnisse von gesetzlichen Krankenkassen vor, die nach unserer Einschätzung aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht akzeptiert werden können.
Der Gesetzentwurf sieht u. a. eine Ausweitung der Regelungen des § 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) vor. Zukünftig sollen gesetzliche Krankenkassen in ihren Satzungen Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung) vorsehen. Für die Aufgabenwahrnehmung werden Gesundheitsziele in Form von Diagnosen, wie z. B. Diabetes mellitus Typ II, Brustkrebs oder depressive Erkrankungen definiert.
In den „neuen“ §§ 25 und 26 SGB V sollen für versicherte Kinder und Jugendliche respektive Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, entsprechende Ansprüche auf zielgerichtete Gesundheitsuntersuchungen definiert werden. Diese Gesundheitsuntersuchungen sollen die Versicherten bei einem Arzt ihrer Wahl in Anspruch nehmen können. Inhalte dieser Gesundheitsuntersuchungen sind u. a. die „Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und Belastungen zur Früherkennung von bevölkerungsmedizinischen bedeutsamen Krankheiten und eine darauf abgestimmte präventionsorientierte Beratung einschließlich einer Überprüfung des Impfstatus“.
Zukünftig soll § 65a Abs. 1 SGB V vorsehen, dass Versicherte, die regelmäßig Leistungen zur Vermeidung und Früherkennung von Krankheiten in Anspruch nehmen oder an Leistungen der Krankenkassen zur verhaltensbezogenen Prävention teilnehmen, Anspruch auf einen Bonus haben. Ausführungen dazu, wie das Verfahren zu beantragen, Bewilligung und Gewährung eines derartigen Bonus ausgestattet werden soll, enthält der Gesetzentwurf nicht.
In der Begründung des Gesetzentwurfes wird zur geplanten Änderung des § 25 SGB V ausgeführt, dass die Gesundheitsuntersuchung mithilfe geeigneter Instrumente, z. B. Fragebögen, Risikotests und Risikoscores durchzuführen sei, um eine „ärztliche Erfassung und Bewertung des individuellen gesundheitlichen Risikoprofils und eine darauf abgestimmte präventionsorientierte Beratung“ zu ermöglichen. Als gesundheitliche Risikofaktoren und Belastungen werden in der Gesetzesbegründung exemplarisch Adipositas, unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum oder starker chronischer psychosozialer Stress, ausgelöst etwa durch berufliche Belastungen oder Gewaltbelastungen im sozialen und familiären Umfeld, genannt.
Der Gesetzentwurf sieht weiter eine Ergänzung des § 20 Abs. 5 SGB V insoweit vor, dass die Krankenkassen eine Leistung zur verhaltensbezogenen Prävention erbringen können. Voraussetzung hierfür sei die „Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung (Präventionsempfehlung)“, die bei den Krankenkassen bei der Entscheidung über die beantragten Leistungen zu berücksichtigen ist.
Welche konkreten Inhalte diese Präventionsempfehlung haben soll, wird in der Gesetzesbegründung nicht näher aufgezeigt. Jedoch wird ausgeführt, dass diese neu vorgesehene Präventionsempfehlung in Form einer ärztlichen Bescheinigung „den Vorteil beinhaltet, dass mit der ärztlichen Gesundheitsuntersuchung gezielt diejenigen Personen identifiziert werden, bei denen der Präventionsbedarf und das Potential besonders groß sind“. So könnten „gezielt Personen aus gesundheitlich gefährdeten Zielgruppen angesprochen und motiviert werden, wie z. B. Menschen in beruflich und familiär besonders belastenden Lebenssituationen und Menschen mit sprachlich, sozial oder kulturell bedingten Barrieren im Hinblick auf die Inanspruchnahme von präventiven Leistungen sowie chronisch kranke Menschen, bei denen das Auftreten weiterer Erkrankungen oder zusätzlicher gesundheitlicher Belastungen vermieden werden soll“.
Nach Einschätzung des ULD-SH bedingt dieser Gesetzesentwurf aus datenschutzrechtlicher Sicht die Gefahr, dass den gesetzlichen Krankenkassen in einem nicht zu akzeptierenden Umfang sensibelste Gesundheitsdaten ihrer Versicherten zugänglich gemacht werden. Gerade auch im Hinblick auf den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) ist dieses Gesetzesvorhaben aus datenschutzrechtlicher Sicht äußerst kritisch zu bewerten.