7: FAQ - Häufig gestellte Fragen
Datenschutz bei Gemeindeversammlungen, § 54 GO
I. Informationsanspruch nach der Gemeindeordnung
Dem Grunde nach besteht für Mitglieder einer Gemeindeversammlung ein Auskunftsanspruch nach den §§ 30, 54 GO. Es gilt die Einschränkung, dass bei der Abwägung mit berechtigten Interessen Einzelner nach § 30 Abs. 2 GO die besondere Stellung der Mitglieder der Gemeindeversammlung zu berücksichtigen ist. Die Mitglieder können insoweit nur in geringerem Umfang ein öffentliches Interesse an der Offenbarung der Informationen für sich beanspruchen.
Bei Kleinstgemeinden mit bis zu 70 Einwohnern tritt nach § 54 GO an die Stelle einer gewählten Gemeindevertretung eine aus allen Bürgern bestehende Gemeindeversammlung. Die für die Gemeindevertretung geltenden Regelungen sind für die Gemeindeversammlung entsprechend anzuwenden und dabei die Besonderheiten der Gemeindeversammlung zu berücksichtigen (Bracker/Dehn, § 54 GO, Rn. 3). Von der Sache her gebotene Differenzierungen dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden (Franke, Gemeindeversammlung in Recht und Praxis, Diss. Kiel, 1996, S. 71, hiernach: „Franke, Gemeindeversammlung“).
Die Gemeindeversammlung hat die Aufgabe, die Durchführung von Entscheidungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten zu überwachen, § 27 Abs. 1 GO. Zur Wahrnehmung der Kontrollaufgaben stehen den einzelnen Gemeindevertrer/innen Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte nach § 30 GO zu. Diese Rechte stehen dem Grund nach auch allen Mitgliedern einer Gemeindeversammlung zu. Die Einschränkungen des § 30 Abs. 2 GO sind dabei im besonderen Maß zu berücksichtigen. Diese Einschränkungen sind zugleich Voraussetzung, um diese Rechte den Mitgliedern einer Gemeindeversammlung überhaupt zuzugestehen. So begründet Franke (Franke, Gemeindeversammlung, S. 155), dass der Anspruch auf Mitglieder der Gemeindeversammlung ausgedehnt werden könne, weil dieser Anspruch ohnehin den Beschränkungen der Absätze 2-3 unterläge. Bei Gemeindevertretern wird bei der Gewährung der Rechte nach § 30 GO vom Gesetzgeber angenommen, dass sie a) zur Verschwiegenheit nach § 21 GO verpflichtet sind, die bei Zuwiderhandlung nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht verfolgt werden kann. Hier ist für Mitglieder der Gemeindeversammlung zu differenzieren und b) eine Vielzahl von Wählern vertreten, womit hinsichtlich der Abwägung zwischen den beteiligten Interessen ein quantitatives Mehr für das öffentliche Interesse spricht.
a) Für Mitglieder einer Gemeindeversammlung gilt das Verschwiegenheitsgebot nach § 21 GO demgegenüber nicht. Insoweit sind die Gemeindeordnungen in Brandenburg, Niedersachsen eindeutig und für Schleswig-Holstein wird eine entsprechende Anwendung des § 21 GO ebenfalls mit plausibler Begründung abgelehnt (Franke, Gemeindeversammlung, S. 131). Während bei Bestehen der Verschwiegenheitspflicht bei gleichzeitiger Zuweisung einer Kontrollaufgabe einiges zugunsten des Informationszugangs spricht, sind bei Abwesenheit der Verschwiegenheitspflicht die Interessen betroffener Dritter aus datenschutzrechtlichen Erwägungen in dem Umfang zu gewichten, wie dies der Fall wäre, wenn die Auskunft einem sonstigen Bürger gegenüber erteilt würde.
b) Weiter ist bei der Abwägung der Interessen nach § 30 Abs. 2 GO auch zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der Gemeindeversammlung lediglich Individualinteressen vertreten und nicht von einer Vielzahl von Wählern mandatiert wurden. Bei der praktischen Umsetzung ist dabei weiter zu berücksichtigen, dass gerade bei sehr kleinen Gemeinden eine effektive Anonymisierung von Unterlagen schwer möglich sein wird und durch oftmals vorhandenes Zusatzwissen eine Zuordnung zu einem näher bestimmbaren Betroffenen möglich sein wird. Die vereinzelt vertretene Auffassung (Franke, Gemeindeversammlung, S. 131), dass alle Bürger als Mitglieder der Gemeindeversammlung auch ein Teilnahmerecht an nichtöffentlichen Sitzungen haben und daher die komplette Offenlegung aller Unterlagen rechtmäßig ist, geht insoweit fehl, als das dabei die berechtigten Interessen einzelner nicht die angemessene Berücksichtigung finden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sowohl das Datenschutzrecht seit Erscheinen der Publikation von Franke im Jahr 1996 erheblich weiterentwickelt wurde und zwischenzeitig das Informationsfreiheitsrecht mit dem IFG, jetzt IZG, im Landesrecht eingeführt wurde. Gerade im Spannungsfeld dieser beiden Rechte wurden erhebliche Fortschritte in der Rechtsdogmatik gemacht. Der im Datenschutzrecht allgemein anerkannte Grundsatz der Erforderlichkeit ist insoweit zu berücksichtigen, dass für die Wahrnehmung der Kontrollaufgaben nur die erforderlichen personenbezogenen Daten herausgegeben werden dürfen. Regelmäßig wird es jedoch nicht erforderlich sein, die Identität eines Antrag- oder Einspruchsstellers, eines Begünstigten einer Maßnahme oder dergleichen namentlich zu kennen. Vielmehr sollte die Verwaltung und die diese kontrollierende Ratsversammlung ohne Ansehen der Person und nur nach sachgerechten Gesichtspunkten entscheiden. Regelmäßig überwiegen daher die schutzwürdigen Interessen der von einer Offenbarung ihrer Daten Betroffenen.
II. Auskunft nach dem Informationszugangs- und Landesdatenschutzgesetz
Auch nach dem Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein (IZG) stehen allen Mitgliedern als natürlichen Personen Auskunftsrechte gegenüber der Verwaltung zu. Der voraussetzungslos gewährte Informationsanspruch nach § 3 IZG findet seine Grenze im Schutz privater Belange nach § 10 IZG. Personenbezogene Daten sind dabei geschützt, soweit deren Vertraulichkeit durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. In Schleswig-Holstein wird der Schutz personenbezogener Daten, die bei Stellen der öffentlichen Verwaltung verarbeitet werden, durch das Landesdatenschutzgesetz (LDSG) gewährleistet.
Das LDSG ist auch für Gemeindeversammlungen und deren Mitglieder in Ausübung ihrer Rolle als Mitglied der Gemeindeversammlung anwendbar. Nach § 3 Abs. 1 LDSG gilt das Gesetz für die Träger der öffentlichen Verwaltung zu denen die Gemeinden zählen, § 2 Abs. 1 LVwG. Die Gemeindeversammlung ist ein Organ der Gemeinde als kommunale Gebietskörperschaft (ULD, Hinweise zur Anwendung des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes zum Schutz personenbezogener Informationen, 2000, § 3 LDSG Ziff. 1, hiernach: „ULD, Hinweise LDSG“). Die Zulässigkeit einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch die Gemeindeversammlung bzw. deren Mitglieder richtet sich nach § 11 LDSG. Sie ist zulässig, sofern eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt, eine Rechtsvorschrift die Verarbeitung erlaubt, diese zur Erfüllung einer durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgabe oder zur Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person erforderlich ist, § 11 Abs. 1 LDSG. Dabei ist auch verwaltungsintern die Verarbeitung so zu organisieren, dass die Weitergabe an andere Organisationseinheiten innerhalb einer datenverarbeitenden Stelle auf eine Weise geschehen kann, dass nur die für den jeweils in der Organisationeinheit verfolgten Zweck erforderlichen Angaben übermittelt werden, § 11 Abs. 4 S. 1 LDSG. Soweit daher in der Amtsverwaltung, z. B. in Bausachen, Informationen mit Personenbezug vorliegen, ist vor einer Weitergabe der Unterlagen zu prüfen, ob die Kenntnis der Identität von natürlichen Personen für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Ist das nicht der Fall, dürfen die Unterlagen nicht ohne vorherige Einholung einer Einwilligung von den Betroffenen oder ohne Anonymisierung herausgegeben werden. Ausnahmen bestünden nur, wenn die Kenntnis der personenbezogenen Daten zur Erfüllung der durch Rechtsvorschrift zugewiesenen Aufgabe erforderlich ist, § 11 Abs. 1 Nr. 3 LDSG oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Regelmäßig wird es nicht erforderlich sein, die Betroffenen namentlich zu nennen oder anderweitig zu identifizieren. Bei der Bemessung des öffentlichen Interesses ist zwar zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der Gemeindeversammlung auch Kontrollaufgaben gegenüber der Verwaltung wahrnehmen. Insoweit ist jedoch auch darauf zu verweisen, dass lediglich Einzelinteressen wahrgenommen werden und keine Schweigepflicht besteht (siehe oben unter I.).
III. Fazit
Im Ergebnis sind daher regelmäßig personenbezogene Daten durch die Amtsverwaltung vor Herausgabe an Mitglieder der Gemeindeversammlung zu entfernen, soweit es sich nicht um Angaben über Funktionsträger in deren jeweiliger Eigenschaft handelt oder der Betroffene ausdrücklich eingewilligt hat. Die vorstehenden Hinweise gelten hinsichtlich der Verbreitung von Tischvorlagen, Entscheidungsvorschlägen, Stellungnahmen, etc. entsprechend. Damit kommt es im Ergebnis zu einem weitgehenden Gleichlauf der Informationsrechte von Mitgliedern der Gemeindeversammlung nach der GO und Bürgern nach dem IZG.
Soweit ein Mitglied der Gemeindeversammlung Auskünfte begehrt, hat die Verwaltung, in der Regel die Amtsverwaltung, grundsätzlich zu prüfen, ob der Anspruch dem Grunde nach auch nach der GO gegeben ist. Dies hätte die Folge, dass die Auskunft nach der GO kostenfrei zu erteilen ist und ein Rückgriff auf die Kostenregelungen des IZG regelmäßig ausgeschlossen ist.