3: Vorträge, Vorlesungen, Aufsätze
Thesen zur Veranstaltung „Datenschutz“ des Goethe-Institut Moskau
Thesen von Dr. Thilo Weichert, Landesbeauftragter für Datenschutz Schleswig-Holstein,
zur Veranstaltung „Datenschutz“ am 24.02.2011, 19.00 Uhr, des Goethe-Instituts Moskau
im Rahmen der Diskussionsreihe „Die Gegenwart der Zukunft“
- In unserer modernen Informationsgesellschaft hinterlassen die Menschen bei ihren privaten, beruflichen, politischen und sozialen Aktivitäten sowie im Kontakt mit Behörden und Unternehmen digitale Spuren durch Nutzung von Telekommunikationseinrichtungen, Computern, Smartphones, elektronischen Zahlungssystemen, Audio- und Videoüberwachung sowie den Einsatz von Funkgeräten. Mit Hilfe dieser digitalen Spuren können Persönlichkeitsprofile erstellt werden, die zur Grundlage genommen werden können zur Manipulation, Diskriminierung und Unterdrückung von Menschen.
- Angesichts der weltweiten internationalen Vernetzung über das Internet benötigt die globale Informationsgesellschaft gemeinsame Grundregeln für den Umgang und die Nutzung des Internet, bei der die internationalen Menschenrechte, wie sie in einer Vielzahl von völkerrechtlichen Verträgen anerkannt sind, auf die „digitale Welt“ übertragen werden (Codex digitalis universalis).
- Im Rahmen der Erarbeitung eines „Codex digitalis universalis“ sollten die Informationsfreiheit und die Meinungsäußerungsfreiheit im Netz sowie der staatliche, wirtschaftliche und private Geheimhaltungsschutz gewährleistet werden.
- Privater Geheimhaltungsschutz im Netz hat unter dem Überbegriff „Datenschutz“ zwei Aspekte, die vom deutschen Bundesverfassungsgericht mit entwickelt wurden und inzwischen in der Europäischen Union als Grundrechte anerkannt sind: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf digitale Privatsphäre. Das Recht auf digitale Privatsphäre wurde vom deutschen Bundesverfassungsgericht konkretisiert als „Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme“.
- Datenschutz ist ein informationsrechtliches Menschenrecht, das als solches in Westeuropa, in Australien und in einigen Staaten Amerikas anerkannt ist, aber noch nicht global und insbesondere nicht in den USA, in Russland und in China. Es besteht ein natürliches Bedürfnis aller Menschen an einer „digitalen Privatsphäre“.
- Die digitale Privatsphäre ist für die Menschen nötig, um in unserer globalen Informationsgesellschaft demokratische Freiheiten wahrnehmen zu können, d.h. sich frei politisch zu organisieren, seine Meinung zu äußern, sein Eigentum zu nutzen, einen Beruf auszuüben, familiären, sozialen und räumlichen Schutz zu genießen.
- Die digitale Privatsphäre ist sowohl durch elektronische Überwachung durch Staaten wie durch die Privatwirtschaft gefährdet. Dies gilt insbesondere, wenn die Überwachung ohne Wissen der Betroffenen oder gegen deren Willen geschieht.
- Wichtiger Bestandteile des Datenschutzes bzw. der Wahrung einer digitalen Privatsphäre sind
- gesetzliche Regelungen, die Voraussetzungen und Grenzen von Informationseingriffen festlegen,
- die Schaffung einer technischen Infrastruktur, die es den Menschen ermöglicht, sicher und vertrauensvoll das Internet zu nutzen.
- Die Macht von internationalen Internetunternehmen wie Google, Facebook, Amazon oder Apple kann dazu führen, dass staatliche Ordnungsvorstellungen nicht mehr realisiert werden können und dass z.B. die nationalen Datenschutzvorschriften faktisch ausgehebelt werden.
- Die Zivilgesellschaft muss ihre informationstechnischen Möglichkeiten des Austauschs und der Meinungsbildung nutzen, um staatliche wie private Beeinträchtigung der digitalen Grundrechte zurückzudrängen.