Donnerstag, 8. Juli 2004

2: Pressemitteilungen

Großen Lauschangriff abschaffen!

Sellungnahme des ULD SH zum Referentenentwurf des BMJ zum "Großen Lauschangriff"

Das Bundesjustizministerium hat am 24.06.2004 den Referentenentwurf für eine "Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung" vorgelegt. Dies war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bestehenden Regelungen zum Großen Lauschangriff in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz hat heute gegenüber dem schleswig-holsteinischen Justizministerium zum Referentenentwurf Stellung genommen.

Der vorgelegte Referentenentwurf ist abzulehnen. Statt die Vorgaben des Urteils adäquat umzusetzen, soll der große Lauschangriffsogar erweitert werden. Die naheliegende Frage, angesichts der mahnenden Worte des Bundesverfassungs­gerichts und im Hinblick auf den engen verfassungsrechtlichen Rahmen auf ein so umstrittenes Instrument wie den Großen Lauschangriff gänzlich zu verzichten, hat sich die Bundesjustizministerin offenbar gar nicht gestellt.

Statt dessen sollen Gespräche mit Berufsgeheimnisträgern in Zukunft leichter abgehört werden können. Nach den bisherigen Vorschriften der Strafprozessordnung ist es im Rahmen des Großen Lauschangriffs verboten, etwa Gespräche mit Ärzten, Rechtsanwäl­ten, Psychologen, Seelsorgern oder Journalisten abzuhören. Solche Abhöraktionen sollen nach dem Willen der Verfasser des Entwurfs in Zukunft möglich werden. Dann könnte sich niemand mehr wirklich auf die Vertraulichkeit eines Gespräches mit seinem Arzt oder Rechtsanwalt verlassen.

Auch die verfahrensrechtlichen Sicherungen genügen nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Da die Menschenwürdegarantie und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Mittelpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehen, hätten auch die Auswirkungen des Urteils auf andere heimliche Ermittlungsmaßnahmen wie verdeckte Ermittler, Richtmikrofone oder die Telekommunikations-Überwachung berücksichtigt werden müssen. Dies ist nicht geschehen.

Geradezu konterkariert wird das Bundesverfassungsgericht, wenn die Bundesjustiz­ministerin die Strafandrohung für die Bildung krimineller Vereinigungen in bestimmten Fällen von fünf auf zehn Jahre verdoppeln will. Damit soll die Vorgabe des Bundes­verfassungsgerichts umgangen werden, wonach die Wohnraumüberwachung nur bei besonders schweren Straftaten mit einer Androhung von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe durchgeführt werden darf.

Im Übrigen zeigen die vorgesehenen Regelungen, wie kompliziert die Normen sein müssen, wenn der Große Lauschangriff unter Berücksichtigung des verfassungsrecht­lichen Rahmens beibehalten werden soll. Das ULD sieht sich in seiner ersten Einschätzung bestätigt, dass die Regelungen in der Praxis kaum sinnvoll umsetzbar sind. Um so mehr sollte angesichts des erheblichen Eingriffs, den der Große Lauschangriff darstellt, in Anbetracht der geringen Erfolge, die bislang damit erzielt wurden und unter Berücksich­tigung der mangelnden Praktikabilität der neuen Regelungen auf den Großen Lauschangriff in Zukunft gänzlich verzichtet werden.

Die ausführliche Stellungnahme des ULD zum Referentenentwurf finden Sie unter:
www.datenschutzzentrum.de/artikel/172-.html