Weitergabe von Patientendaten über Unfallbetroffene an Polizei
Zwischen Krankenhausärzten bzw. Krankenhausverwaltungen und der Polizei kommt es immer wieder zu Konflikten bzgl. der Frage, unter welchen Voraussetzungen Patienteninformationen über Beteiligte an Verkehrsunfällen an die Polizei offenbart werden dürfen oder gar müssen. Der Beitrag zeigt die Möglichkeiten der Information, aber auch deren Grenzen auf.
Die Frage der Zulässigkeit der Datenübermittlung von Krankenhäusern an die Polizei war in der Vergangenheit Gegenstand der Darstellung in Tätigkeitsberichten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD): Im Tätigkeitsbericht 2002 wurde unter 4.2.8 dargestellt, dass es einem Rettungsarzt auf Grund des Melderechts erlaubt ist, über einen in einem Krankenhaus eingelieferten Unfallbeteiligten der Polizei Informationen weiterzugeben, um eine Blutprobe zu nehmen, die wegen der Eilbedürftigkeit der ärztlichen Versorgung von der Polizei am Unfallort nicht mehr vorgenommen werden konnte. Im Tätigkeitsbericht 2003 wird unter 4.2.7 dargestellt, dass die Information der Polizei über eine in einer Krankenhausambulanz behandelte Patientin unzulässig war, die die Polizei wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe suchte. Über die Einzelfall-Darstellungen hinaus können folgende allgemeinen Ausführungen gemacht werden:
Das Patientengeheimnis (ärztliche Schweigepflicht, § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 9 Ärztliche Berufsordnung SH) verbietet grds. eine Offenbarung ärztlicher Geheimnisse an die Polizei. Zweck dieser Regelung ist die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und dem Patienten. Ein Hilfsbedürftiger soll ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen können, ohne sich der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen.
Das Patientengeheimnis gilt auch, wenn ein bewusstloser Mensch ärztlich behandelt wird. Es kommt also nicht darauf an, dass sich der Patient bewusst in eine Vertrauensbeziehung zu einem Arzt begeben hat. Die Vertrauensbeziehung wird vom Gesetz verpflichtend festgelegt.
Eine Offenbarung des Patientengeheimnisses kann unter den Voraussetzugen der §§138, 139 StGB für die Anzeige einer geplanten schweren Straftat gerechtfertigt sein. Ein weiterer Rechtfertigungsgrund für eine Offenbarung besteht, wenn durch die Mitteilung (und nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen) eine gegenwärtige überwiegende Gefahr abgewendet werden kann (§ 34 StGB).
Für Zwecke der Strafverfolgung können diese auf Gefahrenabwehr abzielenden Regelungen nicht genutzt werden. Als Rechtfertigung für eine Offenbarung kommt hier lediglich § 32 Bundesmeldegesetz (BMG) in Betracht. Diese Regelung enthält eine Sonderregelung zur Meldepflicht von Personen, die „in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder sonstigen Einrichtungen, die der Betreuung pflegebedürftiger oder behinderter Menschen dienen, aufgenommen“ werden.
Gem. § 32 Abs. 2 BMG ist der zuständigen Behörde Auskunft aus den Unterlagen der genannten Einrichtungen zu erteilen, wenn dies nach Feststellung der Behörde zur Abwehr einer erheblichen und gegenwärtigen Gefahr, zur Verfolgung von Straftaten oder zur Aufklärung des Schicksals von Vermissten und Unfallopfern im Einzelfall erforderlich ist. Die Auskunft umfasst folgende Daten:
- Familienname,
- Vornamen,
- Geburtsdatum und Geburtsort sowie bei Geburt im Ausland auch den Staat,
- Staatsangehörigkeiten,
- Anschriften,
- Datum der Aufnahme und Datum der Entlassung.
Sowohl aus dem Wortlaut wie aus dem Sachzusammenhang ergibt sich, dass diese Regelung sich ausschließlich auf stationär in einem Krankenhaus Untergebrachte bzw. Unterzubringende beschränkt. Eine Auskunftserteilung über lediglich ambulant Behandelte kann damit nicht gerechtfertigt werden.
Nach Bundesmelderecht dürfen auch lediglich die in den o.g. Nrn. 1 bis 6 genannten Angaben gemacht werden. Angaben über die Art und Schwere der Verletzung sind nach dem Bundemeldegesetz nicht zulässig.
Ein Arzt bzw. das Krankenhaus kann in diesen Fällen auch nicht zu einer Auskunft gezwungen werden, weil das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO auch in Bezug auf Tatsachen besteht, die keine Patientengeheimnisse mehr sind.
Handelt es sich bei den Personen um Opfer von Unfällen, so kann die Polizei von den Ärzten bzw. dem Krankenhaus informiert werden, wenn die Opfer hierzu ihre informierte Einwilligung erteilt haben. Insofern besteht kein Unterschied zwischen einer stationären oder einer ambulanten Behandlung. Die Einwilligung ist vom Arzt bzw. von dessen Hilfspersonen (Krankenhausmitarbeiter) einzuholen. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen bzgl. des Umfanges und des Erklärungswertes dringend, eine schriftliche Einwilligung einzuholen (vgl. auch § 12 Landesdatenschutzgesetz Schleswig-Holstein – LDSG SH, § 4a Bundesdatenschutzgesetz – BDSG). Der Arzt ist aber gegenüber der Polizei nicht verpflichtet, sich bei dem Patienten um eine Einwilligung zu bemühen.
Grds. ist dieses Vorgehen auch bei Unfallverursachern möglich. Eine Verpflichtung zur Erteilung einer Einwilligung in die Datenübermittlung an die Polizei durch die Betroffenen besteht aber nicht.
Diese Rechtslage ergibt sich zwingend aus den gesetzlichen Regelungen. Der ärztlichen Nothilfe wurde vom Gesetzgeber gegenüber dem staatlichen Anspruch auf Strafverfolgung mit guten Gründen der Vorrang eingeräumt. Es macht durchaus Sinn, dass das Gesetz der sicheren und angstfreien Inanspruchnahme einer ärztlichen Leistung oder einer ärztlichen Versorgung ein höheres Gewicht beimisst als anderen, auf den ersten Blick durchaus berechtigten polizeilichen Belangen. So gesehen ist die eingeschränkte Auskunftspflicht von Krankenhäusern bei stationärer Behandlung nach dem Melderecht ein „Systembruch“, nicht aber der Verweis auf das Bestehen der Schweigepflicht in den übrigen Fallkonstellationen.
Sind die von der Polizei benötigten Daten bei anderen Personen vorhanden, die nicht durch das Patientengeheimnis verpflichtet sind (z.B. Unfallzeugen), so sind diese selbstverständlich gegenüber der Polizei aussagebefugt.