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OVG Schleswig: Kein Maulkorb für das ULD
Hintergrund der OVG-Entscheidung ist eine langjährige bundesweite Praxis von Apothekenrechenzentren, Rezeptdaten nicht nur zur Abrechnung gegenüber Krankenkassen zu nutzen, sondern diese – gekennzeichnet über sog. „Arzt-„ und „Patientenanonyme“ – an medizinische Informationsdienstleister zu verkaufen, die diese Daten dann aufbereitet u. a. an die Pharmaindustrie weitergeben. Norddeutsche Datenschutzaufsichtsbehörden, u. a. das ULD, kritisierten diese Praxis, weil nach ihrer Überzeugung keine hinreichende, gesetzlich geforderte Anonymisierung erfolgt sei. Dies veranlasste das Norddeutsche Apothekenrechenzentrum (NARZ) in Bremen, sein Verfahren zu ändern und nur noch durch Aggregation anonymisierte Rezeptdaten herauszugeben. Demgegenüber veränderte ein bayerischer Anbieter mit Billigung der dortigen Aufsichtsbehörde seine Datenweitergabe insofern nicht, dass weiterhin mit einem „Patientenanonym“ gekennzeichnete Rezeptdatensätze einzelner Patientinnen und Patienten abgegeben wurden. Der Leiter des ULD kritisierte dies auf Anfrage verschiedener Pressemedien Ende August 2013. Durch den Beschluss des VG Schleswig wurde dem ULD diese Kritik auf Antrag des bayerischen Unternehmens untersagt mit dem Argument, für die aufsichtliche öffentliche Bewertung sei die lokale Behörde zuständig. Andere Aufsichtsbehörden dürften ihre abweichende Meinung lediglich im behördeninternen Diskurs zur Geltung bringen.
Die Entscheidung des VG wurde nun vom OVG in zweiter und letzter Instanz in wesentlichen Punkten aufgehoben. Es ist demgemäß Aufsichtsbehörden erlaubt, bei Wahrung der gebotenen Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit die eigene Meinung darzustellen, die als solche erkennbar gemacht und zurückhaltend formuliert werden muss.
Zu dem OVG-Beschluss äußert sich Thilo Weichert: „Das Oberverwaltungsgericht hat den Maulkorb, der dem ULD vom Verwaltungsgericht verpasst wurde, wieder abgenommen. Dadurch ist eine qualifizierte – auch kontroverse – öffentliche Datenschutzdebatte in Deutschland weiterhin möglich. Ohne diese Debatte könnten sich Stellen mit dem Verweis auf nicht transparente Prüfergebnisse der lokalen Aufsicht einer öffentlichen Kritik entziehen. Für das ULD ist die OVG-Entscheidung aber nur ein halber Sieg: Das Gericht beschäftigte sich nicht mit der zentralen datenschutzrechtlichen Frage, wann eine hinreichende Anonymisierung in Apothekenrechenzentren vorliegt. Diese Grundsatzfrage muss dringend geklärt werden, um eine Marktverzerrung bei Apothekenrechenzentren zu verhindern und einen effektiven Schutz der hochsensiblen Rezeptdaten zu gewährleisten. Geringerer Datenschutz sollte nicht zum Wettbewerbsvorteil werden.“
Die OVG-Entscheidung vom 28.02.2014 finden Sie hier:
Die Presseerklärung des OVG vom 04.03.2014 finden Sie hier: