Suchmaschinen sind im Grunde unzulässig
Von Thilo Weichert, Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig Holstein
Unbestreitbar ist, dass Suchmaschinen eine prima Sache sind, um im Internet gezielt nach Informationen zu suchen. Dass sich dahinter ein gewaltiges Datenschutzproblem verbirgt, ist bisher wenig ins Bewusstsein gedrungen. Dies dürfte zum einen an der Geheimpolitik vieler Suchmaschinenbetreiber im Hinblick auf die Verarbeitung der Nutzungsdaten liegen, allen voran Fastmonopolist Google. Dies liegt aber wohl auch daran, dass die Betroffenen von der zweckwidrigen Nutzung von Internet-Inhalten, z.B. durch Arbeitgeber im Rahmen von Einstellungsverfahren, regelmäßig nichts ahnen. Eine Analyse der Suchmaschinenpraxis zeigt, dass diese derzeit gegen grundlegende Datenschutznormen verstößt.
Es gibt zwei unterschiedliche Datenschutzprobleme bei Suchmaschinen. Eines knüpft am Menschen als Suchobjekt an, das andere am Menschen als suchendem Subjekt. Das eine Mal erfolgt die Beeinträchtigung informationeller Selbstbestimmung durch die systematische Zusammenstellung der im Internet über eine Person auch abseitig gespeicherten und verfügbaren Informationen. Das andere Mal beeinträchtigt die Analyse des Such- und Surfverhaltens der Nutzenden durch die Internet-Anbieter deren Möglichkeit selbst festzulegen, wer was wann bei welcher Gelegenheit über sie erfährt.
Das Bundesverfassungsgericht hat – schon früh im Jahr 1969 und seitdem immer wieder – bekräftigt, dass die Erstellung umfassender Persönlichkeitsbilder mit der grundgesetzlichen Menschenwürde nicht vereinbar ist. Es hat festgestellt, dass alle Menschen ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung haben. Dies schließt ein, wissen und mit bestimmen zu können, wer über einen Daten verarbeitet. Das Grundrecht bedingt einen Auskunftsanspruch über Inhalt, Herkunft und Empfänger persönlicher Daten sowie einen Anspruch auf Löschung unzulässiger und Berichtigung falscher Daten.
All dies ist derzeit bei Suchmaschinen nicht gewährleistet. Wenn Daten nicht durch den Betroffenen selbst, sondern durch Dritte ins Internet eingestellt werden, dann hat der Betroffene faktisch keine Chance, sich gegen die Nutzung dieser Daten, z.B. in einem Bewerbungsverfahren, zur Wehr zu setzen. Selbst die Durchsetzung einer Datenlöschung ist bei einem Anbieter in Deutschland schwierig, bei einem Anbieter im Ausland faktisch fast unmöglich. Selbst wenn die Löschung auf einer Webseite durchgesetzt werden konnte, bleibt die Information noch längere Zeit über Zwischenspeicher von Suchmaschinen verfügbar oder ist gar durch eine Spiegelung durch eine dritte Stelle völlig der eigenen Bestimmung entzogen.
Dies hat nicht nur seine Ursachen in den technischen Gegebenheiten des Internet. Suchmaschinenbetreiber können Einiges zur Wahrung des Datenschutzes tun: durch die Einräumung von Widerspruchsrechten, der Möglichkeit der Gegendarstellung, der Sperrung und der Löschung, nicht zuletzt durch eine transparente Darstellung der Datenverarbeitung und der Suchroutinen.
Bei der Auswertung des Such- und Surfverhaltens ist noch erheblich mehr an Datenschutz möglich. Dass Google die Nutzungsdaten 18 bis 24 Monate lang speichert, ist ein klarer Verstoß gegen das Erforderlichkeitsprinzip des Telemediengesetzes. Alternative Anbieter verzichten teilweise vollständig auf die Auswertung der Verbindungsdaten. Eklatant gegen Transparenzregeln verstößt der Suchmaschinenprimus weiterhin dadurch, dass er sich im „Kleingedruckten auf dem Bildschirm“ die Verknüpfung der Nutzungsdaten mit Daten aus anderen Internetdiensten – von denen Google einige im Markt platziert hat – genehmigen lässt, ohne dass für die Betroffenen eine Widerrufsmöglichkeit bestünde. Mit dem Aufkauf von DoubleClick, dem Werbeprimus im Internet, durch Google wird die Gefahr der informationellen Fremdbestimmung potenziert.
Die Dialogbereitschaft Googles mit den Datenschützer wurde signalisiert, hält sich aber – noch – in engen Grenzen. Tatsächlich gilt für amerikanische Internet-Anbieter nicht Wildwest, sondern auch das europäische Datenschutzrecht. Aber nur begrenzt: Gegen die Verwendung der Nutzerdaten durch CIA, FBI oder NSA wäre für Google auch bei größtem Datenschutzbewusstsein kaum ein Kraut gewachsen. Gefordert sind aber nicht nur die Suchmaschinenbetreiber selbst, sondern alle: Verbraucher- und Datenschützer können Rechtskontrollen durchführen und für Transparenz sorgen. Der Gesetzgeber muss die Datenschutzgesetze aus der Vorinternetzeit auf den neuesten Stand bringen. Und nicht zuletzt: Die Verbraucherinnen und Verbraucher können und sollten Suchmaschinen nutzen, die den Datenschutz ernst nehmen und dies klar und nachprüfbar bekennen.