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Stellungnahme zu Gesetzentwürfen zur Einführung des Großen Lauschangriffs
In einer neuen Stellungnahme setzt sich der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Dr. Helmut Bäumler mit den zwischen den Koalitionsfraktionen und der SPD-Bundestagsfraktion ausgehandelten Gesetzentwürfen zur Einführung des Großen Lauschangriffs auseinander. Er erhebt schwere rechtsstaatliche Bedenken und fordert die Landesregierung auf, dem Großen Lauschangriff im Bundesrat nicht zuzustimmen.
Im einzelnen kritisiert Dr. Bäumler:
- Der Große Lauschangriff soll nicht nur zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden, sondern sogar zur Aufklärung von Vergehen. Besonders problematisch ist, daß auch beim Verdacht des Vorliegens von Staatsschutzdelikten, die mit Organisierter Kriminalität nichts zu tun haben, der Große Lauschangriff erlaubt werden soll.
- Der Große Lauschangriff soll bereits angeordnet werden dürfen, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht des Vorliegens einer der genannten Straftaten begründen. Angesichts des hohen Rechtsgutes der Unverletzlichkeit der Wohnung wäre in jedem Fall dringender Tatverdacht zu verlangen.
- Der Große Lauschangriff richtet sich keineswegs nur gegen "Gangsterwohnungen". Vielmehr können auch Wohnungen anderer Personen abgehört werden, die keiner Straftat verdächtig sind. Es genügt bereits, daß aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß ein Beschuldigter sich in der Wohnung aufhält, selbst wenn der Wohnungsinhaber davon keine Ahnung hat.
- Die Gesetzentwürfe sehen keinen Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zu Ärzten, Anwälten, Priestern oder Journalisten vor. Deren Zeugnisverweigerungsrecht kann durch den Großen Lauschangriff ausgehebelt werden. Erklärungen der Bundesregierung, nach bestehender Rechtslage sei dies nicht möglich, treffen nicht zu. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof in mehreren Fällen entschieden, daß die besonderen persönlichen oder beruflichen Vertrauensverhältnisse nur im Falle einer förmlichen Vernehmung, nicht aber bei sonstigen Ermittlungsmaßnahmen geschützt sind. Die Proteste aus der Ärzteschaft, aus Anwaltskreisen sowie aus den Kirchen sind deshalb tatsächlich berechtigt.
- Die Gesetzentwürfe sehen kein Verwertungsverbot für Daten aus der Intimsphäre vor, so wie es der Sächsische Verfassungsgerichtshof als verfassungsrechtlich unverzichtbar verlangt hat. Der Große Lauschangriff macht statt dessen nicht einmal vor dem Schlafzimmer halt.
- Auch im übrigen sind die Verwertungsbestimmungen völlig ungenügend. Sie sehen Beschränkungen nur für die Verwendung der Gesprächsprotokolle "zu Beweiszwecken" vor. Eine Nutzung als Ermittlungsansatz selbst zur Verfolgung von Bagatelldelikten oder auch nur eine dauerhafte Speicherung in Dateien ist nicht ausgeschlossen.
- Völlig ungenügend sind die für die Bundesregierung vorgesehenen Berichtspflichten. Es genügt nach dem Gesetzentwurf bereits, wenn die Bundesregierung jährlich die Zahl der Lauschangriffe bekannt gibt. Notwendig sind statt dessen aussagefähige Berichte, aus denen hervorgeht, wieviele Bürgerinnen und Bürger von den einzelnen Lauschangriffen betroffen waren und welche Ergebnisse dabei erzielt wurden.
- Erfahrungen zeigen, daß neue Ermittlungsinstrumentarien, wenn sie erst einmal eingeführt sind, ein dauerhaftes Eigenleben führen. So wurde beispielsweise die Einführung der Videoüberwachung außerhalb von Wohnungen mit dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität begründet. Tatsächlich wird auf dieser Grundlage der laufende Straßenverkehr per Video überwacht, um Verkehrsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten aufzuklären. Deshalb müßte die Einführung des Großen Lauschangriffs von vornherein zeitlich begrenzt werden, damit nach Fristablauf geprüft werden kann, welche Erfolge zu welchen rechtsstaatlichen Kosten erzielt werden konnten.
Eine Gesamtwürdigung der Gesetzentwürfe legt es dringend nahe, der Einführung des Großen Lauschangriffs grundsätzlich nicht, schon gar nicht in der vorgesehenen Form zuzustimmen.