Freitag, 15. Juli 2005

5: Stellungnahmen

Stellungnahme des ULD zur Novellierung der DNA-Analyse im Strafverfahren

(Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums "Entwurf eines Gesetzes zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse")

Die Verwendung der DNA-Analyse im Strafverfahren und zur Strafverfolgungsvorsorge ist erneut in die öffentliche Diskussion geraten. Nachdem von verschiedenen Seiten die Ausweitung der DNA-Analyse gefordert wurde, hat das Bundesministerium der Justiz einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt.

Dieser Entwurf spiegelt eine bedauerliche Entwicklung wider. Der Gefahr einer zunehmenden Erfassung weiter Teile der Bevölkerung in staatlichen Dateien mit zunehmend sensibleren Informationen schenkt der Gesetzgeber immer weniger Beachtung. Dies wird der hohen Bedeutung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der weiteren berührten Grundrechte nicht gerecht. Die besondere Brisanz des genetischen Fingerabdrucks – durch die Kombination von elektronischer Auswertbarkeit für die Polizei und mangelnder Kontrollmöglichkeiten für die Betroffenen – ist offenbar aus dem Blickfeld geraten: Betroffene – auch Unschuldige – haben es nicht in der Hand, an welchen Orten sie genetische Spuren, wie zum Beispiel Haare, Hautschuppen oder Speichel, zurücklassen. Eine zunehmende Zahl von Betroffenen könnte so, ohne dass hierfür irgend ein Anlass bestünde, in massiv belastende strafrechtliche Ermittlungen hineingezogen werden, weil sie in einer zentralen DNA-Datenbank erfasst sind. Wird Gewebe am Tatort gefunden und zugeordnet, so muss der dadurch Verdächtigte faktisch erst einmal seine Unschuld beweisen. Die Unschuldsvermutung wird dadurch entwertet.

Im Einzelnen sind die folgenden Punkte besonders hervorzuheben:

1. Einschränkung des Richtervorbehaltes

a) "Einwilligung"

Die Bundesregierung will die DNA-Analyse verstärkt auf Grundlage einer Einwilligung der jeweils betroffenen Person zulassen. Zum Zweck der Verfahrensvereinfachung soll im Einzelfall auf den Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung verzichtet werden. Für die Analyse der DNA des Beschuldigten im laufenden Ermittlungsverfahren sieht der Entwurf dies in § 81 f Abs. 1 StPO-E vor, für die Strafverfolgungsvorsorge in § 81 g Abs. 1 StPO-E. Problematisch ist dies vor allem im letzteren Bereich.

Die Einwilligung als Voraussetzung für strafprozessuale Eingriffe spielt im gegenwärtigen Strafprozessrecht im Zusammenhang mit Ermittlungseingriffen eine nur untergeordnete Rolle. Dies ist angesichts der Struktur strafprozessualer Ermittlungen nur allzu verständlich.

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren befinden sich die Beschuldigten regelmäßig in einer "Abwehrposition", gestützt auf die Grundrechte als "Abwehrrechte" gegen staatliche Eingriffe. Ermittlungsmaßnahmen sind stets Eingriffe in die Grundrechte der betroffenen Personen, die einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage bedürfen. Diese gesetzliche Grundlage darf das Persönlichkeitsrecht nicht weiter einschränken, als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfGE 65, 1, 44; 67, 100, 143). Die Grundrechtseingriffe sind durch rechtsstaatliche Verfahrenssicherungen "abzufedern". Hierzu gehört – vor allem bei besonders intensiven Eingriffen, wie der DNA-Analyse – der sog. Richtervorbehalt, der dem Eingriff eine richterliche Entscheidung vorausgehen lässt (vgl. BVerfGE 103, 21). Ohnehin unerlässlich und "unverzichtbar" ist die Möglichkeit, den Eingriff nachträglich durch ein unabhängiges Gericht kontrollieren zu lassen (Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. BVerfGE 22, 49, 81).

Zwar erscheint es denkbar, dass die betroffenen Personen in Einzelfällen auf ihren Grundrechtsschutz insoweit "verzichten", als sie der staatlichen Eingriffsmaßnahme – etwa auf Grund eines im Einzelfall vorliegenden eigenen Interesses – zustimmen. Das grundrechtliche Schutzsystem würde aber ausgehebelt, wenn diese "Zustimmung" den einzelnen Betroffenen quasi als Selbstverständlichkeit abverlangt und damit zur Regel würde. Angesichts der bereits bestehenden Praxis der DNA-Analyse ist dies zu befürchten.

Eine Einwilligung als zumindest teilweiser "Verzicht" auf den Schutz durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann nur in engen Grenzen verfassungsrechtlich zulässig sein. Allgemein anerkannt ist, dass eine Einwilligung im Strafverfahren nur dann wirksam ist, wenn die betroffene Person diese freiwillig abgibt und über den Zweck sowie die ihr zustehenden Rechte und Möglichkeiten informiert ist.

Der Gesetzesvorschlag sieht insoweit ausdrücklich nur eine Information über den Zweck der Datenverarbeitung vor (§ 81 f Absatz 1 Satz 2 StPO-E). Regelungen, die die Freiwilligkeit der Einwilligung absichern und die nach wie vor bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten klarstellen, fehlen gänzlich.

Freiwilligkeit

Wie bereits angedeutet, kann die "freiwillige" Einwilligung des Beschuldigten zu einer gegen ihn gerichteten Ermittlungsmaßnahme im Strafverfahren nicht der Regelfall sein.

Die Beschuldigten befinden sich im Strafverfahren regelmäßig in einer Drucksituation. Gleichzeitig können sie zum Zeitpunkt der Ermittlungen – etwa wenn die Ermittlungspersonen ihnen erstmals gegenüber stehen und um Einwilligung in die DNA-Analyse bitten – die Tragweite einer Entscheidung über die Einwilligung in die DNA-Analyse häufig nicht überblicken. In jenem Moment werden die Betroffenen – selbst dann, wenn sie zutreffend über die Rechtslage informiert wurden – oft die Gefahr sehen, dass eine Verweigerung der Zustimmung zu ihrem Nachteil gewertet wird oder den gegen sie bestehenden Verdacht bestärkt. Über die Tragweite des mit jeder DNA-Analyse verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden sie in dieser Situation vermutlich nur selten nachdenken. Dies aber ist für eine freie – und damit freiwillige – Entscheidung unabdingbare Voraussetzung. Entscheidend wird es also darauf ankommen, ob die Betroffenen die Möglichkeit haben, ihre Entscheidung "in Ruhe" und unter Hinzuziehung fachkundiger Beratung zu überdenken, und keinerlei Nachteile im Falle einer Verweigerung befürchten.

Auch nach Durchführung des Strafverfahrens – wenn es um die DNA-Analyse zur Speicherung in der BKA-Datei geht – ist eine Drucksituation anzunehmen. Denn wer die Analyse verweigert, wird schnell gefragt, ob er "etwas zu verbergen" habe. Ohnehin kann eine Ein­willigung nicht das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der DNA-Analyse ersetzen. Der Beschuldigte ist jedoch regelmäßig nicht in der Lage, rechtlich zu beurteilen, ob die Ermittlungsbehörden in "seinem" Fall die Analyse durchführen dürfen. Von den Betroffenen wird faktisch verlangt, sich selbst eine Negativprognose gemäß § 81 g Abs. 1 StPO-E auszustellen: Wer der Erhebung seiner genetischen Informationen für die DNA-Datei beim BKA zustimmt, bestätigt damit, dass er durch ein schwerwiegendes kriminelles Verhalten Anlass für eine Speicherung gegeben hat und von ihm nach wie vor eine Wiederholungsgefahr ausgeht. Die Betroffenen sollen sich also selbst belasten, was nicht zumutbar ist (nemo-tenetur-Grundsatz).

Nochmals verstärkt wird die Drucksituation, wenn dem Beschuldigten eine Einwilligung im Zusammenhang mit einer Festnahme oder Vernehmung abverlangt wird oder er sich bereits in Haft befindet. Der unfreie Gefangene soll dann selbst in freier Entscheidung die Prognose geben, dass er künftig wieder straffällig wird.

Widerruflichkeit

Die Einwilligung in die DNA-Analyse kann darüber hinaus – selbst wenn sie freiwillig erfolgt – nicht endgültig sein. Die Einwilligung ist stets widerruflich, jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft. Dies ergibt sich nicht nur aus den ergänzend anwendbaren allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen. Eine Unwiderruflichkeit – wie sie zur bisherigen Rechtslage offenbar das Landgericht Saarbrücken annimmt (StV 2001, 265; vgl. dagegen LG Düsseldorf NJW 2003, 1883, 1884) – wäre verfassungsrechtlich nicht haltbar. Dies hätte zur Folge, dass die Betroffene Person eine endgültige "Rechtsgrundlage" für die Durchführung der DNA-Analyse im konkreten Verfahren schaffte. Die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Analyse vorliegen, so etwa die Frage nach dem Tatverdacht oder der Wiederholungsgefahr, wäre dann nicht mehr gerichtlich überprüfbar. Damit käme die Einwilligung einem endgültigen Verzicht auf die gerichtliche Entscheidung gleich. Dies wäre mit Art. 19 Absatz 4 GG nicht vereinbar. Denn eine Regelung, die zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung darauf abzielt, gerichtlichen Rechtsschutz auszuschließen, läuft dem Rechtsschutzgedanken dieser fundamentalen Grundrechtsnorm zuwider (BVerfGE 22, 49, 81).

Sofern der vorgeschlagene Entwurf für eine Neuregelung der DNA-Analyse – trotz der dargelegten grundsätzlichen Bedenken – weiterverfolgt wird, sollte deshalb zumindest eineausdrückliche Klarstellung der Widerrufsmöglichkeit eingefügt werden.

Ebenfalls sollte der Gesetzgeber ausdrücklich klarstellen, dass im Falle eines Widerrufs die weitere Speicherung in Dateien nur zulässig ist, wenn die Durchführung der DNA-Analyse richterlich bestätigt wurde. Denn nach dem Sinn und Zweck sowie nach der Regelungssystematik findet die Speicherung in der DNA-Datei beim Bundeskriminalamt in der nach § 81 g Abs. 1 StPO durchgeführten richterlichen Prognoseentscheidung – die gemäß Abs. 2 ausführlich zu begründen ist (vgl. BVerfGE 103, 21, 35 ff.) – ihre rechtliche Grundlage. Würde eine solche Entscheidung aufgehoben, entfiele die Speicherungsgrundlage für die Zukunft. Nichts anderes kann für das Surrogat der richterlichen Entscheidung – die Einwilligung der betroffenen Person – gelten.

Aufklärung

Bei der DNA-Analyse zur Speicherung in der BKA-Datei zu Zwecken der Strafverfolgungsvorsorge sollte die im Referentenentwurf vorgesehene Aufklärung der einwilligenden Person zudem deutlicher geregelt werden. Neben der Aufklärung über die Widerrufsmöglichkeit ist zur Absicherung einer informierten und freiwilligen Einwilligung mindestens eine Information über folgende Umstände geboten:

  • die Auswertung der (regelmäßig Speichel-) Probe auf ihr persönliches DNA-Identifizierungsmuster,
  • die Speicherung der Probe in der BKA-Datei, die Dauer der dortigen Speicherung – in der Regel mindestens 10 Jahre (Prüffrist) – und die Zugriffsbefugnisse deutscher und ausländischer Stellen,
  • die Verwertbarkeit der DNA-Probe in künftigen Ermittlungsverfahren,
  • das Recht, die Einwilligung ohne Angabe von Gründen und ohne negative Folgen in diesem oder einem anderen Ermittlungsverfahren zu verweigern,
  • Dokumentation der materiellen Voraussetzungen der DNA-Analyse (entsprechend § 81 g Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 – 3 StPO-E).

Bei der Regelung zur DNA-Analyse zur Beweisgewinnung im laufenden Ermittlungsverfahren ist ebenfalls ein Hinweis auf das Recht, die Einwilligung ohne Angabe von Gründen und ohne negative Folgen in diesem oder einem anderen Ermittlungsverfahren zu verweigern, zwingend erforderlich und im Gesetz festzuschreiben (nemo-tenetur-Grundsatz).

b) "Gefahr im Verzug"

Nicht nachvollziehbar legt die Begründung zum Referentenentwurf dar, weshalb ein Verzicht auf den Richtervorbehalt in Fällen der "Gefahr im Verzug" sachlich notwendig ist.

In den Fällen der Strafverfolgungsvorsorge (vgl. § 81 g StPO-E) ist eine entsprechende Situation kaum vorstellbar. Die vorgeschlagene Regelung wird daher allenfalls zu einer unnötigen weiteren Erosion des Richtervorbehaltes führen. Auch in den übrigen Fällen (§ 81 f StPO-E) ist nicht ersichtlich, weshalb die Einschaltung eines Richters dazu führt, dass in Eilfällen die DNA-Analyse nicht rechtzeitig durchgeführt werden kann (vgl. Stellungnahme des Bundesbeauftragten vom 27.05.2005, Seite 2).

2. Erweiterung der DNA-Datei – "Straftaten von erheblicher Bedeutung"

Gekennzeichnet ist der Entwurf durch das Bemühen, die Anlassschwelle für eine Speicherung in der DNA-Datei weiter zu senken, obwohl der verfassungsrechtliche Spielraum bereits ausgereizt ist. Angesichts der bereits heute bestehenden Anwendungsmöglichkeiten ist ein praktisches Bedürfnis nach einer erneuten Ausweitung nicht erkennbar.

a) Abschaffung der Regelbeispiele

Die bisherige gesetzliche Regelung versucht, die Voraussetzungen für die DNA-Identitätsfeststellung zur Verwendung in der DNA-Datei durch Regelbeispiele zu präzisieren. Sie sollen illustrieren, was unter "Straftaten von erheblicher Bedeutung" zu verstehen ist. Diese Regelbeispiele will der Entwurf streichen.

Damit würde der Gesetzgeber auf eine zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit notwendige Eingrenzung bei Auslegung der bisherigen Vorschriften verzichten. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung muss "mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen sein, den Rechtsfrieden empfindlich stören und dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen" (BVerfGE 103, 21, 34). Diese nebelhafte Formel eröffnet den Gerichten sowie der Polizei einen äußerst weiten Auslegungsspielraum und erweist sich in der praktischen Handhabung als sehr weitgehend und kaum eingrenzbar. Daher hat das Bundesverfassungsgericht in seiner verfassungsrechtlichen Bewertung dieses Tatbestandsmerkmals zusätzlich auf die bislang in § 81 g StPO enthaltenen Regelbeispiele Bezug genommen: "Dabei grenzen die in der Vorschrift genannten Regelbeispiele den unbestimmten Rechtsbegriff weiter ein. Dadurch wird dem Bestimmtheitsgebot hinreichend Rechnung getragen" (BVerfGE 103, 21, 34 zur bisherigen Regelung). Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb der Gesetzgeber diese vom Bundesverfassungsgericht herangezogene tatbestandliche Klarstellung ohne Not aufgeben möchte.

Faktisch würde durch die Aufhebung der Regelbeispiele der Anwendungsbereich der DNA-Analyse erweitert. Es steht zu befürchten, dass es dadurch zunehmend zu unverhältnismäßigen Anordnungen kommen wird.

b) "Wiederholte Begehung sonstiger Straftaten"

Mit der Einfügung des § 81 g Absatz 1 Satz 2 StPO-E verabschiedet sich der Referentenentwurf endgültig von den bisher erarbeiteten – ohnehin kaum fassbaren - tatbestandlichen Eingrenzungen des Begriffs der "Straftat von erheblicher Bedeutung". Nach dieser neuen Ergänzung des Gesetzestextes kann " … die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten (…) im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen." Der Tatbestand verliert damit vollends seine Bestimmtheit. Für betroffene Personen wird es daher zunehmend schwieriger, zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen eine gegen sie gerichtete Anordnung zur DNA-Analyse rechtlich zulässig wäre.

Zutreffend weist etwa die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen auf Folgendes hin: Unklar ist, ob als "wiederholte Begehung" nur ein vielfaches Begehen von Straftaten oder bereits eine zweite Tat zählt und welche Kriterien für die zu treffende "Gleichsetzungsentscheidung" heranzuziehen sind. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob eine Vielzahl einfacher Straftaten zu einer Straftat von erheblicher Bedeutung "aufsummiert" werden können. Die mit der geplanten Regelung verbundenen Auslegungs- und Anwendungsprobleme dürften kaum zufriedenstellend lösbar sein. In der Folge lässt der Gesetzentwurf erwarten, dass sich die Praxis in schematische Betrachtungen flüchtet, die mit dem Erfordernis, eine in jedem Einzelfall am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Entscheidung zu treffen, von vornherein unvereinbar sind; dies lässt eine erhebliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs der DNA-Analyse erwarten (Stellungnahme der LDI-Nordrhein-Westfalen v. 17.6.2005).

3. DNA-Massenscreening

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz hat zur Zulässigkeit der Durchführung molekulargenetischer Reihenuntersuchungen nach der bisherigen Rechtslage ausführlich Stellung genommen (http://www.datenschutzzentrum.de/material/themen/polizei/dna-reihe.htm). Kennzeichnend für derartige Reihenuntersuchungen ist, dass sie eine große Anzahl unverdächtiger Personen mit äußerst hoher Eingriffsintensität betreffen. Daher sollte eine gesetzliche Regelung den in dieser Stellungnahme beschriebenen Anforderungen genügen.

Der gesetzlichen Regelung fehlt jedoch insbesondere eine ausdrückliche Klarstellung, dass die Reihenanalyse stets nur als ultima ratio möglich ist. Alle anderen denkbaren weniger eingriffsintensiven Ermittlungsmaßnahmen müssen vor Anwendung der Maßnahme ausgeschöpft sein.

Auf Grund der Fallanalyse müssen sich im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für die Eingrenzung des Teilnehmerkreises ergeben, die Massentests ins Blaue hinein ausschließen. Ausdruck der Verhältnismaßigkeit ist ein Vorgehen in "konzentrischen Kreisen", wonach Gruppen von Betroffenen je nach potentieller "Tatnähe" gebildet und bei Erfolglosigkeit der Abgleiche der jeweils tatnäheren Personengruppe nacheinander abgearbeitet werden. Ein solches Vorgehen sollte die gesetzliche Regelung – nicht nur die Gesetzesbegründung – tatbestandlich vorgeben.

Ob die Regelung in § 81 h Abs. 2 Satz 5 StPO-E vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG Bestand hat, mag dahinstehen. Jedenfalls wird diese Regelung eine Anrufung der Gerichte durch eine konkret betroffene Person nicht verhindern. Das angerufene Gericht wird sich dann zumindest inzident mit der Entscheidung zur Anordnung der Reihenanalyse zu beschäftigen haben.

4. Fazit

Der verfassungsrechtliche Spielraum für den Einsatz der DNA-Analyse im Strafverfahren und zur Strafverfolgungsvorsorge ist weitgehend ausgeschöpft. Eine Umsetzung des vorgelegten Referentenentwurfs würde die durch das Bundesverfassungsgericht vorgezeichneten Grenzen in einigen Bereichen sogar überschreiten. Erst recht werden diese Grenzen durch Forderungen überschritten, die die DNA-Analyse mit den Maßnahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung rechtlich gleichstellen wollen.

Daher bittet das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz die Landesregierung, diese Forderungen zurückzuweisen und gegebenenfalls den vorgelegten "Entwurf für ein Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse" mit der Stimme Schleswig-Holsteins im Bundesrat abzulehnen und sich für Verbesserungen des Gesetzesentwurfs einzusetzen.