Donnerstag, 15. August 2002

Generalstaatsanwalt und ULD einigen sich über datenschutzrechtliche Kontrollen des ULD in Ermittlungsverfahren

Über die Kontrollrechte des ULD gegenüber den Staatsanwaltschaften anlässlich von Bürgereingaben zu laufenden Ermittlungsverfahren und / oder Telefonüberwachungsmaßnahmen herrschte in den vergangenen Jahren Uneinigkeit (vgl. 23. Tätigkeitsbericht, Ziff. 4.3.5). Bisweilen wurde sogar in Zweifel gezogen, ob den Datenschutzbeauftragten im Bereich der Strafverfolgung überhaupt Kontrollrechte zustünden, da bei der letzten umfassenden Novellierung der StPO im Rahmen des StVÄG keine entsprechenden Normen geschaffen worden seien. Einige Staatsanwaltschaften befürchteten, Ermittlungsmaßnahmen könnten über eine Anfrage beim ULD indirekt "ausgeforscht" werden. Das ULD verwies darauf, dass seine gesetzlichen Kontrollkompetenzen im Landesdatenschutzgesetz verankert und seit über 20 Jahren ausgeübt worden seien. Hierüber und über das Verfahren der Benachrichtigung anfragender Betroffener haben der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein und der Landesdatenschutzbeauftragte im April 2002 die nachfolgend dokumentierte Vereinbarung geschlossen.

ERHARD REX
Generalstaatsanwalt
des Landes Schleswig-Holstein
DR. HELMUT BÄUMLER
Unabhängiges Landeszentrum
für Datenschutz Schleswig-Holstein

 

Auskunft aus

  • laufenden Telefonüberwachungsmaßnahmen
  • laufenden anderweitigen strafprozessualen Maßnahmen
  • laufenden Ermittlungsverfahren

die dem Beschuldigten wegen der Gefahr der Strafvereitelung nicht bekannt gegeben werden dürfen.

  1. Beide Beteiligte sind sich darüber einig, dass hinsichtlich der beiderseitigen Aufgabenerfüllung durch das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein wie auch durch die Strafverfolgungsbehörden des Landes Schleswig-Holstein ein Kompromiss gefunden werden soll, der die Kernbelange aller Institutionen respektiert.

  2. Beide Beteiligten sind sich auch darin einig, dass Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens im Zuge der wechselseitigen Aufgabenerfüllung keine Kenntnis von laufenden Telefonüberwachungsmaßnahmen / Ermittlungsverfahren / anderweitigen strafprozessualen Maßnahmen erhalten dürfen, wenn solche Kenntnis das Ermittlungsverfahren gefährden könnte. Dabei muss auch der Missbrauch durch Vergleichsanfragen mehrerer Petenten ausgeschlossen werden.

  3. Beide Beteiligten waren sich darüber einig, dass folgende "wertneutrale" Auskunft des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz eine Gefährdung des Ermittlungsverfahrens ausschließt: "Meine Überprüfung hat keinen Anhaltspunkt für eine Verletzung Ihrer datenschutzrechtlichen Belange ergeben. Dies bedeutet nicht, dass Ermittlungen / Telefonüberwachungsmaßnahmen / sonstige Maßnahmen (je nach Anfrage des Petenten) gegen Sie geführt werden. Aus prinzipiellen Erwägungen ist eine weitergehende Auskunft nicht möglich. Mein Prüfrecht konnte ich in vollem Umfang wahrnehmen."

    Im Falle einer datenschutzrechtlichen Beanstandung wird dem Petenten das Ergebnis der Überprüfung erst nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft zu einem Zeitpunkt mitgeteilt, bei dem eine Gefährdung des Ermittlungszwecks ausgeschlossen ist.

  4. Die Beteiligten gehen davon aus, dass Ausforschungen gegenüber dem ULD aufgrund des IFG/SH nicht möglich sind.

  5. Beide Beteiligten stimmen auch darin überein, dass in besonderen Fällen im Einvernehmen zwischen Staatsanwaltschaft und ULD eine Negativauskunft gegeben werden kann. Nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft ist das insbesondere dann der Fall, wenn ein Missbrauch auch über Vergleichsanfragen ersichtlich nicht zu befürchten ist.

  6. Beide Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz seine Kontrollrechte auch gegenüber der Staatsanwaltschaft ausüben kann und die Strafprozessordnung dem nicht entgegensteht. Die Auskunfts- und Kontrollrechte des ULD bei laufenden Ermittlungsverfahren und laufenden Telefonüberwachungsmaßnahmen unterliegen den Besonderheiten zu Ziff. 7.

  7. Eine abschließende Klärung über die praktische Handhabung der Prüfrechte des ULD kann nicht erfolgen. Wegen der Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen muss diese dem Einzelfall überlassen bleiben. Dabei geht es um die zwischen den Beteiligten nicht geklärte Frage, ob die Prüfung des ULD dazu dienen darf, die einzelne strafprozessuale Strafverfolgungsmaßnahme des Staatsanwalts / der Staatsanwältin / eines Strafverfolgungsorgans einer Rechtmäßigkeitsprüfung nach der Strafprozessordnung zu unterziehen. Wegen der unscharfen Trennlinie zwischen den Aufgabengebieten beider Beteiligten kann diese Frage nur Einzelfallweise und pragmatisch gelöst werden.