IZG-SH und Urheberrecht
Nach § 10 Satz 1 Nr. 2 IZG-SH kann die Gewährung des begehrten Informationszugangs im Einzelfall abzulehnen sein, wenn Dritte davon in ihren Urheberrechten betroffen wären. Die Regelung lautet:
„Soweit durch die Bekanntgabe von Informationen […] Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, verletzt würden, […] und das aus den Nummern 1 bis 4 jeweils folgende schutzwürdige private Interesse an der Geheimhaltung gegenüber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse überwiegt, ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, die jeweils Betroffenen haben zugestimmt.
1. Urheberrechte
Urheberrechte können gem. § 10 Satz 1 Nr. 2 IZG-SH nur dann einem Informationszugang entgegenstehen, wenn es sich bei den begehrten Informationen um ein Werk i.S. von § 2 Abs. 2 Urhebergesetz (UrhG) handelt. Nur diese sind vom Urheberrecht geschützt. Zu den urheberrechtlich geschützten Werken gehören Gutachten etc. nur, wenn sie durch weit überdurchschnittliche individuelle Eigenart eine eigene geistige Leistung enthalten (vgl. Schoch, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz (IFG), 2. Auflage, 2016, § 6, Rn. 39; vgl. auch LG Hamburg, Urteil vom 15.05.2009, 308 O 580/08; VG Magdeburg, Urteil vom 23.01.2018, 6 A 343/16 MD; OVG NRW, Urteil vom 24.11.2017, 15 A 690/16, Rn. 78ff.).
In dem „Werk“ muss also die persönliche geistige Schöpfung zum Ausdruck kommen. Das hat zur Folge, dass „Urheber“ eines Werkes auch nur eine natürliche Person, nicht jedoch eine öffentliche Stelle sein kann (Schoch, Kommentar zum IFG, 2. Auflage 2016, § 6, Rn. 26). Mit anderen Worten: Eine öffentliche Stelle kann nicht Inhaber eines Urheberrechts sein und sich daher auch nicht auf eigene Urheberrechte berufen (streitig. vgl. zum Meinungsstand: Schoch, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 6, Rn. 26) (davon zu unterscheiden ist jedoch die Situation, dass eine öffentliche Stelle Inhaber eines Nutzungsrechts ist, siehe Ziffer 2). Dies geht auch aus der Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14) hervor, in der festgestellt wird:
„[…] Jedenfalls soweit nicht Urheberrechte außenstehender Dritter betroffen sind, ist es der Behörde in aller Regel versagt, ein bestehendes urheberrechtliches Schutzgut gegen Informationszugangsansprüche zu wenden.“
In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass sich eine öffentliche Stelle auch aus dem Grunde nicht auf ein eigenes Urheberrecht berufen kann, da dies den Zielen des IZG-SH (insbesondere dem Transparenzgedanken; vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 14/2374, Seite 11) zuwiderlaufen würde.
2. Mögliche Einräumung eines Nutzungsrechts
Sofern es sich bei den begehrten Informationen um ein Werk i.S. des § 2 Abs. 2 UrhG handelt, ist für die Frage, ob der Zugang zu diesen Informationen nach § 10 Satz 1 Nr. 2 IZG-SH zu versagen ist, maßgebend, ob das Urheberrecht des betroffenen Dritten durch den begehrten Informationszugang verletzt werden würde. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Urheber der (auftraggebenden) informationspflichtigen Stelle nach § 31 Abs. 1 UrhG (stillschweigend) ein Nutzungsrecht (unter Einschluss der behördlichen Gewährung des Informationszugangs) eingeräumt hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 39; LG Hamburg, Urteil vom 15.05.2009, 308 O 580/08; Schoch, Kommentar zum IFG, § 6, Rn. 61; VG Frankfurt a.M., ZIP 2008, 2138 (2143); VG Köln, Urteil vom 22.11.2002, 13 K 5281/81). Maßgebend dafür ist, welche Vereinbarungen der Urheber mit der (auftraggebenden) informationspflichtigen Stelle getroffen hat. Haben die Parteien eines Vertrags nicht ausdrücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so bestimmt sich gem. § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 39). Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungsgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 39). Bei gegen Entgelt erstellten (Sachverständigen-) Gutachten ist dabei in der Regel davon auszugehen, dass die Nutzungsrechte an diesen Gutachten ganz oder teilweise vom Urheber auf den Auftraggeber übertragen werden (OVG NRW, Urteil vom 24.11.2017, 15 A 690/16, Rn. 68). Wird der informationspflichtigen Stelle von dem Urheber ein Nutzungsrecht eingeräumt, das die behördliche Gewährung des Informationszugangs einschließt, wird das Urheberrecht durch die Erteilung des Informationszugangs zu dem Werk nicht verletzt, so dass der Ausschluss nach § 10 Satz 1 Nr. 2 IZG-SH nicht greift.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Situation, dass ein Mitarbeiter einer öffentlichen Stelle in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit ein Werk i.S. des § 2 Abs. 2 UrhG anfertigt. Der Mitarbeiter bleibt als natürliche Person zwar Inhaber der Urheberrechte, er überträgt jedoch konkludent mit der Aushändigung des Werkes an den Dienstherren diesem auch sein Nutzungsrecht an dem Werk (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 39). Dieses Nutzungsrecht umfasst jegliche Verwendung des Werkes, die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 39). Dazu gehört auch die Gewährung von Zugangsansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen (BVerwG, Urteil vom 25.06.2015, 7 C 2.14, Rn. 40).
3. Interessenabwägung
Sofern die informationspflichtige Stelle kein - die Gewährung des Informationszugangs umfassendes - Nutzungsrecht an dem Werk besitzt (und der Urheber auch ansonsten nicht in die Gewährung des Informationszugangs eingewilligt hat), darf der Informationszugang gleichwohl (noch) nicht abgelehnt werden. Die informationspflichtige Stelle muss vielmehr im Rahmen einer Interessenabwägung prüfen, ob das Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Urhebers gegenüber dem öffentlichen Bekanntgabeinteresse überwiegt. In diesem Fall ist der IZG-SH-Antrag (insoweit) abzulehnen. Dagegen ist dem Antrag jedoch bereits dann stattzugeben, wenn beide Interessen lediglich gleich gewichtig sind.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des IZG-SH eine Verschiebung der Gewichtung der entgegenstehenden Interessen zu Gunsten des Antragstellers vorgenommen hat. Die frühere Fassung sah noch vor, dass Informationen bei gegensätzlichen Interessen nur herausgegeben werden durften, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Mit der Neuregelung ist eine Umkehrung dieses Regel-Ausnahme-Prinzips eingetreten. Jetzt darf der Informationszugang nur abgelehnt werden, wenn die Geheimhaltungsinteressen überwiegen (Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/4409, Seite 14, 15). Im Rahmen der Interessenabwägung ist ferner zu berücksichtigen, dass die Ausschlussgründe eng auszulegen sind (EuGH, Urteile vom 23.11.2016, C-442714, Tz. 56 und C-673/13, Tz. 51).
4. Kein Ausschluss vom Ausschluss gem. § 10 Satz 2 IZG-SH
Der Ausschlussgrund nach § 10 Satz 2 IZG-SH greift auch dann, wenn es um Informationen über Emissionen geht. § 10 Satz 2 IZG-SH enthält dazu folgende Regelung:
„Der Zugang zu Informationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Satz 1, 3 und 4 genannten Gründe abgelehnt werden.“
Das bedeutet, dass die in § 10 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 IZG-SH genannten Gründe dem Informationszugang nicht entgegenstehen können, wenn es sich um Informationen über Emissionen handelt (zum Begriff „Informationen über Emissionen“ vgl. Leitfaden des ULD zum IZG-SH und Baurecht, Ziffer 3, abrufbar unter
https://www.datenschutzzentrum.de/uploads/informationsfreiheit/ULD-Leitfaden-Bauakten-IZG_SH.pdf.
Aus dem Umkehrschluss dieser Regelung ergibt sich, dass dies jedoch nicht für Urheberrechte zutrifft. Der Informationszugang kann auch dann wegen gewichtigerer entgegenstehender Urheberrechte abgelehnt werden, wenn es um Informationen über Emissionen geht. Diese Differenzierung zwischen den in § 10 Satz 1 IZG-SH genannten Gründen ist der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG geschuldet (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 16/722, Seite 35; Artikel 4 Abs. 2 Satz 4 Richtlinie 2003/4/EG).
Die Tatsache, dass es um Informationen zu Emissionen geht, ist jedoch im Rahmen der Interessenabwägung genauso zu berücksichtigen, wie der Umstand, dass die europarechtlichen Vorgaben eine möglichst umfassende und systematische Verfügbarkeit und Verbreitung von Umweltinformationen (wozu die Informationen über Emissionen gehören) in der Öffentlichkeit vorsehen (EuGH, Urteil vom 23.11.2016, C-442/14, TZ. 55).
5. Generell: Verhältnis IZG-SH und UrhG
Der Urheber hat nach dem UrhG grundsätzlich das alleinige Verfügungsrecht über sein Werk (vgl. z.B. § 12 UrhG, §§ 15ff. UrhG) (Schranken/Ausnahmen vgl. z.B. § 53 UrhG und § 57 UrhG).
Vor diesem Hintergrund besteht auf den ersten Blick ein Widerspruch zwischen den Regelungen des UrhG und denen des IZG-SH (sofern es nicht um amtliche Werke i.S. des § 5 UrhG geht) in den Fällen, in denen der Urheber kein, den Informationszugang umfassendes Nutzungsrecht an die informationspflichtige Stelle überträgt (und auch sonst dem Informationszugang nicht zustimmt), die Informationen jedoch angesichts eines zumindest gleichgelagerten öffentlichen Bekanntgabeinteresses herauszugeben sind. Insofern geht die Regelung weiter, als § 6 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG (Bund)). § 6 IFG (Bund) erlaubt den Informationszugang von vornherein nur insoweit, soweit Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums nicht entgegenstehen; eine Interessenabwägung ist nach § 6 IFG (Bund) nicht vorgesehen – und damit auch kein weitergehender Informationszugang.
Tatsächlich besteht jedoch kein Widerspruch zwischen den Regelungen des UrhG und dem IZG-SH, da gem. § 45 UrhG bestimmte Nutzungen des Werks durch öffentliche Stellen gesetzlich erlaubt sind:
„§ 45 Rechtspflege und öffentliche Sicherheit
(1) Zulässig ist, einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde herzustellen oder herstellen zu lassen.
(2) Gerichte und Behörden dürfen für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit Bildnisse vervielfältigen oder vervielfältigen lassen.
(3) Unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vervielfältigung ist auch die Verbreitung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Wiedergabe der Werke zulässig.“
Die Befugnis, einzelne Vervielfältigungen in Verfahren bei einer Behörde herstellen zu lassen, erstreckt sich auch auf behördliche Verfahren nach dem IZG-SH (vgl. auch BPatG München, Beschluss vom 23.03.2015, 7 W (pat) 7/14; Schrader in Schomerus/Schrader/Wegener, Handkommentar zum UIG, 2. Auflage 2002, § 8, Rn. 18. Andere Ansicht: Rossi, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage 2006, § 6, Rn. 53; Blatt in Brink/Polenz/Blatt, Kommentar zum IFG, 1. Auflage 2017, § 6, Rn. 34; Schoch, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 2. Auflage 2016, § 6, Rn. 66; OVG NRW, Urteil vom 24.11.2017, 15 A 690/16). Das BPatG hat dazu in seinem Beschluss vom 23.03.2015, 7 W (pat) 7/14, Rn. 32, 33, für ein Akteneinsichtsgesuch nach dem PatG wie folgt festgestellt:
„[…] Verfahren im Sinne des § 45 UrhG ist jeder Vorgang, der einen konkreten, von dem betreffenden Organ nach außen wirkenden Sachverhalt zum Gegenstand hat, nicht hingegen verwaltungsinterne Vorgänge. […]
Hiervon ausgehend ist auch ein Akteneinsichtsverfahren nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 PatG als ein Verfahren im Sinne des § 45 Abs.1 UrhG anzusehen. Es liegt kein verwaltungsinterner Vorgang, sondern ein Gegenstand mit nachaußen wirkendem Sachverhalt vor, nämlich ein gesetzlich geregeltes Verfahren bezüglich der Einsichtnahme in patentamtliche Akten – hier nach § 31 Abs. 1 Satz 2 PatG-, das durch einen entsprechenden Antrag eingeleitet wird. Das Patentamt muss prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Akteneinsicht nach dem Patentgesetz, § 31 Abs. 1 oder Abs. 2, gegeben sind, ggf. unter Beteiligung des Schutzrechtsinhabers, oder eventuell Vorschriften des Datenschutzes oder andere Rechtsvorschriften eine Akteneinsicht nach § 31 Abs. 3b PatG ausschließen.“
Übertragen auf das Verfahren nach dem IZG-SH bedeutet das, dass ein Eingriff in das Urheberrecht aufgrund der Schrankenregelung des § 45 UrhG zulässig ist, wenn die Informationen nach den Voraussetzungen des IZG-SH herauszugeben sind.
Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Ansichten, wie sich das Verhältnis UrhG/IZG-SH gestaltet, auseinandergehen. Die Gesetzesmaterialien verhalten sich nicht dazu (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 16/722, Seite 36; Drs. 17/171, Seite 23; Drs. 17/1610, Seite 24). Gerichtliche Entscheidungen sind dazu bisher nicht vorhanden.
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