5: Stellungnahmen
ULD: Biometrie ist nicht die Lösung aller Sicherheitsfragen
Stellungnahme des ULD zu der von der
ZVEI-Arbeitsgruppe "Biometrietechnik" und der von der DFK-Arbeitsgruppe "Biometrie und Recht" erarbeiteten und von der
Stiftung DFK "Deutsches Forum für Kriminalprävention" Ende Märzt 2004 herausgegebenen Broschüre
AIRPORT-Security - Biometrische Applikationen zur Verbesserung der Sicherheit auf Flughäfen
Kernpunkt des in der Broschüre vorgestellten DFK-Konzeptes ist die Einführung eines standardisierten "Flughafenausweises" für Mitarbeiter, berufsbedingte Dauerbesucher und Vielflieger (Passagiere der gewerblichen Luftfahrt auf freiwilliger Basis). Mit Hilfe von biometrischen Verfahren soll überprüft werden, ob der aktuelle Ausweisbenutzer der rechtmäßige Ausweisinhaber ist. Vorgeschlagen werde prozessorgestützte SmartCards mit RFID (Radio Frequency Identification) -Technik, d.h. elektronische Chipkarten, die kontaktlos durch als berechtigt ausgewiesene Lesegeräte ausgelesen werden können.
Das ULD bekräftigt seine Überzeugung, dass im Flughafenbereich, evtl. auch mit biometrischen Identifizierungsverfahren, wirksame Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen ergriffen werden können, ohne dass hierbei unverhältnismäßig in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungeingegriffen und in das Recht, auch im öffentlichen Bereich grds. unbeobachtet und anonym verkehren zu dürfen, eingegriffen werden müsste. Das ULD begrüßt den Diskussionsbeitrag des Deutschen Forums für Kriminalprävention im Interesse der Konkretisierung und Versachlichung der Debatte über Flughafensicherheit. Es lehnt aber einige der in dem Konzept vorgesehenen Vorschläge als ungeeignet und rechtlich unzulässig ab.
Das ULD hat Zweifel, ob durch eine Überprüfung der mit solchen Karten auszustattenden Personen ein Sicherheitsstandard erreicht werden kann, der den Verzicht auf eine physische Kontrolle der Personen und der von diesen mitgeführten Gegenstände erlaubt. Derzeit sieht die EU-Verordnung zur Sicherheit in der Zivilluftfahrt von 2002 vor, dass solche körperlichen Kontrollen durchgeführt werden müssen. Abgesehen von Zweifeln an der Geeignetheit einer reinen Identifizierungsprüfung würde die "freiwillige"Sicherheitsüberprüfung von Flugpassagieren nötig, was mit einer sehr umfassenden geheimdienstlichen und polizeilichen Durchleuchtung dieser Personen verbunden wäre.
Das Konzept geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass Vertragspartner im Privatrechtsverkehr generell - und damit auch Fluggesellschaften - berechtigt bzw. gar verpflichtet wären, die Identität ihrer Vertragspartner - hier ihrer Fluggäste - festzustellen. Die in der DFK-Stellungnahme aus bestehendem EU-Recht abgeleitete Verpflichtung zur Identifizierung von Fluggästen durch die Fluggesellschaften ist für das ULD nicht nachvollziehbar. Vielmehr gilt, dass auch im Fall der Personalisierung von Flugtickets grds. die Möglichkeit der Weitergabe an andere Personen besteht und eine rechtliche Verpflichtung zur Identifizierung von allen Fluggästen nicht begründet wird.
Es trifft nicht zu, dass die Ausstattung von internationalen Reisedokumenten mit einem Funk-Transponder (RFID-Technik) durch internationale Vereinbarungen gefordert würde. Eine derartige völkerrechtliche verpflichtende Festlegung ist bisher nicht erfolgt. Nach Ansicht des ULD dürfte im Interesse der Wahrung international gültiger Datenschutzstandards eine verpflichtende Einführung von Reisedokumenten, auf denen biometrische Identifizierungsdaten mit RFID-Technik ausgelesen werden können, auch nicht erfolgen. Für die betroffenen Ausweisinhaber wäre beim Einsatz dieser Technik nicht eindeutig erkennbar, wann und durch wen ihre Dokumente ausgelesen werden. Weiterhin ließe sich - insbesondere bei international eingesetzten Lesegeräten - nicht ausschließen, dass diese auch von nichtberechtigten Stellen eingesetzt würden. Die technischen Sicherungsmöglichkeiten auf RFID-Chips entsprechen zudem derzeit noch nicht dem Standard, der für offizielle Ausweisdokumente gefordert werden muss.
Aus Sicht des ULD ist es nicht erforderlich, im Rahmen einer verlässlichen Authentisierung mit Hilfe von biometrischen Merkmalen auch nur kurzzeitig ein Auslesen der biometrischen Templatesvorzunehmen, so wie die DFK-Stellungnahme dies unterstellt. Vielmehr kann eine Verifikation von eingelesenen biometrischen Daten bzw. von generierten Templates in der Chipkarte selbst erfolgen.
Die vom Konzept favorisierte Freigabe der biometrischen Daten auf hoheitlich erfassten bzw. staatlichen Ausweisdokumenten für private Nutzer wird vom ULD aus datenschutzrechtlichen Gründen kategorisch abgelehnt. Es ist Ausweisinhabern, die unter staatlichem Zwang zur Abgabe ihrer biometrischen Daten veranlasst werden, nicht zuzumuten, dass diese auch von privaten Stellen erhoben und weiterverarbeitet werden. Faktisch könnten z.B. Flugpassagiere so gezwungen sein, ihre biometrischen Daten den Fluggesellschaften zur Verfügung zu stellen. Diese Daten würden sich derart sehr schnell zu einem unfälschbaren, übergreifend nutzbaren, Personenkennzeichen entwickeln. Die Schaffung solcher Personenkennzeichen, über die Behörden und private Stellen personenbezogene Daten austauschen und zusammenführen könnten, wird bisher ausgehend vom Volkszählungsurteil und einer Reihe weiterer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts generell als verfassungswidrig angesehen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Einsatz des Personenkennzeichens vordergründig u.a. mit der Erhöhung der Flughafensicherheit begründet wird.
Das Konzept schlägt in den Ankunfts- und Abflughallen Videoüberwachungsmaßnahmen vor, die mit biometrischen Gesichtserkennungssystemen ausgerüstet sind, um Hausverbote durchsetzen zu können. Nach Überzeugung des ULD rechtfertigt die Sicherheitslage in den allgemein zugänglichen Bereichen von Flughäfen nicht den Einsatz von verdachtsunabhängig eingesetzten automatisierten Gesichtserkennungsverfahren .